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Die Lauptmimmer im Variete Europa

Raymond, der Zauberkünstler.

§)obelspäne

Jeder Tag droht trüb und trüber.
Die Entente bleibt Tyrann.

Einmal geht's ja wohl vorüber;

Aber fragt mich nur nicht, wann. . .

„Deutschland zahlet alle Zechen" —
Stets dieselbe Melodie.

Einmal hört wohl auf das Blechen;
Aber fragt mich nur nicht, wie. . .

Die sich heut ins Fäustchen lachen,
Sehn die Welt sich wieder drehn.

Und es gibt ein bös Erwachen-

Aber fragt nur nicht, für wen!



Die Weltgeschichte beginnt mit dem Urmenschen vor vielen Jahr-
tausenden; aber bei der Menschlichkeit ist sie noch längst nicht an-
gekommen. *

Der Oberteufel rief: „Potz Christ,

Wie stinkt es in der Hölle!

Es roch noch nie wie jetzt zur Frist.

Schaut mal am Tore nach: Wer ist
Da draußen an der Schwelle?"

Der Unterteufel rief: „Herrje!

Ein rechter Höllenbraten,

Der Träger der Revanche-Idee,

Der blut'ge Musjöh Delcassö
Ist uns in die Fänge geraten!

Er hat die Welt gezwickt, gezwackt
Und zum Massenmorde getrieben."

Der Höllenfürst rief: „Ei vertrackt!

Nur fest den Burschen angepackt
Und gründlich — Revanche getrieben!"
k

Mein Jüngster fragte: „Was heißt Kurzsichtigkeit auf französisch?"
Ick erklärte: „Wahrscheinlich — Poincarö!"

Dein getreuer Säge, Schreiner.

Landschaftsveredelung

In Berlin singt man jetzt das Lied: '

„Liebe Juste, sag, den Dreck,

Sag, wer führt ihn weg?"

Nämlich den Müll, die Asche, zerbrochene
Kaffeekannen und ausgediente Blumentöpfe —
Sachwerte, die sich auf manchen Höfen zu
Bergen häufen. Die Frachtkosten sind hoch,
also läßt man ihn liegen.

Da man ihn aber nicht immer liegen lassen
kann, höchstens bis zum vierten Stock, will
man ihn auf dem kürzesten Wege vor das
nächste Tor der Stadt fahren, ihn hier zu
Hügeln und Bergen häufen und so allmählich
eine liebliche Gebirgskette um das steinerne
Meer bauen.

Nach Schreiberhau und in die Schweiz können
wir bei den jetzigen Preisen ohnehin nicht mehr
fahren. Wir setzen uns also einfach auf die
Straßenbahn und gondeln in unsere Alpen
von Asche und unser Riesengebirge von Müll.

Ob das Edelweiß an den höchsten Hängen
gedeihen wird, weiß man noch nicht. Auf alle
Fälle werden wir Brennesseln pflücken, die
einen guten Frühlingssalat abgeben. Am meisten
aber wird der Reisende erstaunen, der von
außerhalb kommt: bewundernd wird sein Auge
zu den ragenden Gletschern aus Konservenbüch-
sen und pensionierten Nachttöpfen schweifen.

__ p-

Religionsunterricht

Pfarrer im Religionsunterricht: „Also, meine
lieben Kinder, das merkt euch ein für allemal:
Der liebe Gott leitet, er lenkt alles."

Der kleine Moritz stellt darauf die Frage:
„Hat der liebe Gott dann auch das Auto ge-
lenkt, das meine Schwester überfahren hat?"

Die Ruhrspende

„Wie denken Sie über die Ruhrspende?"

„Interessiert mich nicht. Die kann man ja
doch nicht nach dem Ausland verschieben."

Lieber Jacob!

(Vorbemerkung der Redaktion:

Schlagt die Flöte! Blast die Pauke!

Frei kam wieder Jotthilf Nauke.

Und des Rätsels Lösung ist:

Wie auch rings zu dieser Frist
Kitzlig Bajonette ragen, —

Nauke geht's nicht an den Krageti;

'ne Berliner Schnauze ist
Einfach gar nicht totzuschlagen!)

Ick muß doch nu ooch mal, denk ick mir,
nachkieken, wat bet mit det Sechstage- un
Nächterennen is. Wenn die Brieder den Kla-
mauk eejal in de ernste Zeit weitermachen,
denn muß an den Sport wat dran sind. Ick
schiebe also los in den Sportpalast un pack
mir noch 'n paar Schmalzstullen in, man is
doch ooch dein Kunstjenuß forn juten Happen-
pappen, warum ooch nich, un habe ooch schon
det erste Amüsemang wech, wie ick noch ja
nich drin bin. Ick setz mir jlatt auf sonst wat,
wie ick det Angtreh Heere. Un det Lokal is
jerammclt voll. Die Preise scheinen bloß mir
in de Reese zu pieken. Na, for nischt is nischt.
Aber wie ick rinkomme, denk ick, Jotthilf,
träumste oder biste dämlich? Da trampeln
dreizehn Männekens wie de Varrickten uff ihr
Velossipeh, un uff eenmal kippen se runter
un een andrer klettert ruff. Det halt' ick mir
ja nu janz anders vorjestcllt. So affig bin ick
ja nich, det ick jemecnt hätte, et war son Sechs-
tagerennen, wie ick et mal habe durchjemacht,

wo ick mir mit kältet Bier un denn frische
Flaumen druff die Jedärme verkorkst hatte.
Ob Du mir nu for bregenklietrig hältst oder
nich, is mir janz eejal, ick dachte, an det Ve-
lossipeh is ne kleene Karre anjespannt, un da
sitzt der Partner drin un aalt sich un läßt
sich von sein Kompanjon rumkarriolen un so.
So Hab! mir det jedacht. Un wenn de da vorne
de Puste ausjeht, denn kraucht er in den Korb
un der andre klettert uff de Maschine. Also so
is de Schoose nich. Wenn eener aus de Pan-
tinen kippt, denn looft, haste wat kannste,
eener trapp, trapp aus een son Hundekäfig
raus un karriolt jleich weiter. Den andern
schleppen se in selben Käfig un knuffen nff'm
rum un kloppen mit Lappen un mit de Fäuste
uff den seine Schenkel, det et roocht. Der läßt
sich det ooch jefallen un döst bloß. Denkste,
se fahren schnell? Pustekuchen. Jeder poplige
Schossehfloh saust fixer. Aber denn kommt uff
eemal so janz feiner Priezel un spendiert fünfzig
Mille. For de Ruhrhilfe meenste? Quatsch,
hat sich wat von wejen Ruhrhilfe. Nee, da-
mit se mal feste loslegen mit's Strampeln.
Na un denn spritzen se Dir 'n paar Runden
los, det de Bahn von den Schweiß jlibbrig
wird, vastehste. Ick kann ma nich helfen, wo
ick mir det Sechstagerennen bekiekt habe mit
mein eijenen Oogenschein, da wundr' ick mir
ieber janischt mehr. Ooch ieber Pöngkarreh
nich. Aber nischt for unjut!

Womit ick, vielnials jrießend, verbleibe Dein
jetreier Jotthilf Nauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen können tm Falle der
Nichtannahme nur zuriickgesandt werden, wenn Rück-
Porto boigefiigt ist! Die Redaktion

»iedakiionsschlub 5. Mär, 1923
 
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