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Auf dem Danziger Fischmarkt
(Danzig führt eine neue Guldenwährung ein)
„Fritze, paß auf: die ersten Gulden kommen!"
„Faule Fische. Auf Gulden reimt sich am besten — Schulden."
Reiseerinnerungen an 1923
Als ich wieder kam
Liesen die Milliardäre schon frei auf der
Straße umher.
IhrMimd
Als ich Abschied nahm
Reiste man noch voll Stolz, ein Millionär
zu sein.
Lebte Tante Aurelias Kanarienvogel noch.
War die Mark keinen Pfennig wert.
Latte ich noch eine Kiste Zigarren.
War der Stammtisch voll so sehr.
Redete Cuno, und Stresemann schwieg.
Schimpfte man über die Margarine.
Deutschland, ein Sommermärchen
Nach L. Leine — von Fritzchen.
I.
Wohl 80 Jahre sind es nun.
Da reist' ich in Deutschlands Gauen.
And denk' ich daran, da überläuft
Mich heute noch ein Grauen.
Ein Grauen vor dem Deutschen Reich
Mit 36 Souv'ränen,
Die in Staaten und Stätchen residiert
Wie Junker aus ihren Domänen. —
Ein Grauen vor der Zuchtanstalt,
Die Deutschland war gewesen.
Wo es für jeden ehrlichen Mann
Empfehlenswert war — zu reisen!
Das Dichten habe ich fast verlernt;
Meine Verse sind anders geworden.
Dreiviertel Jahrhundert ließ ich sein
Das Spielen mit Neimen und Worten.
And wenn es euch auch nicht behagt,
Ihr braucht mich ja nicht zu lesen:
Ich schreibe nur nieder, was ich erfuhr.
Als ich jetzt in Deutschland gewesen.
Dies eine sei nebenbei bemerkt:
Im Limmel ist's furchtbar traurig —
Ich denke mir, in der Lölle zu sein
Ist längst nicht halb so schaurig.
Doch schweig' ich darüber; sonst vergeht
Die Sehnsucht selbst frommen Pastoren
Und allen Jungfern, die hienied'
Sich nie in Liebe verloren.
Ausgleichende Gerechtigkeit?
Leid ist mir's, das zu schreiben:
War Tante Aurelia auch beinahe verhungert.
Kostete der Kupferpfennig bereits 70 Mark.
Latte ich nur noch eine Zigarrenkiste..
War alles leer.
Redete Stresemann, und Cuno schwieg.
Schimpfte man immer noch überdie Margarine.
Wer noch auf Erden Jungfer blieb.
Muß auch dort Jungfer bleiben!
Genug vom Limmel! In die Löll' —
Laßt mich's noch einmal beteuern —
Wünscht' ich mich wieder, und ich befand
Mich mitten drin in Bayern.
II.
In Bayern, da regiert das Volk —
Von Ruprechts und Litlers Gnaden.
Vor zwei Majestäten beugen das Knie
Auch die bayrischen Demokraten.
Fürwahr! Sie sind ihrer Väter wert:
Ich sah sie grad' in München
Auf ihrer Fahne voll Energie
Das Gold mit Weiß übertünchen.
Der Freiheit Banner schwarzrotgold.
An das ihre Väter glaubten.
Scheint ihnen blamabel, und daß sie Mut
Besäßen, kann niemand behaupten.
Das Wesen bayrischer Demokratie
Ist dunkel und verwässert.
In den letzten 80 Jahren hat
Sich dort wohl nichts gebessert.
Man fragte mich nach Namen und Stand.
Ich sagte, ich hieße Leine,
Wäre Dichter und Politikus
And würfe wie David Steine
Auf reaktionäre Goliaths,
Die irdischen Fortschritt hindern.
And zöge ihnen die Losen straff
Wie ungezogenen Kindern.
Da schleppte man mich vor's Tribunal
Der Nationalsozialisten
wird HLHI. ensteHt d. grau-
grün verfürk». Zähne. Schon
d. 1—2 malig. Putzen mit
Zahnpaste
können Sie diesen Schön-
heitsfehler beseitigen. Ein
Versuch lohnt! In allen Apotheken, Drogerien u. Parfümerien.
And zog im Limmel Erkundigung ein
Durch bayrische Polizisten.
Man wollt' mich nach Niederschönenfeld
Zu Toller und Fechenbach schleifen;
Da riß ich aus zum Sachsenland —
Man wird das in Bayern begreifen.
In Sachsen herrscht der König nicht mehr,
Der Große, der dort regierte.
Bis schließlich sein undankbares Volk
Auch gegen ihn revoltierte.
„Dja, Andank is der Geenige Lohn!
Das is wahrhaftig nich scheene" —
Sprach Friedrich August, der letzte Fürst —
„Macht eiern Dreck alleene . . ."
III.
Es wäre gefährlich, nach Sachsen zu fahr'n —
Das sagten mir Demokraten —
Es sei der schlimmste zweifellos
Von allen deutschen Freistaaten.
Dort wehe neben schwarzrotgold
Rotbrünstig die Sowjetsahne:
Das Bürgertum würd' vergewaltigt dort
Vom schlimmsten der Dschingis-Khane.
And Freiheit, Ordnung, Gerechtigkeit
Sei'n dort nur leere Worte.
Wer aus Bayern, dem Lande der Ordnung
Der käm' durch die Löllenpforte. — (kommt,
An Sachsen grenzt ein anderer Staat;
Thüringen ist er geheißen,
Wo jeden, der bayrisch' Gelüste verspürt,
Republikanische Wanzen beißen.
Mir aber haben sie nichts getan:
Sie merkten an meinem Blute,
Daß ich ein Revolutionär,
Republikaner — und Jude!
Die Juden (wie man in Bayern singt)
Sind deutscher Art Vernichter,
And ab und zu ist einer dabei.
Der ist sogar ein Dichter.
Ein Jud' und Dichter, was braucht ihr mehr
An schlagenden Beweisen?
Längt die Juden auf! Sperrt die Dichter ein!
Sonst wird euch Litler eins — beißen.
Ja, wer ein preußischer Leutnant ist.
Wird leicht zum Nationalheros,
And es besingt, wie einst den Achill,
Schlageter ein neuer Lomeros.
Lomeros war ein dreckiger Leid' —
Der neue Lomer sei christlich.
Deutschvölkisch dazu und national
And sein Lumor unverwüstlich.
Denn wahrlich! Dazu gehört Lumor,
Schlageter zum Loser zu machen!
Mit solchem Gewäsch bringt ein General
Auch den dümmsten Pommer zum Lachen.
Daß Ludendorff Schlageter Denkmäler baut,
Nimmt mich durchaus nicht wunder;
Doch Lindenburg, das tut mir leid,
Daß du mitmachst jeden Plunder.
Man kann die Knoten der Politik
Nicht mit dem Schwerte lösen.
Die Meister auf dem Schlachtfeld find
Nur selten politische Größen.
*
Pflaumenzeit
Abortfrau: „Die Pflaumenzeit ist wieder
da, es geht so laut zu auf dem stillen Ort."
Auf dem Danziger Fischmarkt
(Danzig führt eine neue Guldenwährung ein)
„Fritze, paß auf: die ersten Gulden kommen!"
„Faule Fische. Auf Gulden reimt sich am besten — Schulden."
Reiseerinnerungen an 1923
Als ich wieder kam
Liesen die Milliardäre schon frei auf der
Straße umher.
IhrMimd
Als ich Abschied nahm
Reiste man noch voll Stolz, ein Millionär
zu sein.
Lebte Tante Aurelias Kanarienvogel noch.
War die Mark keinen Pfennig wert.
Latte ich noch eine Kiste Zigarren.
War der Stammtisch voll so sehr.
Redete Cuno, und Stresemann schwieg.
Schimpfte man über die Margarine.
Deutschland, ein Sommermärchen
Nach L. Leine — von Fritzchen.
I.
Wohl 80 Jahre sind es nun.
Da reist' ich in Deutschlands Gauen.
And denk' ich daran, da überläuft
Mich heute noch ein Grauen.
Ein Grauen vor dem Deutschen Reich
Mit 36 Souv'ränen,
Die in Staaten und Stätchen residiert
Wie Junker aus ihren Domänen. —
Ein Grauen vor der Zuchtanstalt,
Die Deutschland war gewesen.
Wo es für jeden ehrlichen Mann
Empfehlenswert war — zu reisen!
Das Dichten habe ich fast verlernt;
Meine Verse sind anders geworden.
Dreiviertel Jahrhundert ließ ich sein
Das Spielen mit Neimen und Worten.
And wenn es euch auch nicht behagt,
Ihr braucht mich ja nicht zu lesen:
Ich schreibe nur nieder, was ich erfuhr.
Als ich jetzt in Deutschland gewesen.
Dies eine sei nebenbei bemerkt:
Im Limmel ist's furchtbar traurig —
Ich denke mir, in der Lölle zu sein
Ist längst nicht halb so schaurig.
Doch schweig' ich darüber; sonst vergeht
Die Sehnsucht selbst frommen Pastoren
Und allen Jungfern, die hienied'
Sich nie in Liebe verloren.
Ausgleichende Gerechtigkeit?
Leid ist mir's, das zu schreiben:
War Tante Aurelia auch beinahe verhungert.
Kostete der Kupferpfennig bereits 70 Mark.
Latte ich nur noch eine Zigarrenkiste..
War alles leer.
Redete Stresemann, und Cuno schwieg.
Schimpfte man immer noch überdie Margarine.
Wer noch auf Erden Jungfer blieb.
Muß auch dort Jungfer bleiben!
Genug vom Limmel! In die Löll' —
Laßt mich's noch einmal beteuern —
Wünscht' ich mich wieder, und ich befand
Mich mitten drin in Bayern.
II.
In Bayern, da regiert das Volk —
Von Ruprechts und Litlers Gnaden.
Vor zwei Majestäten beugen das Knie
Auch die bayrischen Demokraten.
Fürwahr! Sie sind ihrer Väter wert:
Ich sah sie grad' in München
Auf ihrer Fahne voll Energie
Das Gold mit Weiß übertünchen.
Der Freiheit Banner schwarzrotgold.
An das ihre Väter glaubten.
Scheint ihnen blamabel, und daß sie Mut
Besäßen, kann niemand behaupten.
Das Wesen bayrischer Demokratie
Ist dunkel und verwässert.
In den letzten 80 Jahren hat
Sich dort wohl nichts gebessert.
Man fragte mich nach Namen und Stand.
Ich sagte, ich hieße Leine,
Wäre Dichter und Politikus
And würfe wie David Steine
Auf reaktionäre Goliaths,
Die irdischen Fortschritt hindern.
And zöge ihnen die Losen straff
Wie ungezogenen Kindern.
Da schleppte man mich vor's Tribunal
Der Nationalsozialisten
wird HLHI. ensteHt d. grau-
grün verfürk». Zähne. Schon
d. 1—2 malig. Putzen mit
Zahnpaste
können Sie diesen Schön-
heitsfehler beseitigen. Ein
Versuch lohnt! In allen Apotheken, Drogerien u. Parfümerien.
And zog im Limmel Erkundigung ein
Durch bayrische Polizisten.
Man wollt' mich nach Niederschönenfeld
Zu Toller und Fechenbach schleifen;
Da riß ich aus zum Sachsenland —
Man wird das in Bayern begreifen.
In Sachsen herrscht der König nicht mehr,
Der Große, der dort regierte.
Bis schließlich sein undankbares Volk
Auch gegen ihn revoltierte.
„Dja, Andank is der Geenige Lohn!
Das is wahrhaftig nich scheene" —
Sprach Friedrich August, der letzte Fürst —
„Macht eiern Dreck alleene . . ."
III.
Es wäre gefährlich, nach Sachsen zu fahr'n —
Das sagten mir Demokraten —
Es sei der schlimmste zweifellos
Von allen deutschen Freistaaten.
Dort wehe neben schwarzrotgold
Rotbrünstig die Sowjetsahne:
Das Bürgertum würd' vergewaltigt dort
Vom schlimmsten der Dschingis-Khane.
And Freiheit, Ordnung, Gerechtigkeit
Sei'n dort nur leere Worte.
Wer aus Bayern, dem Lande der Ordnung
Der käm' durch die Löllenpforte. — (kommt,
An Sachsen grenzt ein anderer Staat;
Thüringen ist er geheißen,
Wo jeden, der bayrisch' Gelüste verspürt,
Republikanische Wanzen beißen.
Mir aber haben sie nichts getan:
Sie merkten an meinem Blute,
Daß ich ein Revolutionär,
Republikaner — und Jude!
Die Juden (wie man in Bayern singt)
Sind deutscher Art Vernichter,
And ab und zu ist einer dabei.
Der ist sogar ein Dichter.
Ein Jud' und Dichter, was braucht ihr mehr
An schlagenden Beweisen?
Längt die Juden auf! Sperrt die Dichter ein!
Sonst wird euch Litler eins — beißen.
Ja, wer ein preußischer Leutnant ist.
Wird leicht zum Nationalheros,
And es besingt, wie einst den Achill,
Schlageter ein neuer Lomeros.
Lomeros war ein dreckiger Leid' —
Der neue Lomer sei christlich.
Deutschvölkisch dazu und national
And sein Lumor unverwüstlich.
Denn wahrlich! Dazu gehört Lumor,
Schlageter zum Loser zu machen!
Mit solchem Gewäsch bringt ein General
Auch den dümmsten Pommer zum Lachen.
Daß Ludendorff Schlageter Denkmäler baut,
Nimmt mich durchaus nicht wunder;
Doch Lindenburg, das tut mir leid,
Daß du mitmachst jeden Plunder.
Man kann die Knoten der Politik
Nicht mit dem Schwerte lösen.
Die Meister auf dem Schlachtfeld find
Nur selten politische Größen.
*
Pflaumenzeit
Abortfrau: „Die Pflaumenzeit ist wieder
da, es geht so laut zu auf dem stillen Ort."