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110

Sommer

Der Sommer kam. Der Sommer Karn.
Mir lelen's im Kalender.

Doch er vermindert nicht den Gram,

6r ist kein freudenfpender:

6r pumpt uns keinen Sonnenschein;

6s fehlt dem klappernden Gebein,

Dem hungernden Gedärme
Die Märme.

Der Sommer kam. Der Cag ist da
Der heil’gen Sonnenwende,
für’s Volk bleibt’s immer Golgatha,
6s nimmt die JSot kein 6nde:
fest steht, vom 6oldglanz ubersonnt,
Der deutschen Much'rer 6mheitsfront,
Indes die Bayern munkeln
Im Dunkeln.

Der Sommer kam. Die 6rnte reift,
]Nur leider nicht für Michel.
Verderben durch die Saaten streift.
6in Hndrer führt die Sichel.

Die Landwirtschaft und Industrie,
Sie leisteten die „Garantie" —

Da ward dem Michel bange
Schon lange.

Der Sommer kam. Huf Rohen brennt

JNun das Johannisfeuer.

f'fur sparsam flammt das 6lement:

Das Rolz ward rar und teuer.

Und rar und teuer ward der Mein
Und Creu und Glauben obendrein.

Man wird nicht mehr vom Roffen
Besoffen . .

Schöner Gedanke

„Wenn doch Ludendorff mal ins besetzte
Gebiet reiste! Den könnten uns die Fran-
zosen ruhig verhaften."

*

Das Industrieangebot

Die deutsche Industrie hat sich in hoch-
herziger Weise entschlossen, ungezählte Gold-
milliarden für die Reparationen zu garan-
tieren. Tief durchdrungen von vaterländischem
Pflichtgefühl, ist sie bereit, dem Reich sämt-
liche geschäftlichen Sorgen abzunehmen. Vor
allem die Reichsbahn. Von zehn verein-
nahmten Milliarden wird sie eine auf den
Altar des Vaterlandes niederlegen, nachdem
sie die Tarife entsprechend erhöht hat.

Die Post wird ebenfalls reformiert; sämt-
liche Briefsachen werden den Zeitungsaus-
trägerinnen mitgegeben, so daß eine Anzahl
von Beamten entlassen werden kann. Die
Postämter werden beseitigt und als Neben-
betrieb in Gemüse- und Leringsläden verlegt.
Jeder Einwohner hat hier täglich einmal
wegen etwaiger Paket- und Geldsendungen
nachzufragen. Marken werden nicht mehr
verabfolgt; Stempel wird überflüssig. Beides
wird durch den fettigen Daumenabdruck des
Leringshändlers ersetzt. So lassen sich noch
eine Anmenge Vereinfachungen in den ver-
schiedensten Staatsbetrieben erzielen. Vor
allem soll der Achtstundentag in der gesamten
Industrie grundsätzlich aufrechterhalten
werden; er wird sogar verdoppelt und ein-
mal am Vormittag und ein zweites Mal am
Nachmittag abgearbeitet.

Die Führer der deutschen Industrie sind
also durchaus überzeugt, daß eine glückliche
Lösung der Reparationsfrage im Bereich
der Möglichkeit und das Geld sozusagen aus
der Straße liegt. Sie sind bereit, es aufzu-
heben, wenn vorher gewisse Arbeiterschuh,
gesetze, die einen flotten Fortgang des
deutschen Wiederaufbaus hindern, ebenfalls
„aufgehoben" werden.

Das einfachste wäre überhaupt, das ganze
Deutsche Reich in eine Aktiengesellschaft um-
zuwandeln. Dann wird's an der Börse
gehandelt. And was dort gehandelt wird,
steigt.

Der Salon

Ausländische Delegierte zum Inter-
nationalen Sozialistenkongreß wurden mit
folgender Begründung aus einem Lamburger
Restaurant gewiesen: „So wenig dürfen hier
Belgier und Franzosen ein Lokal betreten,
wie man Lunde in einen Salon läßt." Ein
deutschvölkischer Salon ist ein Gemach, das
sich durch besondere Sauberkeit auszeichnet.
Was hier gegen die Republik und Völker-
verständigung kläfft, zählt naturwissenschaftlich
nicht zur Gattung Eanis, sondern nennt sich
Mensch und hat eine seinrasiirte Schnauze.

Sie legen ihren Mist auch nicht auf den
Teppich, sondern in schwarzweißrote Zei-
tungen. In jeder Ecke steht ein. großes Gesäß,
mit Anschuld gefüllt. Darin waschen sie ihre
Lände, wenn ein republikanischer Minister

Der Schultyrann

„Die Zeiten werden wieder besser: Die

Schüler singen „Leil dir im Siegerkranz" und
die Schülerselbstmorde beginnen auch wieder."

gemeuchelt wurde. Ihr Reinlichkeitsbedürfnis
ist grenzenlos, weil sie ungemein viel Dreck
produzieren. Sobald sie ihren sauberen Salon
verlassen und ein sauberes Lokal betrete»,
intoniert die Kapelle „Leil dir im Sieger-
kranz," und der Toilettenwärter dreht alle
Wasserhähne auf. Lier werden die wichtigsten
vaterländischen Geschäfte erledigt.

Dort ist nämlich ihr eigentlicher Salon.

*

Die Nuhrspende

Der Rehrücken war ausgezeichnet, die Pou-
larde fabelhaft gewesen, jetzt saß man bei
Mokka und Lennessy. Das Gespräch kam auf
die Ruhrspende.

„Ich habe 500000 Mk. gezeichnet," sagte
Lerr Fettke.

„Ich 650000," repvrtierte Lerr v. Nehmecke.

„And ich habe 27 Millionen gezeichnet,"
sagte der Großindustrielle Schieberinski.

„Aber das ist ja unerhört! Das ist ja über
trieben! Das war doch wirklich nicht nötig,"
schwirrte es durcheinander.

Schieberinski sog gleichmütig an seiner
Zigarre.

Es war aber ein Gewitzter anwesend und
der fragte: „Laben Sie denn auch die 27
Millionen gegeben?"

„Nee, gegeben habe ich sie nicht," war die
Antwort.

And man bewunderte Schieberinski. W.

*

Die Reichsbank

Die Reichsbank ist ein Institut,

Das uns das Geld besorgen tut.

Sie druckt die Zahlen aufs Papier,

Wir kriegen Brot und Schmalz dafür.

Sie regelt den Kredit —,oho! —

Und macht uns für den Handel stark.
Besonders ist die Börse froh,

Stabilisiert man auch die Mark.

Der Präsident, Herr Havenstein,

Der lächelt klug, der lächelt fein:

Die Mark, ihr Herren, ist verpfufdit,

Und was ich tat, das hilft uns mischt.

Devisen kauft und losgeborgt!

Es war ja nur ein kleiner Spaß.

Ich wasch den Pelz! Doch unbesorgt:

Ich mache ihn nicht naß.

P
 
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