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— 96

Das Echo

Man kennt die Witze von den scherzhaften
Echos. Man schreit gegen den Felsen:
„Wollen Sie ein Glas Bier haben?" worauf
es zurückschallt: „Wird mit Dank angenom-
men!" Oder jemand niest, worauf es „Prosit"
vom Felsen zurückkommt. Aber das ist
alles gar nichts gegen das Echo, das nach
glaubwürdiger Versicherung der Zeitungen
aller Patteirichtungen den Reden der Staats-
männer zu folgen pflegt. Lerr Poincare
hielt in Dünkirchen eine Rede und rief laut:
„Die Sipo in Deutschland ist eine unerlaubte
Leeresorganisation!" !lnd was antwortete
das Echo der Welt? Das Echo der Welt
antwortete: „RaimondPoincare, Sie sind ein
Idiot von unwahrscheinlichem Ausmaß!"



Eine „trockene" Rache

Von Ferdinand Madlinger

Unser Arbeitergesangverein unternahm einen
Sonntagsausflug in den Schwarzwald. Wäh-
rend der Bahnfahrt wurde manch schönes Lied
angestimmt. Das Singen macht aber, wie be-
kannt, durstige Kehlen. Wo sich daher am Wege
ein Wirtshaus zeigte, gab es sehnsüchtige Blicke
und entschiedene Vorschläge zum Einkehren.

„Nichts da!" ries der abstinente Buchdrucker
Lehn. „Ich bin gegen jeden Wirtshausbesuch,
ehe wir unsernTagesmarsch hinter uns haben."
Leute drang er aber doch nicht durch mit seiner
Strenge. Beim nächsten Waldwirtshaus be-
schloß die Mehrheit, einen Morgentrunk zu
nehmen.

Als die Wirtin den Wein brachte, sagte der
Maschinenschlosser und Betriebsrat Fischer zu
ihr, indem er auf den „trockenen" Lehn den-
tete: „Bringen Sie dem Lerrn ein Viertele
Brunnenwasser; wissen Sie, er wächst noch,
und der Alkohol schadet seinem Wachstum".

Die Wirtin blickte ungläubig. „So, der
Lerr wächst noch? Das ischt aber emol merk-
wirdig. I Han mir denkt, der ischt scho min-
deschtens vierzig Iohr."

„Rein, Frau Wirtin, das täuscht. Er ist
noch nicht einmal konfirmiert. Er sieht bloß
so alt aus, weil er nichts Gescheites trinkt."

Lehn brütete Rache und lächelte verschmitzt
vor sich hin. „Warte, du trinkst heut auch
keinen Wein mehr," sagte er im stillen.

Zu später Stunde war der Tagesmarsch
beendet. In der Bahnhofswirtschaft der Ab-
fahrtstation setzten sich müde, hungrig und mit
ausgedörrten Kehlen die Sänger zu Tisch.
Lehn nahm Platz neben Fischer und tat, als
sei nichts geschehen.

Vor dem Essen begab er sich noch einmal
an die Einschänke, nahm den Wirt und die

Kellnerinnen beiseite und sagte zu ihnen:
„Passen Sie mal auf! Der Lerr da links
neben mir ist aus einer Trinkerheilanstalt.
Ich bin verantwortlich für ihn. Er darf keinen
Tropfen Alkohol bekommen, verstehen Sie?"
Wenn er nur ein Gläschen Wein trinkt, wird
er tobsüchtig und schlägtIhnen alles zusammen.
Er kann gar nichts vertragen. Der Wein steigt
ihm sofort in den Kopf, und dann geht er mit
dem Messer auf die Leute los. Also um Gottes
Millen auspassen und keinen Fehler machen!"

Die Kellnerinnen sahen sich Fischer genau
an und merkten sich das Gesagte. Das Essen
war gebracht, ebenso die Getränke.

„Mir auch ein Viertel Roten, bitte!" be-
stellte Fischer arglos.

„'s isch recht", erwiderte das Fräulein.
Aber sie brachte nichts. So oft sie vom
Büfett kam, hatte sie etwas anderes zu tragen
für die vielen Schmausenden. Fischer wurde
hartnäckig übersehen.

Ländlich, schändlich

„Tut der Lahn dem Luhn auch nichts zu
leide?"

„Ach was, der sagt dem Luhn nur den
heutigen Eierpreis."

„Lerrgott, Fräulein, bringen Sie mir doch
endlich meinen Wein!"

»Io jo, 's isch recht", echote sie wieder und
immer wieder, so oft er sie erinnerte. Einst-
weilen mußte er sein Essen trocken herunter-
würgen.

„Ein siediges Millionenvizefeuerdonner
wetter! Fräulein, jetzt habe ich schon sechs-
mal ein Viertel Durbacher bestellt. Jeder
hat sein Glas, nur ich nicht. Das ist ja ein
Skandal!"

„Io jo, 's isch recht, ich bring's gleich."

„Io jo, 's isch recht, ich bring's gleich,"
äffte Fischer sie nach. „Das haben sie schon
oft gesagt. Zum Teufel auch. Ich beschwere
mich, wenn Sie mir jetzt mein Getränk nicht
bringen. Ich Habs Durst."

Fischer kochte vor Zorn. Lehn schob ihm
sein Fläschchen Sprudel hin. Verächtlich wies
es Fischer ab: „Mit Wasser bleib mir lerne."

„Ich dachte, du hättest Durst," sagte Lehn
harmlos.

Das Essen ging weiter. Fischer kugelte sich
die klugen heraus nach einem Viertel Wein.
Er sah aus, wie ein verschmachtender Lecht
auf dem Trockenen.

Plötzlich erhob er sich wütend und stürmte
an die Einschänke. „Lerr Wirt, also so was
war noch nicht da. Jetzt sitze ich die ganze
Zeit trocken da. Mindestens siebenmal habe
ich bestellt. Das ist einfach himmelschreiend.
Wenn ich jetzt mein Glas nicht bekomme,
dann schlage ich alles zusammen. Ein Limmel-
kotzdonner muß in so einen Betrieb hinein-
fahren."

Der Wirt war im Bild. Er dachte: Wenn
der Kerl schon ohne Alkohol tobsüchtig

wird.! Er beruhigte den Aufgeregten

und sprach ihm zu wie einem kranken Kind.
Aber Fischer schrie immer wütender.

Der Zug kam pfeifend. Es war die höchste
Zeit: Fischer hatte schon Boxerstellung ein-
genommen.

Als er im Wagen den wahren Sachverhalt
vernahm, mußte er gute Miene zum bösen Spiel
machen. Er hat aber seinen Freund Lehn we-
gen seiner Abstinenz nie mehr verulkt.

*

Geschäftsgeist

Ich bin ein großer Lühnerfreund. So
füttere ich zu meinem Vergnügen regelmäßig
Nachbars Lühner. Als ich gestern zur ge-
wohnten Stunde auf dem Lose erscheine, ist
keiner meiner gefiederten Lieblinge sichtbar,
die Eierleger sind offenbar im Stalle zurück-
gehalten worden. Schon tritt Nachbars
Aeltester grinsend an mich heran: Lerr Doktor,
was zahlen Se mir, wenn Se wieder unsere
Lühner füttern dürfen?"
 
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