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And das nennt man „Faustpfänder!'
Lobelspäne
„An ihren bunten Liedern
Klettert die Lerche empor . ."
Ach ja! Sie macht den Preisen
Ein schönes Kunststück vor.
Man steigert hundertprozentige
Verbilligt man dann genau
Die Ware um ein Prozentchen,
Dann nennt man's „Preisabbau"
Es ist eine alte Geschichte.
Doch bleibt sie ewig neu.
And wem sie just passieret —
Dem reißt die Geduld entzweie
Es sind sonderbare Zeiten. So wenig Schuhe man auch wegen der
Teuerung hat — jeden Tag drückt einen ein anderer Schuh.
Es sprach der biedere Doktor Leim
Zum Franzmann süß wie Lonigseim;
Sonst schnauzt er grob wie Bohnenstrohe
Man sieht: er kann bald so — bald so
Nach der gekrönten Könige Brauch
Schlich dieser ungekrönte auch
Zu gern auf dunklem, geheimem Pfad
Mit Völkerschiebung und Lochverrate
Macht das Gericht nun gleichen Krach
Wie einst im Falle Fechenbach??
Verpestend stinkt auf deutscher Flur
Die bajuvarische „Leimkultur".
Mein Freund Ede spendierte mir eine verdächtig aussehende Zi-
garre. „Wie schmeckt sie?" fragte er unschuldig, als ich verzweifelt
qualmte. „Hm", sagte ich, „so eine möcht' ich dem Poincarö schenken."
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Neue Köpfe
In der biologischen Versuchsanstalt der
Akademie der Wissenschaften zu Wien hat
man Wasserkäfern und anderen Insekten die
alten Köpfe abgenommen und neue eingesetzt
— Experimente, die vorzüglich gelangen. Der
neue Kopf heilt schnell ein und erlangt in
kurzer Zeit volle Funktionsfähigkeit. Es
wird nicht mehr lange dauern und auch dem
Menschen kann die alte Rübe durch eine
neue ersetzt werden. Vielversprechende Aus-
sichten!
Man denke nur, dem französischen Minister-
präsidenten würde der Schädel eines ver-
nünftigen Menschen aufgesetzt — welche
Wandlung in ganz Europa! Oder Litler,
Ludendorff usw. kriegten einen neuen Globus
auf ihren Lals! Oder man entschlösse sich
zu einer Generaloperatiön und okulierte sämt-
liche deutschnationalen Führer! Gar nicht
auszudenken. Die Sache hat nur ihren
Laken. Wer einen verständigen Kopf hin-
gibt, will einen andern wrederhaben. And
wer nimmt eine deutschnationale Rübe? p.
Lieber Jacob!
Ick muß Dir von die Vervollkommnung
von meine Bildung erzählen, wenn ma eener
wat von Theorie un Praxis auseinander-
verposamentierte, denn Hab ick immer jemeent,
det sin Phisematenten, un der Spruch von
Iöthe „Feldgrau, mein Fremd, is alle Theorie
un jrien die Schupouniform" hat mir det
Ding ooch nich plausibel jemacht. Ru Hab
ick aber endlich kapiert, wat da for'n Anter-
schied mang is. Wir haben een einijet deit-
schet Reich. Det is die Theorie. In Bayern,
vastehste, wollen se for sich alleene 'n Staats-
presidenten wählen, weil se doch ooch ichon
’n eignen Senat von Staatsgerichtshof besitzen
tun. Scheene Lieder for't Lerz kannste in
Bayern alle Dage hören, zum Bleistift:
Lieber bayrisch sterben,
als jüdisch-preußisch verderben.
Det is die Praxis von Reichseinheit. Oder,
Zeschichte ist dazu da, damit de weest, aus
wat for ne Luke der Wind blasen lut und
wie De Dir zu benehmen hast, wenn't mal
wieder so kommt. Det is Theorie. Den Krieg
un det Durchhalten mit Kohlrieben un Kohl-
dampfschieben Ham wir ja nu hinter uns.
Det bei den Krieg nischt weiter for uns
rausjekommen is, det läßt sich nich länger
verheimlichen. Et jeht uns ziemlich dreckig,
oder etwa nich? 1914 warn wir noch nich so
ausjemerjelt wie heite, aber schad nischt, sagen
de Iebildten, wenn sich die Franzosen mausig
machen, denn Knarre uff'n Puckel un losje-
ballert. Der deutschvölkische Reichstachsab-
jeordnete Major Lenning meent, „Auch heite
kenn' wir een Kampf ohne jroße Bewaffnung
sichren . . . Dann die Brust frei un in den
Kampf. Dann wolln wir uns wieder unfern
Lindenburch un unfern Ludendorff holen".
Die beeden passen zum Siegen wie die Beene
in de Pantinen, indem det se schon mal bei-
nahe jesiegt hätten. Da kannste sehn, wat
det mit diePraxis vonLernen aus de Zeschichte
uff sich hat.
Seit den 9. November 1918 Ham wir ne
Republik. Frieher war det schnieke, Mensch,
wie wir noch 'ne Monarchie waxn un wo sich
uns die Männerbrust schwölle, wenn wir det
Keenigs Rock anziehen derften. Ooch schon t
ohne de Aniform war det sor uns een er-
hebendes Iefiehl, wenn uns son Lausejunge
von Anteroffizier anschnauzte wie 'n nassen
Sack, wenn wir bei die Kontrollversammlung
mal niesten. Det war scheen, wat? Leute sin
wir nu, wie jesacht, ne demokratische Republik,
neemlich in de Theorie. Manchmal merkste
ja ooch wat davon. Da hat neilich der Akti-
onsausschuß „Niewieder Krieg" eene Straßen-
demonstration unter det Motto: „Gegen Foch
un Ludendorff — für Verständigung" anje-
kindigt. Da kam denn ooch schon sack, sack,
de republilanische Beheerde und verbietete
det. An in det Berliner Stadtparlament
wollten de Sozialisten for Berlin bloß man
een Namen „Platz der Republik" durchdricken,
damit de Demokraten un de andern Mon-
archisten nich janz verjeffen, det wir eigent-
lich 'ne Republik sin. Von wejen die hyste-
rischen Ricksichten halber meenten oberst die
Brieder, se kennten uff ihren Keenigsplatz
uff keenen Fall nich vazichten. Na siehste, da
haste die Praxis von de Republik.
Womit ick verbleibe mit ville Irieße, wat
ick noch sagen wollte, der Irieß is von wejen
Lohnabbau wieder teurer jeworn.
Dein Iotthilf Rauke,
an Iörlitzer Bahnhof, jlerck link«.
*
Die Briefmarkenplage
„Last du dir eine Briefmarkensamm-
lung angelegt?"
„Bewahre, das ist ja nur das Kuvert eines
soeben erhaltenen Geschäftsbriefes."
Redaktionsschluß t Aprt
And das nennt man „Faustpfänder!'
Lobelspäne
„An ihren bunten Liedern
Klettert die Lerche empor . ."
Ach ja! Sie macht den Preisen
Ein schönes Kunststück vor.
Man steigert hundertprozentige
Verbilligt man dann genau
Die Ware um ein Prozentchen,
Dann nennt man's „Preisabbau"
Es ist eine alte Geschichte.
Doch bleibt sie ewig neu.
And wem sie just passieret —
Dem reißt die Geduld entzweie
Es sind sonderbare Zeiten. So wenig Schuhe man auch wegen der
Teuerung hat — jeden Tag drückt einen ein anderer Schuh.
Es sprach der biedere Doktor Leim
Zum Franzmann süß wie Lonigseim;
Sonst schnauzt er grob wie Bohnenstrohe
Man sieht: er kann bald so — bald so
Nach der gekrönten Könige Brauch
Schlich dieser ungekrönte auch
Zu gern auf dunklem, geheimem Pfad
Mit Völkerschiebung und Lochverrate
Macht das Gericht nun gleichen Krach
Wie einst im Falle Fechenbach??
Verpestend stinkt auf deutscher Flur
Die bajuvarische „Leimkultur".
Mein Freund Ede spendierte mir eine verdächtig aussehende Zi-
garre. „Wie schmeckt sie?" fragte er unschuldig, als ich verzweifelt
qualmte. „Hm", sagte ich, „so eine möcht' ich dem Poincarö schenken."
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Neue Köpfe
In der biologischen Versuchsanstalt der
Akademie der Wissenschaften zu Wien hat
man Wasserkäfern und anderen Insekten die
alten Köpfe abgenommen und neue eingesetzt
— Experimente, die vorzüglich gelangen. Der
neue Kopf heilt schnell ein und erlangt in
kurzer Zeit volle Funktionsfähigkeit. Es
wird nicht mehr lange dauern und auch dem
Menschen kann die alte Rübe durch eine
neue ersetzt werden. Vielversprechende Aus-
sichten!
Man denke nur, dem französischen Minister-
präsidenten würde der Schädel eines ver-
nünftigen Menschen aufgesetzt — welche
Wandlung in ganz Europa! Oder Litler,
Ludendorff usw. kriegten einen neuen Globus
auf ihren Lals! Oder man entschlösse sich
zu einer Generaloperatiön und okulierte sämt-
liche deutschnationalen Führer! Gar nicht
auszudenken. Die Sache hat nur ihren
Laken. Wer einen verständigen Kopf hin-
gibt, will einen andern wrederhaben. And
wer nimmt eine deutschnationale Rübe? p.
Lieber Jacob!
Ick muß Dir von die Vervollkommnung
von meine Bildung erzählen, wenn ma eener
wat von Theorie un Praxis auseinander-
verposamentierte, denn Hab ick immer jemeent,
det sin Phisematenten, un der Spruch von
Iöthe „Feldgrau, mein Fremd, is alle Theorie
un jrien die Schupouniform" hat mir det
Ding ooch nich plausibel jemacht. Ru Hab
ick aber endlich kapiert, wat da for'n Anter-
schied mang is. Wir haben een einijet deit-
schet Reich. Det is die Theorie. In Bayern,
vastehste, wollen se for sich alleene 'n Staats-
presidenten wählen, weil se doch ooch ichon
’n eignen Senat von Staatsgerichtshof besitzen
tun. Scheene Lieder for't Lerz kannste in
Bayern alle Dage hören, zum Bleistift:
Lieber bayrisch sterben,
als jüdisch-preußisch verderben.
Det is die Praxis von Reichseinheit. Oder,
Zeschichte ist dazu da, damit de weest, aus
wat for ne Luke der Wind blasen lut und
wie De Dir zu benehmen hast, wenn't mal
wieder so kommt. Det is Theorie. Den Krieg
un det Durchhalten mit Kohlrieben un Kohl-
dampfschieben Ham wir ja nu hinter uns.
Det bei den Krieg nischt weiter for uns
rausjekommen is, det läßt sich nich länger
verheimlichen. Et jeht uns ziemlich dreckig,
oder etwa nich? 1914 warn wir noch nich so
ausjemerjelt wie heite, aber schad nischt, sagen
de Iebildten, wenn sich die Franzosen mausig
machen, denn Knarre uff'n Puckel un losje-
ballert. Der deutschvölkische Reichstachsab-
jeordnete Major Lenning meent, „Auch heite
kenn' wir een Kampf ohne jroße Bewaffnung
sichren . . . Dann die Brust frei un in den
Kampf. Dann wolln wir uns wieder unfern
Lindenburch un unfern Ludendorff holen".
Die beeden passen zum Siegen wie die Beene
in de Pantinen, indem det se schon mal bei-
nahe jesiegt hätten. Da kannste sehn, wat
det mit diePraxis vonLernen aus de Zeschichte
uff sich hat.
Seit den 9. November 1918 Ham wir ne
Republik. Frieher war det schnieke, Mensch,
wie wir noch 'ne Monarchie waxn un wo sich
uns die Männerbrust schwölle, wenn wir det
Keenigs Rock anziehen derften. Ooch schon t
ohne de Aniform war det sor uns een er-
hebendes Iefiehl, wenn uns son Lausejunge
von Anteroffizier anschnauzte wie 'n nassen
Sack, wenn wir bei die Kontrollversammlung
mal niesten. Det war scheen, wat? Leute sin
wir nu, wie jesacht, ne demokratische Republik,
neemlich in de Theorie. Manchmal merkste
ja ooch wat davon. Da hat neilich der Akti-
onsausschuß „Niewieder Krieg" eene Straßen-
demonstration unter det Motto: „Gegen Foch
un Ludendorff — für Verständigung" anje-
kindigt. Da kam denn ooch schon sack, sack,
de republilanische Beheerde und verbietete
det. An in det Berliner Stadtparlament
wollten de Sozialisten for Berlin bloß man
een Namen „Platz der Republik" durchdricken,
damit de Demokraten un de andern Mon-
archisten nich janz verjeffen, det wir eigent-
lich 'ne Republik sin. Von wejen die hyste-
rischen Ricksichten halber meenten oberst die
Brieder, se kennten uff ihren Keenigsplatz
uff keenen Fall nich vazichten. Na siehste, da
haste die Praxis von de Republik.
Womit ick verbleibe mit ville Irieße, wat
ick noch sagen wollte, der Irieß is von wejen
Lohnabbau wieder teurer jeworn.
Dein Iotthilf Rauke,
an Iörlitzer Bahnhof, jlerck link«.
*
Die Briefmarkenplage
„Last du dir eine Briefmarkensamm-
lung angelegt?"
„Bewahre, das ist ja nur das Kuvert eines
soeben erhaltenen Geschäftsbriefes."
Redaktionsschluß t Aprt