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102 -

Zur fozialdemokratifcben Bodenreform

Erster Hgrarier:

Der liebe Gott erfcbuf die Erde
]Sfur darum, daß fie unter werde.

Er war der Schöpfer, der Gestalter,

Mir find die Verwalter und Erhalter.

Er blies in einen Erdenkloß,

Mir blasen auch mit den Kacken bloß,

Und Scheuern füllen sich, Körbe und flaschen;
Es füllen Nch auch unsere Matchen.

Die kleinen ackern wohl früh bis spat,

Mir Großen reiten durch untern Salat
Mt Sporen, Gamaschen und federhut,

Und darum gedeiht untre Ernte gut.

So'n Büdner erntet bloß für den Löffel,

Mir halten es mehr mit fuder und Scheffel.
Huf uns ruht eben des Rimmels Segen,

Hn dem hleinenKroppzeug ift ihm nichts gelegen.

Und übrigens: to n Pflanzer und Kolonist
Produziert ja auch viel zu wenig JVfift,
Mährend wir uns stark und hühnlich erdreiften,
In dieser Rin ficht das Röchfte zu leisten.

Zweiter Hgrarter:

Mat? Kleener Rufner und Koffät,
Landarbeiter und Laubenprolet,

Hls bessere Grundbesitzer jedacht?

Heh, war jelacht 1

]Sficb mal Referveoffizier

Und dann womöglich Kolleje von mir?l

Stuß!

Ihr Sozis seid ja ntch recht klug.

Der Mn Ich braucht für die Seligkeit
Zwei JMeter lang, ein JMeter breit
Da habt'r Land jertug.

Schluß!

Gedrängte Pressemeldungen.

1. Preissteigerungen: Bier, Brot,

Mieten, Fensterreinigungsinstitute und
alles übrige.

2. Preisabbau: Schnürsenkel . . . Sonst
nichts zu bemerken.

3. Einbrüche und Uebersälle: 2) Lieber
100000 Mk. Belohnung: Strumpfgeschäft,
Frauengasse 9, Iuweliergeschäft, Post-
straße 2; b) Unter 100000 Mk.: Woh-
nungseinbruch, Lermannstraße 81! rechts;
Entkleidung eines vom Tanz heimkehrenden
Ehepaares in der Kastanienallee.

4. Es starben: Lerr Gottfried Schwanz
im 73. Lebensjahr; die ehrengeachtete
Jungfrau Kornelia Reibetanz im 34.
Lebensjahr; die Langeberger Zeitung im
26. Jahr ihres Bestehens.

5. Leiratsgesuche: Ein Lerr in den besten
Jahren mit 3-Zimmer-Einrichtung unter
E. P. 118; gut situierte Witwe im Besitz
von 3 Pfund Kaffee unter X. 49; stilles
bescheidenes Mädchen vom Lande mit nur
1 Kind unter L M. 23.

6. Um ein Lebenszeichen werden ge-
beten: 2) Die Dame im roten Puppchen-
Hut und grünem Kleid (Centraldiele);
b) Die Dame im schwarzen Lut und
grauen Kleid (Stadleafö).

7. Zu Besprechungen traten zu
sammen: die deutschen Ernährungs-
minister, die christlichen Elternräte,
die alliierten Kontrollkommissi imett.

8. Eingestellte Straßenbahn-
betriebe inRiesa,Plauen i.B., s—s
Landsberg a. d. W. lSamm- [
lung wird fortgesetzt.)

Zukünftiges französisches
Kriegsgerichts-Urteil
Der Angeklagte ist zu einer
Freiheitsstrafe von 500 Jahren
verurteilt worden. Sollte er sich der
vollen Verbüßung durch vorzeitiges
Sterben entziehen, so wird die betreffende
Stadtgemeinde zur Verantwortung gezogen
werden.

Republikanische Feier

Denkmalseinweihung für Kriegsopfer in
Döberitz bei Berlin. Der Divisionspfarrer
feiert zunächst den Geburtstag seiner Kaiser-
lichen Loheit des Kronprinzen. Lerr Linden-
burg in Feldmarschallsuniform spricht eben-
falls die innigsten Wünsche für Seine könig-
liche Loheit aus und gedenkt in Treue, Liebe
und Ehrfurcht Seiner Majestät, unsers aller-
gnädigsten Kaisers,Königs undLerrn, unseres
erhabenen Führers in dem fast Übermensch-
liehen Ringen . . . „und dann erinnern wir
uns mitwarmem, dankbarem Lerzen der vielen,
die freudig ihr Leben hingegeben haben ..."
Damit hätte die republikanische Feier enden
können.

Die Erschießung Schlageters

Wieder ein Schuß, der dem Nationalismus
zugute kommt!

Seine Majestät, unser erhabener Führer,
konnte leider nicht teilnehmen; er hat sich nach
Lolland geführt. Die vielen, die im Grabe
liegen, sind stumm geblieben, als ihr ehema-
liger Marschall sprach und zunächst der am
Leben Gebliebenen gedachte. Vielleicht haben
sich einige umgedreht, um mit ihrer Rückseite
zu antworten. Vielleicht wühlten sie sich tiefer
in die Erde hinein. Das weiß man nicht.
Aber man weiß, daß der Reichswehrminister
eine Taktlosigkeit beging, und alles, was sein
Lerz bewegte, zusammenfaßte in dem Gelöb-
nis treuester Pflichterfüllung für das deutsche
Volk, den deutschen Staat, die deutsche Re-
publik! Er übernahm das Denkmal „als eine
köstliche Verbindung von Altem und Neuem."

Lerr Geßler sollte doch die bekannte Ge-
schichte von der Kreuzung des Karpfens mit
dem Kaninchen kennen. Die Republik muß
stilrein bleiben. Wilhelminischer Stil na-
türlich. Dafür haben die andern ein viel
feineres Gefühl, und er kann von Glück sagen,
daß man ihn nicht durch die Reichswehr
vom Fleck weg verhaften und wegen Ma-
jestätsbeleidigung einspunnen ließ. Aber die
Majestäter sind tolerant. Das waren sie schon
immer. Wenn Wilhelm früher ein Denkmal
einweihte, und er weihte jeden Tag mehrere
ein, dann mußte bekanntlich auch immer ein
Republikaner für die Republik und'Volks-
wehr reden. Sonst nahm Er es übel . . .

Glücklicherweise verlies die Sache auch dies-
mal noch über Erwarten gut. Seine königliche
Loheit Prinz Eitel Fritze, der doch wahr-
hastig Ursache hätte, der Republik zu grollen,
weil sie ihn wegen Kapitalverschiebung ver-
donnerte, war großmütig und nahm zum
Schluß die Parade ab. Wir dürfen hoffen,
daß diese köstliche Verbindung von Altem
und Neuein — immer älter wird.

Ruhr-Merkwürdigkeit
Fremder: „Lebt in Ihrem Orte irgend-
eine bemerkenswerte Persönlichkeit?"

Ruhrländer: „O ja, der Leinrich Leh-
mann, der ist noch nicht ein einziges Mal
von den Franzosen verhaftet worden."
 
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