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Lölzerne Kultur
Der Reichsausschuß der deutschen Land-
wirtschaft hat gegen den sozialdemokratischen
Antrag zur Agrarreform Stellung genommen
und bei dieser Gelegenheit auch festgestellt,
daß der gemeinwirtschastliche Betrieb von
Wäldern der Forstkultur abträglich sei. Die
Kiefern, Eichen, Buchen und so weiter sind
nämlich durchaus Anhänger der Privatwirt-
schaft und halten sich empört in ihrem Wachs-
tum zurück, wenn sie einen fiskalischen Förster
sehen.
Auch der Simmel begünstigt das privat-
kapitalistische System. Kein Wunder, da der
liebe Gott Großagrarier ist und ja auch der
Erste war, der einen Siedler aus dem grüne»
Paradiese vertrieb. Darum läßt er die
Sonne eigentlich nur für die Ritterguts-
besitzer scheinen; und wenn es zur gelegenen
Zeit regnet, hat man es seiner Vorliebe für
feuchtfröhliche Junker zu danke».
Dagegen ist — genau wie die Kartoffel-
fäule — der Raupenfraß eine Folge sozia-
listischer Wühlerei, die überhaupt an allem
schuld ist. Wenn man nicht entschieden genug
gegen alle Anträge der Roten austritt, steuern
wir auf einen katastrophalen Lolzmangel zu.
Die Agrarier befürchten mit Recht, daß man
sie letzten Endes doch haftbar machen und
den Lolzbedars bei ihnen decken werde.
Denn wenn sie auch nicht den kleinsten
Baum mehr hätten — sie hätten immer noch
genügend Bretter vorm Kopf.
*
Der Einbruch des Dollars
ins Reich Gottes.
Wer heute einmal etwas Geschäftliches
bei einem Diener der Kirche zu erledigen
hat, dem kann es passieren, daß er den Lerrn
Pfarrer gar nicht zu Lause antrifft. Früher
war dieser Fall eine Seltenheit. Man fand
ihn fast immer im behaglichen Leim, über
die heiligen Bücher gebückt, oder im Pfarr-
garten nach den Bienen schauend. War er
einmal auswärts, dann besuchte er höchstens
eine arme „Seele". In den Gasthos, den
Brennpunkt der argen Welt, kam er nur,
wenn hinten im blauen Zimmer Mijsions-
kränzchen war.
O Lerr Zebaoth, das ist gründlich anders
worden; denn deine Diener können nicht
mehr vom Opfer leben, sondern müssen auf
— die Bank gehen, und arbeiten an den
Tischen der Wechsler. Abwechselnd mit ihm
arbeitet auch allda des Pfarrers Frau, die
die stille sanfte Gattin, die ansonsten so emsig
im christlichen Nähkränzchen für barfüßige
Indianderkinder Strümpfe strickte. Auch die
blonden Pfarrerstöchter, die sonst vor der
Welt verborgen blieben und nur am Som-
merabend züchtig auf der Bank vor der
Gartenlaube saßen, gehen jetzt auf die Bank
der Geldgewaltigen; und die Kinder der
Welt vermehren sich schneller als die Kinder
des Lichts. Aber warum arbeiten sie nicht
auf dem nahrhaften Acker, auf dem frommen
Lande, in der Natur, wo man dem höchsten
in so unmittelbarer Nähe ist? Warum
gehen sie in die funkelnden Werkstätten Beelze-
bubs, in die schmutzige Konkurrenz?
Ihr Diener der Kirche, mischt euch wieder,
die Ihr arm geworden seid, unter die Armen
der Welt! Donnert nicht mit der Faust in
schönerPose gegen die Reichen,deren Freunde
ihr seid. Sonst sagen wir lächelnd: „Was
sich neckt, das — liebt sich I"
Ein Selb der Arbeit
Wir bringen das Bild unseres ehrenwerten
Mitbürgers Alfons Vrindöpke, der heute
sein 25 jähriges Arbeitsjubiläum feiern kann.
Mit seinem 14. Lebensjahre trat er als Lehr-
ling bei dem Lerrn Kurz- und Kleinwaren-
händler E. K. Freßack & Sohn seinen Dienst
an, und der liebe Gott wollte es, daß er
seinem Lerrn bis jetzt treubleiben durfte. Er
kannte keine Organisation, und hat auch, um
seinem Lerrn nicht mit unverschämten Ge-
haltsforderungen zu kommen, auf das Ehe-
glück verzichtet.
Bescheiden wohnt unser Freund noch heute
in derselben Dachstube, die er vor 25 Jahren
als Lehrling bezog. Als ihn mal einer jener
roten Agitatoren zum Achtstundentag ver-
führen wollte, sagte unser Leid: „Lieber will
ich sterben, als meinem Lerrn solches antun."
Leute abend findet im trauten Familien-
kreise des Lerrn Freßack ein kleines Abend-
essen statt. Die Kosten dafür wird Lerr
Freßack seinem treuen Mitarbeiter erst am
nächsten Ersten abziehen. — Mehr solch ehr-
liche brave Leute und um unsere kranke Wirt-
schaft wird es bald besser stehenl
Das Erste
„So, in Ihrer Gegend ist eine neue Ort-
schaft im Entstehen?"
»Ja, die Bankfiliale ist bereits fertig".
Für gebogene Zinken
In einem völkischen Blatt inseriert eine
Kunststickerei waschechte Lakenkreuz-Taschen-
tücher in verschiedenen Farben für Damen
und Lerren. Eine famose Idee. Natürlich
ist jeder Jude ein Käufer. Jede Lebräerin
desgleichen. Mit Vergnügen und Inbrunst
werden sie ihre Giebel auf das antisemitische
Wahrzeichen entleeren. Wenn die Kunst-
stickerei sich noch besser aufs Geschäft ver-
stände, würde sie vor allem in Iudenblättern
inserieren.
Große Menschen
In einer feinen Gesellschaft sprach man
von großen Persönlichkeiten. Von Leuten,
die für dieMenschheitLervorragendes geleistet.
Und die Frage wurde aufgeworfen, wer unter
den großen Menschen des zwanzigsten Jahr-
hunderts wohl die Palme verdiene. Man
nannte einige Dichter und Gelehrte, vor allem
aber berühmte Leerführer und Staatsmänner.
„And wen nennen Sie?" fragte man einen
Sozialisten, der schweigend und nachdenklich
zugehört hatte.
„Ich? Ich nenne Knud Lansen."
„Knud Lansen?" Man lachte. „Wer ist
Knud Lansen?"
„Knud Lansen ist ein armer dänischer
Landarbeiter. Sein Läuschen ist mit Schilf
bedeckt und nicht viel größer als dieser Salon.
Er hat fünf Kinder und eine Kuh. Dafür
schindet er sich Tag für Tag vom Morgen
bis zum Abend. Und er sagte sich: Weil
ich so reich bin und meinen Kindern Milch
geben kann, kann ich ganz gut noch ein deutsches
Kind vor dem Verhungern retten. — Das
hat er getan. Knud Lansen hat nicht Milli-
onen in den Tod geschickt. Knud Lansen
hat keinen neuen Explosivstoff erfunden. Aber
Knud Lansen hat ein armes, bleichsüchtiges
Mädel aus einer deutschen Großstadt am
Leben erhalten, hat ihm rote Wangen ver-
schafft und ein fröhliches, lebenslustiges Lerz.
Darum nenne ich ihn größer als Lindenburg,
Ludendorff und alle die andern." . . .
Da sahen die Zuhörer den Sprecher an
wie der Ochs das neue Tor. Pa».
*
Die Meine Prinzeffin
(Patriotifchen Kabaretts gewidmet)
Die Meine Prinzeffin zur Beichte ging.
Trafafa.
Es war ein unfchufdig frommes Ding.
Trafafa.
Der Beichtiger ham in ihr Kämmerfein.
Sie Beichtete ihm nachtaus, nachtein.
Trafafafafa.
Mit Liehe ühte er feine Tunhtion.
Trafafa.
Uncf erteifte ihr freudig die Ahfofution.
Trafafa.
Er mahnte: Mer he dir, vor Gericht
Zufchwindefn, meinKindfiftChriftenpfficht.
Trafafafafa.
Drauf hatfie totaf ihr Gedächtnis verfor’n.
Trafafa.
Und hat einen hfeinen Meineidgefchwor’n.
Trafafa.
Sie ham Cbis auf Weiteres!) inKerhergrufi.
Der Beichtvater aber hat fich verdufi'.
Trafafafafa. p.
Lölzerne Kultur
Der Reichsausschuß der deutschen Land-
wirtschaft hat gegen den sozialdemokratischen
Antrag zur Agrarreform Stellung genommen
und bei dieser Gelegenheit auch festgestellt,
daß der gemeinwirtschastliche Betrieb von
Wäldern der Forstkultur abträglich sei. Die
Kiefern, Eichen, Buchen und so weiter sind
nämlich durchaus Anhänger der Privatwirt-
schaft und halten sich empört in ihrem Wachs-
tum zurück, wenn sie einen fiskalischen Förster
sehen.
Auch der Simmel begünstigt das privat-
kapitalistische System. Kein Wunder, da der
liebe Gott Großagrarier ist und ja auch der
Erste war, der einen Siedler aus dem grüne»
Paradiese vertrieb. Darum läßt er die
Sonne eigentlich nur für die Ritterguts-
besitzer scheinen; und wenn es zur gelegenen
Zeit regnet, hat man es seiner Vorliebe für
feuchtfröhliche Junker zu danke».
Dagegen ist — genau wie die Kartoffel-
fäule — der Raupenfraß eine Folge sozia-
listischer Wühlerei, die überhaupt an allem
schuld ist. Wenn man nicht entschieden genug
gegen alle Anträge der Roten austritt, steuern
wir auf einen katastrophalen Lolzmangel zu.
Die Agrarier befürchten mit Recht, daß man
sie letzten Endes doch haftbar machen und
den Lolzbedars bei ihnen decken werde.
Denn wenn sie auch nicht den kleinsten
Baum mehr hätten — sie hätten immer noch
genügend Bretter vorm Kopf.
*
Der Einbruch des Dollars
ins Reich Gottes.
Wer heute einmal etwas Geschäftliches
bei einem Diener der Kirche zu erledigen
hat, dem kann es passieren, daß er den Lerrn
Pfarrer gar nicht zu Lause antrifft. Früher
war dieser Fall eine Seltenheit. Man fand
ihn fast immer im behaglichen Leim, über
die heiligen Bücher gebückt, oder im Pfarr-
garten nach den Bienen schauend. War er
einmal auswärts, dann besuchte er höchstens
eine arme „Seele". In den Gasthos, den
Brennpunkt der argen Welt, kam er nur,
wenn hinten im blauen Zimmer Mijsions-
kränzchen war.
O Lerr Zebaoth, das ist gründlich anders
worden; denn deine Diener können nicht
mehr vom Opfer leben, sondern müssen auf
— die Bank gehen, und arbeiten an den
Tischen der Wechsler. Abwechselnd mit ihm
arbeitet auch allda des Pfarrers Frau, die
die stille sanfte Gattin, die ansonsten so emsig
im christlichen Nähkränzchen für barfüßige
Indianderkinder Strümpfe strickte. Auch die
blonden Pfarrerstöchter, die sonst vor der
Welt verborgen blieben und nur am Som-
merabend züchtig auf der Bank vor der
Gartenlaube saßen, gehen jetzt auf die Bank
der Geldgewaltigen; und die Kinder der
Welt vermehren sich schneller als die Kinder
des Lichts. Aber warum arbeiten sie nicht
auf dem nahrhaften Acker, auf dem frommen
Lande, in der Natur, wo man dem höchsten
in so unmittelbarer Nähe ist? Warum
gehen sie in die funkelnden Werkstätten Beelze-
bubs, in die schmutzige Konkurrenz?
Ihr Diener der Kirche, mischt euch wieder,
die Ihr arm geworden seid, unter die Armen
der Welt! Donnert nicht mit der Faust in
schönerPose gegen die Reichen,deren Freunde
ihr seid. Sonst sagen wir lächelnd: „Was
sich neckt, das — liebt sich I"
Ein Selb der Arbeit
Wir bringen das Bild unseres ehrenwerten
Mitbürgers Alfons Vrindöpke, der heute
sein 25 jähriges Arbeitsjubiläum feiern kann.
Mit seinem 14. Lebensjahre trat er als Lehr-
ling bei dem Lerrn Kurz- und Kleinwaren-
händler E. K. Freßack & Sohn seinen Dienst
an, und der liebe Gott wollte es, daß er
seinem Lerrn bis jetzt treubleiben durfte. Er
kannte keine Organisation, und hat auch, um
seinem Lerrn nicht mit unverschämten Ge-
haltsforderungen zu kommen, auf das Ehe-
glück verzichtet.
Bescheiden wohnt unser Freund noch heute
in derselben Dachstube, die er vor 25 Jahren
als Lehrling bezog. Als ihn mal einer jener
roten Agitatoren zum Achtstundentag ver-
führen wollte, sagte unser Leid: „Lieber will
ich sterben, als meinem Lerrn solches antun."
Leute abend findet im trauten Familien-
kreise des Lerrn Freßack ein kleines Abend-
essen statt. Die Kosten dafür wird Lerr
Freßack seinem treuen Mitarbeiter erst am
nächsten Ersten abziehen. — Mehr solch ehr-
liche brave Leute und um unsere kranke Wirt-
schaft wird es bald besser stehenl
Das Erste
„So, in Ihrer Gegend ist eine neue Ort-
schaft im Entstehen?"
»Ja, die Bankfiliale ist bereits fertig".
Für gebogene Zinken
In einem völkischen Blatt inseriert eine
Kunststickerei waschechte Lakenkreuz-Taschen-
tücher in verschiedenen Farben für Damen
und Lerren. Eine famose Idee. Natürlich
ist jeder Jude ein Käufer. Jede Lebräerin
desgleichen. Mit Vergnügen und Inbrunst
werden sie ihre Giebel auf das antisemitische
Wahrzeichen entleeren. Wenn die Kunst-
stickerei sich noch besser aufs Geschäft ver-
stände, würde sie vor allem in Iudenblättern
inserieren.
Große Menschen
In einer feinen Gesellschaft sprach man
von großen Persönlichkeiten. Von Leuten,
die für dieMenschheitLervorragendes geleistet.
Und die Frage wurde aufgeworfen, wer unter
den großen Menschen des zwanzigsten Jahr-
hunderts wohl die Palme verdiene. Man
nannte einige Dichter und Gelehrte, vor allem
aber berühmte Leerführer und Staatsmänner.
„And wen nennen Sie?" fragte man einen
Sozialisten, der schweigend und nachdenklich
zugehört hatte.
„Ich? Ich nenne Knud Lansen."
„Knud Lansen?" Man lachte. „Wer ist
Knud Lansen?"
„Knud Lansen ist ein armer dänischer
Landarbeiter. Sein Läuschen ist mit Schilf
bedeckt und nicht viel größer als dieser Salon.
Er hat fünf Kinder und eine Kuh. Dafür
schindet er sich Tag für Tag vom Morgen
bis zum Abend. Und er sagte sich: Weil
ich so reich bin und meinen Kindern Milch
geben kann, kann ich ganz gut noch ein deutsches
Kind vor dem Verhungern retten. — Das
hat er getan. Knud Lansen hat nicht Milli-
onen in den Tod geschickt. Knud Lansen
hat keinen neuen Explosivstoff erfunden. Aber
Knud Lansen hat ein armes, bleichsüchtiges
Mädel aus einer deutschen Großstadt am
Leben erhalten, hat ihm rote Wangen ver-
schafft und ein fröhliches, lebenslustiges Lerz.
Darum nenne ich ihn größer als Lindenburg,
Ludendorff und alle die andern." . . .
Da sahen die Zuhörer den Sprecher an
wie der Ochs das neue Tor. Pa».
*
Die Meine Prinzeffin
(Patriotifchen Kabaretts gewidmet)
Die Meine Prinzeffin zur Beichte ging.
Trafafa.
Es war ein unfchufdig frommes Ding.
Trafafa.
Der Beichtiger ham in ihr Kämmerfein.
Sie Beichtete ihm nachtaus, nachtein.
Trafafafafa.
Mit Liehe ühte er feine Tunhtion.
Trafafa.
Uncf erteifte ihr freudig die Ahfofution.
Trafafa.
Er mahnte: Mer he dir, vor Gericht
Zufchwindefn, meinKindfiftChriftenpfficht.
Trafafafafa.
Drauf hatfie totaf ihr Gedächtnis verfor’n.
Trafafa.
Und hat einen hfeinen Meineidgefchwor’n.
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Der Beichtvater aber hat fich verdufi'.
Trafafafafa. p.