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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 49.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.8266#0319
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„Der «lahre Jacob" erscheint 14 tägig an jedem mg M, Bezugspreis für Deutschland: einzelnummer 40 pf.

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Zeichnung von Willibald Krain

Oie KepuJblik. besieht sich Deutschland

Erstens: Dadurdi, daß man Schönes,
Nettes sowie Angenehmes
In die Reichsverfassung schreibt,
Wird noch nicht ein Deut gebessert
Und ein Stall nicht abgewässert
Und ein Staubloch nicht entstäubt.

Wenn ich mir aus nächster Nähe
Deutschland wieder mal besehe,

Wo l'reund Piefke friedlich wohnt,
Drängt es mich, in kurzen Sätzen
Einiges ihm zu versetzen,

Was zu sagen sich verlohnt.

Du mußt selber Dich bemühen,

Selber mußt am Strang Du ziehen,
Wenn Du vorwärts kommen willst!
Nichts geschieht, wenn Du nur mäkelst.
Wenn Du hinterm Bier Dich rekelst
Und von Weisheit überquillst!

Zweitens, Piefke: Die vier Pfähle
Deines Pferchs, geliebte Seele,
Sind noch lange nicht die Welt!
Hänge, Liebling, Deinen Rüssel
Nicht bloß in die Futterschüssel,
Wenn Dir manches nicht gefällt!

Drittens Piefke: Das Kaleika,

So sich um die Balalaika
Stalins tut, ist nichts für Dich!

Auf der Weide fauler Phrasen
Laß die echten Ochsen grasen —
Und Du bist kein Ochse nich!

Soll der Bau zu gutem Ende
Kommen, rege selbst die Hände,

Fest liegt erst das Fundament!

Plagt Dich Unmut, ei Geselle:

Aller Fehler letzte Quelle
Bist Du selber doch am End!

Rundgang unter sachverständiger Führung

Verschiedenes hatte die Republik sich schon
besehen, als sie zu der Ueberjeugung kam, daß
sür einige Besuche ein Führer angebracht sei.
Aus einer Bank im Berliner Tiergarten ent-
deckte sie schließlich einen jungen Mann, der
scheinbar nichts zu tun hatte, denn er gähnte
mit Ueberzeugung und hatte die Hände bis zu
den Ellbogen in den Hosentaschen. Kurz ent-
schlossen ging sie aus ihn zu.

„Ich bin die Republik!" sagte sie.

.Welche Freude!" sagte der junge Mann,
„ich hatte schon die Hoffnung ausgegeben. Sie
noch in diesem Leben zu Gesicht zu bekommen.
Sie sind's also wirklich ? Ich heiße Müller und
bin Schriftsteller."

„Warum fitzen Sie denn hier aus der
Bank?"

„Weil das Problem, ob der Borer Klemke
besser mit der linken oder mit der rechten Hand
eine Nase zertrümmert, den Leuten heutzutage
wichtiger erscheint, als das Problem einer kul-
turellen Lebenshaltung. Verstehen Sie - auch
Goethe würde, um nicht gerade von Politik zu
reden, auch Goethe würde heutzutage aus dieser
Bank fitzen und gähnen,wcnn er inzwischen nicht
gelernt hätte, seinen Faust in die ansprechende
Form eines Boxkampsberichts zu kleiden."

„Nun,nun—", beschwichtigte dieRcpublik,
„Sic vergessen beim Sport die körperliche Er-
tüchtigung!"

„Nee, ich nicht — das tun die andern",
versetzte der junge Mann lakonisch, „es ist
meinem bescheidenen Geist verwehrt, cinzu
sehen, wie sich 40 000 Menschen körperlich er-

tüchtigen, wenn sie zusehen, wie 22 Mann Fuß-
ball spielen."

„Hm", machte die Republik, „sagen Sie mal,
haben Sie Lust, bei einigen Besuchen mein
Führer zu sein?" Der junge Mann war sosort
einverstanden und erhob sich.

„Geradeheraus gesagt", meinte die Republik,
als sie miteinander durch die Straßen gingen,
„ich hätte Lust, einmal meinen allergrößten
Feind kennen zu lernen. Das ist ja wohlHugen-
berg, der Hauptmacher der monarchistischen
Propaganda."

„Ach wo!" lachte der junge Mann, „halb
so schlimm! Mit Hugcnberg und seiner mon-
archistischen Propaganda ist es so wie mit
Schulze und seinem patentierten Haarwuchs
mittel. Die eine bringt keine Monarchie und

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