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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 50.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.8187#0046
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Der Schutzverein vor der Kultur

(Hugenberg hat einen „Schutzverein für die geistigen Güter Deutschlands' ins Leben gerufen, dessen Vorstand fast ausschließlich Militärs und Wirtschafts-
führer angehören.J

Herr Hugenberg, der Herr Verleger Um die Kultur uns zu vermitteln,

Von Girls- und Diva-Magazinen, Hat einen Vorstand er begründet,

Will neuerdings audi etwas reger In dem man Herrn mit stolzen Titeln

Den geistigen Gütern Deutschlands dienen. Aus besseren Familien findet.

Ha, wie die langen Namen glitzern,

Fast hat man Angst, darauf zu treten . .

Wie wimmelt’s hier von Gutsbesitzern,

Von Land-, Finanz- und Hofbauräten . .

Da stehn sie nun mit wohlgeleckter Wie viele Geistes-Interpreten,

Bezeichnung an des Geistes Stufen. Bergassessoren, Grafen, Richter . .

Auch ein Herr Ritterschaftsdirektor Ein einziger Stand ist nicht vertreten:

Fühlt sich für die

Das Chanson

Der Komponist hatte den Auftrag be-
kommen, für den Verleger ein Chanson zu
schreiben. Aber wie es überall Zeiten der
Ebbe gibt, so fiel seinem sonst findigen
Geiste diesmal nichts ein. Jedoch ein
Chanson ist ja nur eine Kleinigkeit, bei
deffen Erfindung man nicht viel denken soll,
und die Hauptsache ist der Refrain. Aber
es hals nichts, nicht ein Satz formte sich in
seinem Kopfe — und er war bekannt dafür,
daß er seine Texte selber schrieb. Nach
vieler Mühe hatte er ein paar Zeilen auf
das Papier geworfen. Es sah so aus:

„Wenn meine Tante keine Kohlen hat,
Äeizt sie mit kleinen Kindern,

Wer Gummi an den Sohlen hat.
Gehört stets zu den Sündern!

Äeidi heida heidallalla,

Keidi heidi heida."

Als er eben mit der Melodie für dieses
Chanson fertig war, fiel ihm ein, daß man
ja beim besten Willen mit kleinen Kindern
nichtheizen könne, und er zerriß das Meister-
werk wieder. Zehn Minuten saß er grübelnd
nach neuen Einfällen vor dem Schreib-

Die Ausnahme

Zeichnung von Fritz Gerstung

„Wenn die Behörden auch dauernd hinter uns
her find, vor einer find wir lieber — vor’m
Wohnungsamt!“

berufen. Es ist der Stand

Wie sollten diese kleinen Schmierer
Denn geistige Werte auch umspannen!
Kultur beginnt beim Wirtschaftsführer,
Wie Menschen beim Major begannen.

Die neue Aeberschuh-Mode

Zeichnung vo» E. Pahliysch

„Wat hat denn die für Regenschirme
an die Beene?"

ttsch. Dann schoß es ihm wie ein
Blitz durch den Kopf:

„Man kann nicht nur in Idealen

finalen.

Statt Seide bringt die Wirklichkeit
sKattun,

Das Fleisch, das man genießt, muß
sman bezahlen.
Das hatmitLiebe keine Spur zu tun."

Dieser Vers gefiel ihm schon bester.
Es war schon eine bestimmte zwei-
deutige Annäherung an die Wirk-
lichkeit, und die Zweideutigkeit wurde
immer etwas geschätzt. A propos
Zweideutigkeit. Darüber könnte man
ja vielleicht auch etwas sagen.

Er zerkaute den Federhalter. Diese
Eigenschaft hatte er noch von der
Quinta her behalten. Beim Zer-
kauen waren ihm bei der lateinischen
Klastenarbeit immer die fehlenden
Vokabeln mit Sicherheit eingefallen.
Llnd auch jetzt fiel ihm ein Sinn
für den Begriff Zweideutigkeit ein.

der deutschen Dichter!

Hans Bauer.

„Einst sprach die Pythia nur Zweideutigkeiten,
Am leicht die Sinne Großer zu verführn.
Es ist davon in unfern heutigen Zeiten
Nicht eine kleine Spur mehr zu verspürn.
Eindeutig ist der Sinn des heutigen Lebens,
Der alte Geist bezieht nur noch Pension,
Änd jede Äerzensregung regt sich nur ver-

sgebens

Teils deplaciert und teils wie Äohn."

Nachdem er sich alle Verse sorgsam durch-
gelesen hatte, kam er zu dem Ergebnis, zu-
nächst einmal einen erheblichen Vorschuß von
seinem Verleger zu holen und dann noch
einmal den Versuch zu machen, seine leichte
Muse zu zähmen. Nachdem er sich rasiert
hatte, fuhr er zum Verleger, der ihn so-
gleich empfing.

„Nun mein Lieber, bringen Sie mir einen
schönen Schlager?"

„Ich möchte erst einen kleinen Vorschuß
haben," sagte der Komponist.

„Ausgeschlosten."

In dem Komponisten sammelte sich eine
ungeheure Wut, die sich augenblicklich wieder
entlud. Den ganzen Tag hatte er gearbeitet
und jetzt verweigerte ihm so ein Scheusal
einen geringen Vorschuß. Hnd er ries:

„Sie haben ohne Geld bei mir nichts
mehr zu lachen, denn ohne Geld tunk ich
nicht mehr die Feder ein!"

Der Verleger sprang auf.

„So ein fabelhafter Refrain war über-
haupt noch nicht da!"

Hnd da sich der Komponist das Staunen
schon lange abgewöhnt hatte, so wunderte
er sich auch nicht, warum er plötzlich drei-
hundert Mark bekam.

Zeichnung v.
S. Siew

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