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Köllenkandidaten

i. V

Kobelspäne

Cuno, Cuno, „starker Mann",

Schau dir unsre Wuchrer an,

Schieber, Jobber gleicherweise: -

- Stündlich steigern sie die Preise!

. Cuno, blick nicht immer nur
Starren Auges nach der Ruhr
Denn es gibt noch näh're Dinge,

Die uns fester ziehn die Schlinge.

Cuno, brauch die starke Faust,

Daß sie hier mal niedersaust.

Oder ivill's dir nicht gelingen,

Hier die Faust in Schwung zu bringen??,



Wie wäre es, wenn Amerika jetzt Frankreichs Beispiel folgte und
einige französische Provinzen besetzte, bis Frankreich seine Schulden
abbezahlt hat? *

In jahrelanger Kriegsglut schmolz
Das Weltgewissen kläglich ein. *

Und für des'Schwachen Glück und Stolz
Scheint kein Verständnis mehr zu sein.

Man fragt nicht mehr: geschieht ihn» recht?

Man denkt min: laßt mir meine Ruh!

Und macht der Starke ihn zum .Knecht
Schaut man mit Achselzucken zu.

Die allgemeine Wurschtigkeit,

Der inan begegnet links und rechts,

Vergiftet nun für lange Zeit
Die Zukunft unseres Geschlechts.

-k

Allein die Wucherer iverden im Ruhrgebiet auch im Ausnahme
zustand im gleichen glänzenden Einnahmezustand bleiben.

•k

„Wie heeßt doch jleich bet Westfalenlied?" fragte mein Jüngster.
Ick sagte: „Wahrscheinlich: Immer langsam voran!"

> Dein getreuer Säge, Schreiner.

stTcr Obcrteuscl: „Am wenigste» leiden jetzt doch-die Deutschen bei uns.
Die sind durch ihre Verhältnisse für die Hölle zu gut trainiert."

Eine Anmöglichkeit

Photograph: „Also jetzt bitte recht freund-
lich!"

- Kunde: „Das ist mir unmöglich. Ich bin
"ämlich gerade dabei, mir infolge der Teue-
rung das Rauchen und Trinken abzu-
Lewöhnen."

Was zli hoffen ist

. „Infolge des französischen Einbruchs herrscht
st» Ruhrgebiet auf den Bahnhöfen große Ver-
zapfung."

„Na, hoffentlich erweist sich der deutsche

widerstand als ivirksanies Abführmittel."



Die Krisis

(KrankheitSberichte über die Mütter Germania)

„Deutschland hat ewigen Bestand; es ist
^i» kerngesundes Land." So ungefähr sang
kinst Heinrich Heine, einer der vielverkannten
Paturheilärzte des alten Deutschland. Ja, die
deutsche Gesundheit ist ebenso sprichivörtlich
geworden wie die Krankheit des Mannes aur
Bosporus. Aber seit einige» Jahren scheinen
beide die Rollen geivechselt zu haben, und daS
l^ild von den Ärzten am Krankenlager Mutter
^ermanias kehrt recht häufig wieder.

In weniger aufgeklärten Zeitläuften könnte
»>an auf den Gedanken kommen, sie sei be-
schicken ivorden. Es ist wirklich viel geschrieu
»'orden bei uns. Kein Wunder, daß sich chro-
Uische Heiserkeit eingestellt hat.

Dann trat 1914 der große Blutverlust ein.
lEinen Aderlaß hat sich Mutter Germania
leider aller 50 Jahre trotz dringenden Ab-
chtens immer wieder verschreiben lassen.) Dazu
l»men bösartige Verstümmelungen, schinerz-

hafte Amputationen, Nervenkrifen. Aber statt
daß sich hierauf der „narbenvölle Leib" in heil-
kräftigen Quellen erholen konnte, wie es einst
den alten Recken vergönnt ivar, mußte sie sich
einer weniger erfolgreichen Hungerkur unter-
ziehen, die nicht von Pappe war, um so mehr
aber von Kohlrübe.

Trotz der nicht unbeträchtlichen Milchent-
ziehung erhielt sie sich ihre Kindlichkeit bis in
ihr jetziges Alter, eine Kindlichkeit, die alles
glaubt, was gesprochen, geschrieben, gedruckt
und gedichtet wird.

Immerhin, Mutter Gerinania schien wieder
zur Gesundheit zu kommen, wenn es auch vor-
läufig eine papierene war. Da kam ganz plötz-
lich (es kam immer alles ganz plötzlich) ein
schlimmer Rückfall, vor dem die Arzte stets ge-
warnt hatten, die Erkrankung an der Ruhr.
Wer draußen je davon erfaßt wurde, der weiß
ein Liedchen davon zu singen. Billig wird die
Heilung bei den jetzigen Doktorkosten nicht wer-
den. Die Krisis ist noch nicht vorüber, es geht
um Tod und Leben. Drum weg mit den
Quacksalbern! ar. ss.

Lieber Jacob!

Es liebt die Welt bet Strahlende zu schwär-
zen un det „Erhabene" in den Stoob zu ziehen,
sagt Schiller, un der hat unser» Jeneral
quartiermcester mit die blaue Brille doch noch
jar nich jckannt. Dieser „Erhabene" is in Kärn-
ten jewesen, un Klajenfurt hat ihn beflaggt,
aber die Arbeeter haben die Fahne» in den
Stoob jezogen Un um ec» Haar ihm höchst-
persönlich ooch. „Totenjräber Deitschlands"
haben se ihm jeschumpfen un ooch sonst ihm
durch den Kakao jezogen. Aber er war „er-
haben" dadrieber. Er hat sich dann in eenen
Zug jesetzt un is nach Wien jejondelt, weil

se da doch jemietlicher sein sollen als die Ein-
jebornen Klajenfurts. (enschuldije det harte
Worts »Iber dieser jeojraphische Name is »u
mal anrüchig). Er is aber nich jänzlich hin-
jekominen, weil se ihm jar nich hineinjelassen
haben. Se hielten den Zug an un suchten
sich de Oojen nach dem großen Mann aus
dem Kopp, fanden ihm jedoch nicht. OKontrol-
löhr, er hatte sie eenfach den Rücken jedreht
un war in een Abteil jejangen, ivat sich von
innen zuriejeln läßt un ooch eene „Brille"
hat... Da haben se ihm eenen Feigling je
dooft, trotzdem der Zug jar nich nach Schwe-
den fuhr. Un ick finde diese Benehmijung sehr
unrecht, lieber Jacob. Denn ick jloobe, als die
Wiener Arbeeter anrückten, is ihn wirklich
een Bedirfnis anjekommen - un nich zu knapp
un er mußte sich dahiu setzen. Et jibt
mancherlei Dinge, die man eben — bericksich
tijen muß.

Eh ick's verjesse — unser» Fremd Jotthils
Rauke belajern se soeben in't Ruhrjebiet mit
Truppenübermacht (Schenietruppen sind keene
dabei) un ivollen ihm nach stattjehabter Ka-
pitulation abfiehren, weil Poingkarreh in ihn
det dicke Zentrum von den deitschen Wider-
stand zu sehen jloobt. Soeben kriejc ick per
Fluchpost eene Karte von ihm (det heeßt von
Jolthilfen, nich von Raymond), un zwar det
Inhalts: Ick kann mir nich mehr halten --vor
Lachen.

28at ick hiermit bestelle in treuer Jesinnung.

Fritz Piesccke,

an Schles'schen Bahnhof, jejenieber die Rotunde.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen könne» im Falle der
Nichtannahme nur zurückgesandt iverden, wenn Rück-
porto beigefugt is«! Die Redaktion

illedallionsschluii 19. Februar 1929.
 
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