—— 126 —
Die -- Ferne
Wir find die germanische Feme
Von heiligen Roßbachs Gnaden.
Wir befördern unbequeme
Brüder sehr schnell zu den Baden.
Das Sauen, das Schießen, das Stechen
Zst unsre juristische predigt.
Die andern heißen's: Verbrechen,
Wir nennen es einfach: erledigt.
Je nachdem
Sozialistische Demonstration gegen die
Teuerung. Durch die Schuld rechtsbolsche-
wistischer Provokateure kommt es zu blutigen
Zusammenstößen mit der Polizei. Nachher
große Beratung in der Redaktion des
nationalistischen Lokalblattes. „Meine Äerren
Kollegen," fragt der Lauptschriftleiter,
„wollen wir die Ereignisse vom Standpunkt
unseres Blattes darstellen, oder — wahr-
heitsgetreu?"
*
Bildersprache
Im Machhausprozeß sagte der Verteidige
Graf Pestalozza u. a.: „Der preußische Adler
hat sich das Fell des bayrischen Löwen um-
gehängt und hackt nun auf sein eigenes Nest
los, weil darin der sozialistische Kuckuck sitzt."
Das Bild ist schön. Man muß es mit Andacht
genießen.
Es ist sogar richtig, wenn man an den
altpreußischen Adler denkt, der die Schwung
federn verloren hat und sich nun brüllend mit
einer Löwenmähne schmückt wie Schnock der
Schreiner. Man könnte ihn auch als mon-
archistische Filzlaus im bayrischen Löwenfell
bezeichnen. Aber so oder so: sie werden alle
zum sozialistische» Kuckuck gehn!
*
Das internationale Problem
Ein Vogel hüpft auf einem Beine
Mit einem Flügel durch das Gras.
Man hat ihn sicher an der Leine,
Doch singt er manchmal sich noch was.
Nun grübeln hundert Diplomaten,
Ob ihnen wohl der Streich gelingt:
Man möchte sich den Vogel braten,
Der dann noch auf dem Teller singt.
Wie macht man das? p.
*
Das große Geschäft
In Nordamerika steht eine Stadt zur Ver
steigerung. Ja, eine ganze Stadt mit 300
Käufer», auf 15 Kektar Gelände mit Gas,
Wasserleitung, Elektrizität ujw. Nicht etwa
eine Ruinensammlung, sondern „garantiert
neu." In neidischer Druckerschwärze verkünden
die deutschen Zeitungen dies Wunder. Aber
das ist noch gar nichts.
Es gibt ein großes europäisches Reich, das
auf allen Finanzmärkten der Welt gehandelt
und verhandelt wird. Nicht gerade im ganzen,
aber stückweise. Niemand weiß, was den eigent-
lichen Einwohnern noch gehört. Man weiß
nur, daß es auf Abbruch allmählich ver-
schleudert wird, und daß einige der Einge-
borenen fette Provisionen beziehen. Wir
andern sind die Verkauften.
Wir müssen Germanien säubern
Von allen, die unvölkisch denken.
Schwatzt ruhig von Mördern und Räubern,
Wer wagt es, die Feme zu henken?
Die Feme, ihr Lieben, ist heilig,
Llnd parchim liegt etwas entlegen.
Zustitia hat es nicht eilig,
Wir sind halt ihre Kollegen.
Brief aus der Sommerfrische
An Frau Lochwohlgebohren
Ida Lienerwadel
Liebe Freundin!
Du wirst dich wuntern, daß ich dir aus so
einem feinen Luxusbad schreibe, wo wir
dießes Jahr hingereißt sind. Weißt du, mein
Gatte hat es mit damals versprochen, als
ich in der Mondschein-Diele so geheult habe,
da er mir eine runtergehaut hat, weil ich mir
mit der Zigarette ein Loch in mein neues
seidenes Kleid gebrannt habe. Es hat Ihm
hinterher sehr Leid getan. So was tut man
aber auch nicht im Lokal.
Lier ist es fein und wohnen wir im feinsten
Lotell. Wer's lang hat, laßt's lang hängen,
nicht wahr? Wir haben drei Zimmer mit
Badezimmer, kalt und warm Wasser laufent
und noch 1 Klosett im Bad. Solch ein
Komfohr, was? Schade daß so viel unfeines
Puplikum im Lotell ist. Die Leute benehmen
sich so auffeldg. Neulich als wir Forellen
extra aßen, hatte der Kellner meinem Gatten
kein Messer hingelegt, und als Er durch den
Saal nach dem Messer rief, grinzte die Bande
ganz laut und alle kickten herüber auf uns.
Neulich hat der Ober auch 5000 Mark Puh-
geld verlangt, weil mein Gatte grad ein Mal
in den Speisesaal gebrochen hat. Seidhcr
lassen wir uns aufs Zimmer servieren, kostet
Am Schalter
„Wat, 300 Em für eenen Brief? Sie denken
woll ick bin 'n Reparatzjons-Ieneral?"
Es sparen die reichen Mzene
Richt pinke, nicht Speck und Liköre.
Sie flüstern unserm Gehöre
Das Stichwort hinter der Szene.
Sie gehören zum heiligen Orden
Der Feme und tragen die Spesen,
Die Republik zu ermorden.
An uns wird Deutschland genesen.
—O-—"O—-O"'
25 Prozent Aufschlag, aber Gott warum soll
man sich's nicht bequehm machen? Mein
Gatte sagt, er läßt dafür ein paar Sack Mehl
14 Tage länger liegen, dann ist es wieder
heraus. Er sitzt jetzt hemdärmerlig und in
Schlorren beim Essen und ich im Unterrock,
ganz wie daheim. Ich sage dir, es ist
kolossal gemütlich.
Jetzt sind wir doch froh, daß wir im Krieg
zu der Getreidebranche gegangen sind, da
verdient man doch mehr als bei der Soda-
wasserfabrikation. Mein Gatte sagt oft, das
Kriegle war unser Glück. Bon ihm aus
könnt's bald wieder losgehn. Er kauft viel
Deviesen und baut eine Billa am Züricher
See dafür. Wenn er genug hat, sagt Er,
ziehen wir in die freie Schweiz und das liebe
Vaterland kann ihn kreuzweis. Er sagt, wenn
nur die Regierung Cuno noch bleibt, dann
gelingt's ihm schon. So jetzt habe ich dir
aber viel geschrieben, jetzt muß ich zu einer
Reühniohn in den Kursaal. Da kannst du
Kostüme sehen! Vorne nischt und hinten
nischt. Ich möcht blos wissen, warum sie
soviel kosten.
Also schreib mir auch einmal und herz-
liche Grüße
von deiner Leonie.
Ls. Ach so, beinahe hätte ich die Laubt
sache, wegen der ich schreiben wollte, vergessen.
Sei so gut und schicke mir soffort 3 Fläschchen
von dem französischen Parsühm, du weißt
schon, gegen den Fußschweis, welcher mir so
lästig ist, da ich jede Nacht durchtanze im
Kursaal.
Du kannst auch 5 Flaschen schicken.
"Aber soffort!! !
*
Die Heldentat von Münster
Wenn sie kühn ihr Mütchen kühlen
Llnd es froh die Blätter melden,
Spüren wir mit Lochgefühlen:
Llnser Deutschland hat noch Leiden.
Leiden, die für morsche Kronen
Frische Wunder tun und Zeichen,
Llnd mit Zündschnur und Patronen
Nachts in fremde Läufer schleichen.
Stürzen Mauern daun und Dächer,
Wäscht man grinsend sich die Pfoten,
Deutschland hat noch edle Rächer,
Deutschland hat noch Patrioten.
Deutschland hat noch tumbe Knaben,
Die das eigne Nest bejauchen,
Die das Pulver gern gebrauchen.
Weil sie's nicht erfunden haben.
Die -- Ferne
Wir find die germanische Feme
Von heiligen Roßbachs Gnaden.
Wir befördern unbequeme
Brüder sehr schnell zu den Baden.
Das Sauen, das Schießen, das Stechen
Zst unsre juristische predigt.
Die andern heißen's: Verbrechen,
Wir nennen es einfach: erledigt.
Je nachdem
Sozialistische Demonstration gegen die
Teuerung. Durch die Schuld rechtsbolsche-
wistischer Provokateure kommt es zu blutigen
Zusammenstößen mit der Polizei. Nachher
große Beratung in der Redaktion des
nationalistischen Lokalblattes. „Meine Äerren
Kollegen," fragt der Lauptschriftleiter,
„wollen wir die Ereignisse vom Standpunkt
unseres Blattes darstellen, oder — wahr-
heitsgetreu?"
*
Bildersprache
Im Machhausprozeß sagte der Verteidige
Graf Pestalozza u. a.: „Der preußische Adler
hat sich das Fell des bayrischen Löwen um-
gehängt und hackt nun auf sein eigenes Nest
los, weil darin der sozialistische Kuckuck sitzt."
Das Bild ist schön. Man muß es mit Andacht
genießen.
Es ist sogar richtig, wenn man an den
altpreußischen Adler denkt, der die Schwung
federn verloren hat und sich nun brüllend mit
einer Löwenmähne schmückt wie Schnock der
Schreiner. Man könnte ihn auch als mon-
archistische Filzlaus im bayrischen Löwenfell
bezeichnen. Aber so oder so: sie werden alle
zum sozialistische» Kuckuck gehn!
*
Das internationale Problem
Ein Vogel hüpft auf einem Beine
Mit einem Flügel durch das Gras.
Man hat ihn sicher an der Leine,
Doch singt er manchmal sich noch was.
Nun grübeln hundert Diplomaten,
Ob ihnen wohl der Streich gelingt:
Man möchte sich den Vogel braten,
Der dann noch auf dem Teller singt.
Wie macht man das? p.
*
Das große Geschäft
In Nordamerika steht eine Stadt zur Ver
steigerung. Ja, eine ganze Stadt mit 300
Käufer», auf 15 Kektar Gelände mit Gas,
Wasserleitung, Elektrizität ujw. Nicht etwa
eine Ruinensammlung, sondern „garantiert
neu." In neidischer Druckerschwärze verkünden
die deutschen Zeitungen dies Wunder. Aber
das ist noch gar nichts.
Es gibt ein großes europäisches Reich, das
auf allen Finanzmärkten der Welt gehandelt
und verhandelt wird. Nicht gerade im ganzen,
aber stückweise. Niemand weiß, was den eigent-
lichen Einwohnern noch gehört. Man weiß
nur, daß es auf Abbruch allmählich ver-
schleudert wird, und daß einige der Einge-
borenen fette Provisionen beziehen. Wir
andern sind die Verkauften.
Wir müssen Germanien säubern
Von allen, die unvölkisch denken.
Schwatzt ruhig von Mördern und Räubern,
Wer wagt es, die Feme zu henken?
Die Feme, ihr Lieben, ist heilig,
Llnd parchim liegt etwas entlegen.
Zustitia hat es nicht eilig,
Wir sind halt ihre Kollegen.
Brief aus der Sommerfrische
An Frau Lochwohlgebohren
Ida Lienerwadel
Liebe Freundin!
Du wirst dich wuntern, daß ich dir aus so
einem feinen Luxusbad schreibe, wo wir
dießes Jahr hingereißt sind. Weißt du, mein
Gatte hat es mit damals versprochen, als
ich in der Mondschein-Diele so geheult habe,
da er mir eine runtergehaut hat, weil ich mir
mit der Zigarette ein Loch in mein neues
seidenes Kleid gebrannt habe. Es hat Ihm
hinterher sehr Leid getan. So was tut man
aber auch nicht im Lokal.
Lier ist es fein und wohnen wir im feinsten
Lotell. Wer's lang hat, laßt's lang hängen,
nicht wahr? Wir haben drei Zimmer mit
Badezimmer, kalt und warm Wasser laufent
und noch 1 Klosett im Bad. Solch ein
Komfohr, was? Schade daß so viel unfeines
Puplikum im Lotell ist. Die Leute benehmen
sich so auffeldg. Neulich als wir Forellen
extra aßen, hatte der Kellner meinem Gatten
kein Messer hingelegt, und als Er durch den
Saal nach dem Messer rief, grinzte die Bande
ganz laut und alle kickten herüber auf uns.
Neulich hat der Ober auch 5000 Mark Puh-
geld verlangt, weil mein Gatte grad ein Mal
in den Speisesaal gebrochen hat. Seidhcr
lassen wir uns aufs Zimmer servieren, kostet
Am Schalter
„Wat, 300 Em für eenen Brief? Sie denken
woll ick bin 'n Reparatzjons-Ieneral?"
Es sparen die reichen Mzene
Richt pinke, nicht Speck und Liköre.
Sie flüstern unserm Gehöre
Das Stichwort hinter der Szene.
Sie gehören zum heiligen Orden
Der Feme und tragen die Spesen,
Die Republik zu ermorden.
An uns wird Deutschland genesen.
—O-—"O—-O"'
25 Prozent Aufschlag, aber Gott warum soll
man sich's nicht bequehm machen? Mein
Gatte sagt, er läßt dafür ein paar Sack Mehl
14 Tage länger liegen, dann ist es wieder
heraus. Er sitzt jetzt hemdärmerlig und in
Schlorren beim Essen und ich im Unterrock,
ganz wie daheim. Ich sage dir, es ist
kolossal gemütlich.
Jetzt sind wir doch froh, daß wir im Krieg
zu der Getreidebranche gegangen sind, da
verdient man doch mehr als bei der Soda-
wasserfabrikation. Mein Gatte sagt oft, das
Kriegle war unser Glück. Bon ihm aus
könnt's bald wieder losgehn. Er kauft viel
Deviesen und baut eine Billa am Züricher
See dafür. Wenn er genug hat, sagt Er,
ziehen wir in die freie Schweiz und das liebe
Vaterland kann ihn kreuzweis. Er sagt, wenn
nur die Regierung Cuno noch bleibt, dann
gelingt's ihm schon. So jetzt habe ich dir
aber viel geschrieben, jetzt muß ich zu einer
Reühniohn in den Kursaal. Da kannst du
Kostüme sehen! Vorne nischt und hinten
nischt. Ich möcht blos wissen, warum sie
soviel kosten.
Also schreib mir auch einmal und herz-
liche Grüße
von deiner Leonie.
Ls. Ach so, beinahe hätte ich die Laubt
sache, wegen der ich schreiben wollte, vergessen.
Sei so gut und schicke mir soffort 3 Fläschchen
von dem französischen Parsühm, du weißt
schon, gegen den Fußschweis, welcher mir so
lästig ist, da ich jede Nacht durchtanze im
Kursaal.
Du kannst auch 5 Flaschen schicken.
"Aber soffort!! !
*
Die Heldentat von Münster
Wenn sie kühn ihr Mütchen kühlen
Llnd es froh die Blätter melden,
Spüren wir mit Lochgefühlen:
Llnser Deutschland hat noch Leiden.
Leiden, die für morsche Kronen
Frische Wunder tun und Zeichen,
Llnd mit Zündschnur und Patronen
Nachts in fremde Läufer schleichen.
Stürzen Mauern daun und Dächer,
Wäscht man grinsend sich die Pfoten,
Deutschland hat noch edle Rächer,
Deutschland hat noch Patrioten.
Deutschland hat noch tumbe Knaben,
Die das eigne Nest bejauchen,
Die das Pulver gern gebrauchen.
Weil sie's nicht erfunden haben.