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Offener Brief des
„Wahren Jacob" an
Viscount D'Abernon
in London

Dear Sir!

Ueber Ihre treffende Charak-
terisierung des deutschen Volkes
habe ich mich schier kapott ge-
lacht, und aus purem Neid
keimte bei mir der Wunsch, auch
mal so etwas zu schreiben, und
zwar über Ihre Landsleute,
die Engländer.

Ich war aber schon lange
nicht mehr drüben, und deshalb
faffe ich mir das Lerz, Sie auf
brieflichem Wege um einige
Auskünfte zu bitten, die ich zur
Abfassung meines Artikels be-
nötige.

So möchte ich beispielsweise
gerne wiffen, ob die Engländer
immer noch morgens, mittags

.Ich küsse Ihre Hand, Madame. .

Zeichnung von H. T tdmf r

Warum heißt der

Schlager Schlager?
treffen kann!

Weil einen der Schlag

Die Mullahs

englischen Kolonisatoren und
Äandelsherren immer Christus
sagen,wenn sie Kattun meinen?
Ist es wahr, daß beim Unter-
gang eines englischen Pafsa-
gierdampsers die Mannschaft
immer zuerst in die Boote
springen muß?

Sind Ihre ältlichen Mistes
immer noch so knochig und so
indifferent im Gesicht, daß man
lediglich am Sitz der Brosche
erkennen kann, wo vorne und
hinten ist? Darf man immer
nochsagen, daß ihreRedcnichts
ist, als „Oh yes" und daß alles
vom Uebel ist, was darüber? —
Und wie verhält es sich damit:
Ich habe gehört,daß in England
alle Girls nackt herumlausen
müffen und nur ein Scham-
höschen und einen Büsten-
halter tragen?

Das ungefähr, my dear Vis-
count, möchte ich gern von
Ihnen erfahren. Vielleicht
Zeichnung von I a c o b » o Belsen

flmanullah iit von den Mullahs, d. b. den Piaffen .Righamltans, angegriffen worden, ßefagie Mullahs haben iich u. a. darüber
gegiftet, daß die Königin den rituellen Schleier ablegte

In Deutfcbland ift fo was natürlich unmöglich. Der bei uns in frage kommende Schleier ift durch den § 166 hinreichend gefchützt.

und abends blutige Beefsteaks essen half
done Heißt, glaube ich, der technische Aus
druck dafür — und ob sie dabei im Re-
staurant immer noch der alten Gewohnheit
huldigen, die Füße aus den Tisch zu legen?

Der Feldherrnhügel

Zi-lchnung von Richard 2lsio

„Wir sitzen hier gewifiermaßen an hiftorifcher
Stätte, gnädiges Fräulein! In diesem Lokal
ift der große Feldzugsplan gegen die un-
moralische Kunft entworfen worden!“

Ferner, ob sie immer noch den ganzen Tag
diekurze Pfeife im Mund stecken Haben und
denPseisensabber an die Wand oder aus die
Teppiche spucken, wie es die maßgebendsten
Witzblätter seit Jahrzehnten schildern?

Weiter wäre mir intereffant zu er-
fahren, ob die Engländer immer noch
solche Bulldoggsgesichter haben und
so tonnenhaft runde Plumpudding-
bäuche, wie sie die Illustratoren des
„Punch" und der Romane von Dickens
zeichneten. Ist es wahr, daß Ihre
Landsleute den Sir John Falstaff als
Nationalheiligen verehren? Äaben
Sie immer noch so gewaltige Kinn-
backen und Zähne wie Nußknacker?

Stimmt es, daß alle Londoner,
wenn der Äerbstnebel kommt, zu
spinnen anfangen, was man dort
Spleen nennt? Daß Ihre Jugend
die akademische Freiheit als Freiheit
vom Lernen auffaßt, und daß, wie
Or. Peters in seinem Buch schreibt,
infolge der „insularen Borniertheit"
es drüben Bischöfe gibt, die meinen,
Venedig sei eine deuffche Stadr, und
Ladies, die Germany für einen See-
badeort halten?

Ist eg wahr, daß die Engländer
Tag und Nacht damit hinbringen,
neue Liegestühle, Rohrseffel und an-
dere Faulenzermöbel zn ersinnen?

Daß sie egal Whisky trinken und das
starke Ale, weil ihnen das deuffche
Lagerbier zu dünn ist?

Äeißt Ihr oberstes Moralgesetz
immer noch: Right or wrong, my
country? And ist es richtig, daß die

haben Sie sonst noch ein paar olle Ka-
mellen auf Lager, die zum gegenseitigen
Verständnis und zur Annäherung unserer
beiden Nationen dienen können. Ich wäre
ungeheuer dankbar für Aeberlafsung Ihres
kostbaren Materials und zeichne

mit tiefgefühlter Hochachtung
Ihr „Wahrer Jacob".

Eine philosophische Frage

Zeichnung von G. A s b a cd

,Warum malen Sie eigentlich Bilder? €s gibt
doch fo viele zu kaufen!“

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