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Pennbruderlied
Ists nicht schön, sein Geld zn zählen
abends in der Kammer?
Langts zwar nicht zum Neichvermählen,
wird noch lang' kein Drachen quälen
dich mit Ehstandsjammer —
dich mit Ehstandsjammer!
Ists nicht schön, ein Nachtmahl essen
hinter Heller Scheibe?
Neichts nicht zu Gourmand-Finessen,
dafür wird dein Gürtel messen
zweimal rund am Leibe —
zweimal rund am Leibe!
Ists nicht schön, die Bettstatt fühlen
nach der Fahrt Strapazen?
Fehlts dir auch an Daunenpfühlen,
wird dir schon die Sohlen kühlen
Mutter Grüns Matratzen —
Mutter Grüns Matratzen I
Ists nicht schön, ein Mädchen lieben
unterm Sternenscheine?
Lat sichs auch schon Zeit vertrieben,
ists doch einmal dein geblieben
heute ganz alleine —
heute ganz alleine!
Aber kannst du gar nix haben,
ei, was hast du Sorgen?
Eh' sie dir sechs Bretter schaben,
wird dich schon ein Träumchen laben
und dir alles borgen —
und dir alles borgen!
Willibald Krain.
*
Infolge der erhöhten . . .
Von Alfred Venter
Lerr Karl Edmund Krause war im höchsten
Zorne. Er knüllte das gesamte vier Blatt
umfassende Exemplar seines Leib- und Magen-
blattes schneeballartig zusammen und warf
es in die Ecke. Aber warum so plötzlich? Kein
Tag verging, ohne daß er lesen mußte: „In-
folge der erhöhten Kosten für ... sehen wir
uns gezwungen..."
Seit zwei Jahren ging dieses Lied nun
hemmungslos durch alle Spalten, lind was
war unterdes aus ihm geworden? Den Ta-
bak hatte er sich längst abgewöhnt bis auf
das Abcndpfeifchen. Seit zwei Monaten ver-
sagte er sich das Bier und drohte schon so
nüchtern und stumpfsinnig zu werden wie ein
amerikanischer Milliardär. Auch die Eisen-
bahn konnte er vermissen. Er war schon früher
der Ansicht, daß ein Baum im Stadtwalde
nicht anders aussehe als einer im Riesen-
gebirge und das Reisen entbehrlich sei.
Zum Barbier kam er schon lange nicht
mehr, im Sommer sah er aus wie ein Wander-
vogel und im Winter ließ er sich von seiner
Wirtschafterin eineKuchenspringsormtheater-
kronenhaft aufs Laupt stülpen und abschneiden,
was drunter hing.
Leute nun hatte er voll Ingrimm lesen
müssen, daß infolge der erhöhten Kosten für ..
auch die Leichenfrau und der Totengräber
wieder derart aufgeschlagen waren, daß das
Sterben fast unerschwinglich geworden war.
Run so eilig hatte ers nicht. „Run gerade
nicht!" knurrte er, „ehe ich mir das bißchen
Sterben verekeln lasse, will ich erst mal richtig
leben und so mancherlei nachholen."
In solcher Stimmung war er früher zu
seinen lieben Neffen und Nichten gegangen,
um sich an deren Jugend aufzufrischen. Aber
die hatten seit einiger Zeit nur geringes
Interesse an ihm; denn die Erbmöglichkeiten
waren durch die Geldentwertung ebenfalls
geringer geworden.
Da faßte er jenen grandiosen Plan, den
normale Menschen gewöhnlich schon 25 Jahre
früher in sich tragen. Er schrieb den ersten
schriftstellerischen Versuch seines Lebens —
ein Leiratsgesuch. Auf der Redaktion er-
fuhr er, daß infolge der erhöhten . . . dieses
Wagnis 1800000Mark verschlang, aber dafür
gingen — es war gerade am Tage vor der
neuen Portoerhöhung — 27 Bewerbungen
für sein Lerz, seine Land und seine Brief-
tasche ein.
So mußte, er .fid) unzählige Male in seinen
Sonntagsanzug werfen, und an der bewußten
Plakatsäule erscheinen.
Die erste, die dort stand, war seine Wirt-
schafterin in leibhaftiger mild lächelnder
Schöne und mit dem bezeichneten blauen
Bändchen am Regenschirm. Es war zwar
ein verschämtes Blau, aber immerhin, sie
stand dort. Sie stotterte was von der Elek-
trischen, die ewig nicht käme, und wenn eine
käme, dann käme eine falsche. Dabei fuhr
sie so selten, wie ein Landpfarrer ins Kino
geht. 39 wäre sie all — so hatte sie ge-
schrieben, — dabei hatte sie vor 15 Jahren
das Mantellied gesungen.
Das war ein guter Anfang, und der Fort-
gang war ähnlich. Die Zweite nahm An-
stoß an seinem Laarschnitt, die nächste wunderte
sich, daß er nicht in Musikcasss verkehrte.
Die Vierte ließ die Sehnsucht nach Nach-
kommenschaft etwas allzu deutlich durch-
blicken, und der Lerzenswunsch der letzten
war ein Logenplatz im Theater wegen zu-
nehmender Schwerhörigkeit.
So sah sich Lerr Karl Edmund Krause
infolge der erhöhten Kosten für . . . ge-
zwungen, seine Leiratspläne aufzugeben.
Er war wieder allein, und trank am Abend
in der Küche seinen 8-Ahr-Lindenblütentee.
Zögernd und mißtrauisch, nur um die Lange-
weile niederzukämpfen, griff er nach der
Zeitung. Was wird heute wieder los sein?
seufzte er. W—a—a—s? Bestattung auf
kommunale Kosten!? — Endlich ein Lichtblick.
Bravo! Wie das die Lebenslust steigert!
Man muß das Dasein nur am richtigen Ende
reformieren. Am selben Tage noch drehte
er entschlossen den Gashahn auf.
And der Gedanke an die langen Gesichter
seiner Verwandten, die die große Gasrech-
nung bezahlen mußten» gewährte ihm die
letzte Freude seines Daseins. . . .
„Wenn du nichts zum Leben hast,
Lump, dann lasse dich begraben!"
Der bekannte Lyriker Maximilian Bern ist
im 74. Lebensjahr buchstäblich verhungert.
Seine Verleger werden um eine Ausrede
nicht „verlegen" sein; sie werden ihn auf
obigen Vers Leines verweisen, der ja gleich-
falls ein deutscher Lyriker war.
Die Charaktervollen
„Die alten, bayrischen Offiziere" haben in
München Rupprecht und andere Exprinzen
angehocht. Die Begrüßungsanrede eines
Majors schloß: Jetzt gilts: „Furchtlos
und treu!"
Wahrscheinlich meinte der wackere Major
damit: „Furchtlos gegenLitlers Drohungen
und treu gegen die Republik, von der wir
unsere Pensionen beziehen." Punktum.
Ein Lichtblick in Deutschlands Dunkel
Kleinrentner Lehmann geht es herzlich
schlecht. Aber er ist die Genügsamkeit selbst.
Eben hat er von Japans Erdbebenunglück
gehört. „Siehst du, Alte", sagt er zu seiner
Frau, „bei uns in Deutschland sind wir ja
auch nicht aus Rosen gebettet, aber Erd-
bebenhaben wir w e n i g st e n s nicht!"
*
Das heutige Frankreich
P o i n c a r €: „Das Prinzip des Selbst-
bestimmungsrechts der Völker geniert uns
nicht, so lange Frankreich die Macht zur
Selbstbestimmung des Anrechts hat." &. Maro.
Der Altersrentner
„Ansereins stirbt bloß deshalb nicht, weil
das Begraben zu teuer ist."
Pennbruderlied
Ists nicht schön, sein Geld zn zählen
abends in der Kammer?
Langts zwar nicht zum Neichvermählen,
wird noch lang' kein Drachen quälen
dich mit Ehstandsjammer —
dich mit Ehstandsjammer!
Ists nicht schön, ein Nachtmahl essen
hinter Heller Scheibe?
Neichts nicht zu Gourmand-Finessen,
dafür wird dein Gürtel messen
zweimal rund am Leibe —
zweimal rund am Leibe!
Ists nicht schön, die Bettstatt fühlen
nach der Fahrt Strapazen?
Fehlts dir auch an Daunenpfühlen,
wird dir schon die Sohlen kühlen
Mutter Grüns Matratzen —
Mutter Grüns Matratzen I
Ists nicht schön, ein Mädchen lieben
unterm Sternenscheine?
Lat sichs auch schon Zeit vertrieben,
ists doch einmal dein geblieben
heute ganz alleine —
heute ganz alleine!
Aber kannst du gar nix haben,
ei, was hast du Sorgen?
Eh' sie dir sechs Bretter schaben,
wird dich schon ein Träumchen laben
und dir alles borgen —
und dir alles borgen!
Willibald Krain.
*
Infolge der erhöhten . . .
Von Alfred Venter
Lerr Karl Edmund Krause war im höchsten
Zorne. Er knüllte das gesamte vier Blatt
umfassende Exemplar seines Leib- und Magen-
blattes schneeballartig zusammen und warf
es in die Ecke. Aber warum so plötzlich? Kein
Tag verging, ohne daß er lesen mußte: „In-
folge der erhöhten Kosten für ... sehen wir
uns gezwungen..."
Seit zwei Jahren ging dieses Lied nun
hemmungslos durch alle Spalten, lind was
war unterdes aus ihm geworden? Den Ta-
bak hatte er sich längst abgewöhnt bis auf
das Abcndpfeifchen. Seit zwei Monaten ver-
sagte er sich das Bier und drohte schon so
nüchtern und stumpfsinnig zu werden wie ein
amerikanischer Milliardär. Auch die Eisen-
bahn konnte er vermissen. Er war schon früher
der Ansicht, daß ein Baum im Stadtwalde
nicht anders aussehe als einer im Riesen-
gebirge und das Reisen entbehrlich sei.
Zum Barbier kam er schon lange nicht
mehr, im Sommer sah er aus wie ein Wander-
vogel und im Winter ließ er sich von seiner
Wirtschafterin eineKuchenspringsormtheater-
kronenhaft aufs Laupt stülpen und abschneiden,
was drunter hing.
Leute nun hatte er voll Ingrimm lesen
müssen, daß infolge der erhöhten Kosten für ..
auch die Leichenfrau und der Totengräber
wieder derart aufgeschlagen waren, daß das
Sterben fast unerschwinglich geworden war.
Run so eilig hatte ers nicht. „Run gerade
nicht!" knurrte er, „ehe ich mir das bißchen
Sterben verekeln lasse, will ich erst mal richtig
leben und so mancherlei nachholen."
In solcher Stimmung war er früher zu
seinen lieben Neffen und Nichten gegangen,
um sich an deren Jugend aufzufrischen. Aber
die hatten seit einiger Zeit nur geringes
Interesse an ihm; denn die Erbmöglichkeiten
waren durch die Geldentwertung ebenfalls
geringer geworden.
Da faßte er jenen grandiosen Plan, den
normale Menschen gewöhnlich schon 25 Jahre
früher in sich tragen. Er schrieb den ersten
schriftstellerischen Versuch seines Lebens —
ein Leiratsgesuch. Auf der Redaktion er-
fuhr er, daß infolge der erhöhten . . . dieses
Wagnis 1800000Mark verschlang, aber dafür
gingen — es war gerade am Tage vor der
neuen Portoerhöhung — 27 Bewerbungen
für sein Lerz, seine Land und seine Brief-
tasche ein.
So mußte, er .fid) unzählige Male in seinen
Sonntagsanzug werfen, und an der bewußten
Plakatsäule erscheinen.
Die erste, die dort stand, war seine Wirt-
schafterin in leibhaftiger mild lächelnder
Schöne und mit dem bezeichneten blauen
Bändchen am Regenschirm. Es war zwar
ein verschämtes Blau, aber immerhin, sie
stand dort. Sie stotterte was von der Elek-
trischen, die ewig nicht käme, und wenn eine
käme, dann käme eine falsche. Dabei fuhr
sie so selten, wie ein Landpfarrer ins Kino
geht. 39 wäre sie all — so hatte sie ge-
schrieben, — dabei hatte sie vor 15 Jahren
das Mantellied gesungen.
Das war ein guter Anfang, und der Fort-
gang war ähnlich. Die Zweite nahm An-
stoß an seinem Laarschnitt, die nächste wunderte
sich, daß er nicht in Musikcasss verkehrte.
Die Vierte ließ die Sehnsucht nach Nach-
kommenschaft etwas allzu deutlich durch-
blicken, und der Lerzenswunsch der letzten
war ein Logenplatz im Theater wegen zu-
nehmender Schwerhörigkeit.
So sah sich Lerr Karl Edmund Krause
infolge der erhöhten Kosten für . . . ge-
zwungen, seine Leiratspläne aufzugeben.
Er war wieder allein, und trank am Abend
in der Küche seinen 8-Ahr-Lindenblütentee.
Zögernd und mißtrauisch, nur um die Lange-
weile niederzukämpfen, griff er nach der
Zeitung. Was wird heute wieder los sein?
seufzte er. W—a—a—s? Bestattung auf
kommunale Kosten!? — Endlich ein Lichtblick.
Bravo! Wie das die Lebenslust steigert!
Man muß das Dasein nur am richtigen Ende
reformieren. Am selben Tage noch drehte
er entschlossen den Gashahn auf.
And der Gedanke an die langen Gesichter
seiner Verwandten, die die große Gasrech-
nung bezahlen mußten» gewährte ihm die
letzte Freude seines Daseins. . . .
„Wenn du nichts zum Leben hast,
Lump, dann lasse dich begraben!"
Der bekannte Lyriker Maximilian Bern ist
im 74. Lebensjahr buchstäblich verhungert.
Seine Verleger werden um eine Ausrede
nicht „verlegen" sein; sie werden ihn auf
obigen Vers Leines verweisen, der ja gleich-
falls ein deutscher Lyriker war.
Die Charaktervollen
„Die alten, bayrischen Offiziere" haben in
München Rupprecht und andere Exprinzen
angehocht. Die Begrüßungsanrede eines
Majors schloß: Jetzt gilts: „Furchtlos
und treu!"
Wahrscheinlich meinte der wackere Major
damit: „Furchtlos gegenLitlers Drohungen
und treu gegen die Republik, von der wir
unsere Pensionen beziehen." Punktum.
Ein Lichtblick in Deutschlands Dunkel
Kleinrentner Lehmann geht es herzlich
schlecht. Aber er ist die Genügsamkeit selbst.
Eben hat er von Japans Erdbebenunglück
gehört. „Siehst du, Alte", sagt er zu seiner
Frau, „bei uns in Deutschland sind wir ja
auch nicht aus Rosen gebettet, aber Erd-
bebenhaben wir w e n i g st e n s nicht!"
*
Das heutige Frankreich
P o i n c a r €: „Das Prinzip des Selbst-
bestimmungsrechts der Völker geniert uns
nicht, so lange Frankreich die Macht zur
Selbstbestimmung des Anrechts hat." &. Maro.
Der Altersrentner
„Ansereins stirbt bloß deshalb nicht, weil
das Begraben zu teuer ist."