159 -
Im großen Kasperltheater
der Welt
Kasperl: Seid ihr alle da?
Iaaa!
K.: Da können wir wohl anfangen?
Iaaa!
K.: Ich seh doch den Michel heut gar nicht.
Der kanns Eintrittsgeld nicht bezahlen, der
braucht überhaupt nicht überall dabei zu sein.
K: L>nlt, ist denn meine Buttersrau da, ihr
wißt schon, die mit dem viereckigen Kopp und
den Leberwurschtarmen und dem gepunkten
Äalstüchel? (Radau vorm Theater.) Was ist
denn wieder los?
Der Michel will rein, an der Kasse kann
keiner einen 5-Millionen-Schein wechseln.
Kassiererin (mit großen Ohrringen und
aufgeregter Stimme): Im Teller liegen bloß
19 Dollar, 7 Pfund Sperlinge, 10 dreckige
böhmische Kronen und 9 Losenknöppe.
K.: Geht doch zum Barbier und laßt den
Millionenschein wechseln! — Eh's losgeht, will
ich erscht mal ein echtes altgermanisches Früh-
stück machen (beißt in eine große Kohlrübe
und bestreicht sie mit Veteranensülze oder
Marmelade). Ich will nur schnell machen,
sonst kriegt ihr noch Appetit! So. Jetzt geht's
aber los, wenn der Zwiebelkopp hier unten
herguckt. Gespielt wird auf vielfaches Ver-
langen eines einzelnen Lerrn aus der Repa-
rationskommissivn: Poincars und die sieben
Geißlein, ein Schauerdrama in 4 Aufzügen,
6 Güterzüge», 6 Milchziegen und 7 Bett-
überzügen.
Stimme aus dem Publikum: Kommt
da ooch der Teisel mit drinne vor?
K.: Mensch! Klar! Wenn vonPoincare ge-
spielt wird, is ooch der Teisel mit dabei.
Aengstliche Stimme: Kaspar! Der
Teufel ist schon da!
K.: So, das ist recht, de» wollt ich schon
lange mal treffen, der hat nämlich niein letztes
Goldstückel geholt und bis jetzt noch nicht
wiedergebracht. (Teufel tritt heran, die Maske
Cunos unter dem Arm.)
K.: Na, komm nur ran, du Preißelbeer-
mann, vor dir fürchten wir uns nicht, seit
gestern Hab ich ’n Rittergut mit sechs neu-
melknen Mäusen. Was haste denn für 'n
Päckel unterm Arm?
T.: Ich Hab den letzten Reichskanzler geholt.
K.: Du, ich werds gleich dem Schutzmann
sagen! Wir können doch nun bald mit Reichs-
kanzlern handeln.
T.: Das scheint deutsches Schicksal zu sein,
freut euch lieber, ihr habt doch wieder einen
neuen Papa.
Chor erschreckter Stimmen: Kaspar, paß
auf! S' ist jemand da! (Ein bleiches Gerippe
mit französischem Käppi — der Tod.) Kaspar!
Der Tod ist da!
K.: Ich fürchte mich nicht vor dem. Bei
den heutigen Fleischpreisen ist der Tod eine
wahre Erlösung! Wie steht denn der Kreide-
Heinrich bloß aus! Als hätt' er 17 Wochen die
Masern gehabt. Ich werd gleich mal meine
Löllenwurzel holen und werd ihm den Gips-
kopp runtertun, nee, ich werd ihn lieber in a
kleenes Postpaket zusammenpacken und aufs
Finanzamt schicken.
Tod : Vernunft, Kaspar! Schlag lieber ein
paar Nulle» weg von eurer Speisekarte!
K.: Das Hab ich schon versucht, aber die
sind zu rund, da rutsch ich immer dran ab.
Tod: Kaspar, stecke dein Schwert ein und
traure, ich habe heute deine Großmutter in
den Limmel verseht.
K.: Da wird sich die alte gute Frau freuen,
die konnte mit 19000 Mark Monatsrente so
wie so nicht weiter leben. (Lärm im Publikum.)
K.: Was ist denn wieder los, ich glaube,
wir kommen in Deutschland überhaupt nicht
mehr dazu, 'n Stück zu spielen.
Französische Laute: Attention! löier
wird geschossen! Rrrreparationen! Euer Geld
her!!
(Die Theaterkasse wird beschlagnahmt, alles
flüchtet, selbst Tod und Teufel reißen aus.
Der Vorhangzieher wird als Spion verhaftet.
Alfred Venter.
Kapitalistische Gehirne
Man hat — in Dollarika natürlich — aus-
gerechnet, daß der Gehirnwert des großen
Erfinders Edison fünf Milliarden Dollar
beträgt.
Dagegen kommt selbst der berühmte Groß-
händler Schieberinsky nicht an, der täglich
seine hundert bis zweihundert Millionen per
Telephon „macht"; immerhin ist sein Gehirn-
wert auf 1500 Milliarden Papiermark zu ver-
anschlagen. Mein ehemaliger Kohlenhändler,
den man allgemein für ein Kamel hielt, hat
sich kürzlich eine zwanzigzimmerige Villa ge-
baut; der Wert auch seines Gehirns geht
also zweifellos ebenfalls in die Milliarden.
Was aber gibt einer für das Gehirn jenes
Gelehrten, der verschiedene berühmte Bücher
schrieb, tiefe Erkenntnisse zutage förderte
und sich heute keine Zeitung mehr halten
kann, weil sein Schädel nur armselige Zinsen
trägt?
Von den Dichtern reden wir erst gar nicht;
die sind ohnehin anormal und überhaupt von
einer gänzlich unbegründeten Existenz. Aber
wir anderen, die wir auch schreiben, sehe»
mit Bängnis dem Taxator unsers Gehirn-
werts entgegen. Nach der Verzinsung zu
urteilen, gehen mindestens fünftausend auf
meinen ehemaligen Kohlensritze».
Schweres Schicksal
I kann's nit mehr trage;
ES ist mir zu schwer.
Von Tage zu Tage
Wirds mehrer und mehr.
Es duckt inir den Rücke;
Es druckt mir das Lerz;
Es bricht mi in Stücke;
Es macht mir viel Schmerz.
Tu abends ich kippen
Todmüd in mei Bett,
Spür ich alle Rippen;
Sie Han ja kein Fett.
I schlepp mi zu Tode.
I werd nimmer froh —
I bin nämlich Bote
Im Lohnzahlbüro ... p.
Im großen Kasperltheater
der Welt
Kasperl: Seid ihr alle da?
Iaaa!
K.: Da können wir wohl anfangen?
Iaaa!
K.: Ich seh doch den Michel heut gar nicht.
Der kanns Eintrittsgeld nicht bezahlen, der
braucht überhaupt nicht überall dabei zu sein.
K: L>nlt, ist denn meine Buttersrau da, ihr
wißt schon, die mit dem viereckigen Kopp und
den Leberwurschtarmen und dem gepunkten
Äalstüchel? (Radau vorm Theater.) Was ist
denn wieder los?
Der Michel will rein, an der Kasse kann
keiner einen 5-Millionen-Schein wechseln.
Kassiererin (mit großen Ohrringen und
aufgeregter Stimme): Im Teller liegen bloß
19 Dollar, 7 Pfund Sperlinge, 10 dreckige
böhmische Kronen und 9 Losenknöppe.
K.: Geht doch zum Barbier und laßt den
Millionenschein wechseln! — Eh's losgeht, will
ich erscht mal ein echtes altgermanisches Früh-
stück machen (beißt in eine große Kohlrübe
und bestreicht sie mit Veteranensülze oder
Marmelade). Ich will nur schnell machen,
sonst kriegt ihr noch Appetit! So. Jetzt geht's
aber los, wenn der Zwiebelkopp hier unten
herguckt. Gespielt wird auf vielfaches Ver-
langen eines einzelnen Lerrn aus der Repa-
rationskommissivn: Poincars und die sieben
Geißlein, ein Schauerdrama in 4 Aufzügen,
6 Güterzüge», 6 Milchziegen und 7 Bett-
überzügen.
Stimme aus dem Publikum: Kommt
da ooch der Teisel mit drinne vor?
K.: Mensch! Klar! Wenn vonPoincare ge-
spielt wird, is ooch der Teisel mit dabei.
Aengstliche Stimme: Kaspar! Der
Teufel ist schon da!
K.: So, das ist recht, de» wollt ich schon
lange mal treffen, der hat nämlich niein letztes
Goldstückel geholt und bis jetzt noch nicht
wiedergebracht. (Teufel tritt heran, die Maske
Cunos unter dem Arm.)
K.: Na, komm nur ran, du Preißelbeer-
mann, vor dir fürchten wir uns nicht, seit
gestern Hab ich ’n Rittergut mit sechs neu-
melknen Mäusen. Was haste denn für 'n
Päckel unterm Arm?
T.: Ich Hab den letzten Reichskanzler geholt.
K.: Du, ich werds gleich dem Schutzmann
sagen! Wir können doch nun bald mit Reichs-
kanzlern handeln.
T.: Das scheint deutsches Schicksal zu sein,
freut euch lieber, ihr habt doch wieder einen
neuen Papa.
Chor erschreckter Stimmen: Kaspar, paß
auf! S' ist jemand da! (Ein bleiches Gerippe
mit französischem Käppi — der Tod.) Kaspar!
Der Tod ist da!
K.: Ich fürchte mich nicht vor dem. Bei
den heutigen Fleischpreisen ist der Tod eine
wahre Erlösung! Wie steht denn der Kreide-
Heinrich bloß aus! Als hätt' er 17 Wochen die
Masern gehabt. Ich werd gleich mal meine
Löllenwurzel holen und werd ihm den Gips-
kopp runtertun, nee, ich werd ihn lieber in a
kleenes Postpaket zusammenpacken und aufs
Finanzamt schicken.
Tod : Vernunft, Kaspar! Schlag lieber ein
paar Nulle» weg von eurer Speisekarte!
K.: Das Hab ich schon versucht, aber die
sind zu rund, da rutsch ich immer dran ab.
Tod: Kaspar, stecke dein Schwert ein und
traure, ich habe heute deine Großmutter in
den Limmel verseht.
K.: Da wird sich die alte gute Frau freuen,
die konnte mit 19000 Mark Monatsrente so
wie so nicht weiter leben. (Lärm im Publikum.)
K.: Was ist denn wieder los, ich glaube,
wir kommen in Deutschland überhaupt nicht
mehr dazu, 'n Stück zu spielen.
Französische Laute: Attention! löier
wird geschossen! Rrrreparationen! Euer Geld
her!!
(Die Theaterkasse wird beschlagnahmt, alles
flüchtet, selbst Tod und Teufel reißen aus.
Der Vorhangzieher wird als Spion verhaftet.
Alfred Venter.
Kapitalistische Gehirne
Man hat — in Dollarika natürlich — aus-
gerechnet, daß der Gehirnwert des großen
Erfinders Edison fünf Milliarden Dollar
beträgt.
Dagegen kommt selbst der berühmte Groß-
händler Schieberinsky nicht an, der täglich
seine hundert bis zweihundert Millionen per
Telephon „macht"; immerhin ist sein Gehirn-
wert auf 1500 Milliarden Papiermark zu ver-
anschlagen. Mein ehemaliger Kohlenhändler,
den man allgemein für ein Kamel hielt, hat
sich kürzlich eine zwanzigzimmerige Villa ge-
baut; der Wert auch seines Gehirns geht
also zweifellos ebenfalls in die Milliarden.
Was aber gibt einer für das Gehirn jenes
Gelehrten, der verschiedene berühmte Bücher
schrieb, tiefe Erkenntnisse zutage förderte
und sich heute keine Zeitung mehr halten
kann, weil sein Schädel nur armselige Zinsen
trägt?
Von den Dichtern reden wir erst gar nicht;
die sind ohnehin anormal und überhaupt von
einer gänzlich unbegründeten Existenz. Aber
wir anderen, die wir auch schreiben, sehe»
mit Bängnis dem Taxator unsers Gehirn-
werts entgegen. Nach der Verzinsung zu
urteilen, gehen mindestens fünftausend auf
meinen ehemaligen Kohlensritze».
Schweres Schicksal
I kann's nit mehr trage;
ES ist mir zu schwer.
Von Tage zu Tage
Wirds mehrer und mehr.
Es duckt inir den Rücke;
Es druckt mir das Lerz;
Es bricht mi in Stücke;
Es macht mir viel Schmerz.
Tu abends ich kippen
Todmüd in mei Bett,
Spür ich alle Rippen;
Sie Han ja kein Fett.
I schlepp mi zu Tode.
I werd nimmer froh —
I bin nämlich Bote
Im Lohnzahlbüro ... p.