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„Der «Jahre 'Jacob" erschein* 14 tagt« an jedem mW ^ ^ ^ B» __d. Se-ugspr«ls für Deutschland: kin-elnummer 40 pf.

rwclten Sonnabend. Hlle Postanstalten, Buchband- jggy TRM.M LvU^E IdLuD Rcdaht.: Berlin 8W68,Llndenstr. 3. Verantwort!, f. d.
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und alle Hnnoncen-Expeditlonen. — Verantwortlich für den Inseratenteil: Hlfred 'Jacob, Berlin-Baumschulen weg. — Erfüllungsort: Berlin-piitte,

Daß am zehnten Jahrestage der Wei-
marer Verfassung das Reichsbanner über-
all in Deutschland große Feiern veranstaltet
hat, das hat niemanden gewundert. Daß
aber auch Lerr Lew, Bayerns Minister-
präsident, ein Lob auf die Verfassung aus-
sprechen werde, das erwartete man weniger.
Er hat es also wirklich getan — er lobte
die Verfassung ... er lobte die, die vor
1919 in Deutschland bestand — und als
man ihn fragte, was ihm denn an dem
Weimarer Werk so wenig gefalle, da soll
er gesagt haben: „Ich habe nur die erste
Seite gelesen und da steht etwas von dem
deutschen Volk, das einig in seinen Stämmen
ist — und das gefällt mir nicht, ich bin
Bayer." Und die Kommunisten haben in
Berlin, am Bülowplatz, wo das Reichs-
banner eine große Kundgebung veranstal-
tete, sogar eine Fahne herausgehängt, —
die hing auf Lalbmast für die Toten, mit
denen sie an diesem Tage rechneten . . . .
aber es fanden sich diesmal
keine. Und es haben sogar
welche behauptet, daß des-
wegen die Fahne auf
Lalbmast hing.

*

Die Schwerindustrie ist
in diesem Falle zuverlässi-
ger. Die hat wieder ein-
mal für Tote gesorgt.

Mehr als dreißig Walden-
burger Bergleute sind im
Schacht verbrannt und er-
stickt. Man hat sie aus eine
als explosionsgefährlich be-
kannte Strecke mit Benzin-
lampen geschickt, die darum
Sicherheitslampen heißen,
weil sie bei der geringsten
Beschädigung mit Sicher-
heit giftige Gase zur Ex-
plosion bringen. Das ist,
gelinde gesagt, eine Fahr-
lässigkeit, und die Gruben-
leitung sagt auch selbst, es
sei eine Fahrlässigkeit ge-
wesen — von den Berg-
leuten. Und es fehlt nur
noch, daß die Industrie-
herren erklären, daß die
Leute im Waldenburger
Gebiet '.aus ^ Unachtsamkeit
hungern.

*

Zum fünfzehnten Jahres-
tage des Kriegsausbruchs
ist das besonders zeitgemäß:
wenn nian sich an die
Verantwortungsfreude der
Schwerindustrie, an die
Fahrlässigkeit beim Ver-
schulden von Unglück und
ans Giftgas erinnert. Be-
gleitet von den Loffnungen
der Rüstungsindustrie ste-
hen in der Mandschurei

Chronik der Zeit

die Leere kampfbereit — die Chinesen
haben angefangen, jetzt warten sie, bis
die Russen ansangen . . . und nachher
will natürlich keiner angefangen haben.
Um ihren Friedenswillen zu beweisen,

Warum?

Ossip Serafimowitsdh Schtschagin in
seinem Apostelfeuer rief:

„Siehst du nun ein, fremder Bruder,
daß der Bourgeois der Tod ist und
die Grausamkeit—wir Bolschewisten
aber sind die Liebe, sind das Herz.
Wenn du es einsiehst, fremder Bru-
der : warum reichst du mir nicht die
Hand?”

„Ich kann leider nicht — man hat
sie mir in Moskau abgehauen!”

Roda Roda

Sie sind nicht tot!

Zeichnung von F. Leicht

Man sprach im Haag viel von den Opfern
die „man" im Kriege dargebracht,
darauf mit Zins und Iinseszinsen
hat man die Rechnung aufgemacht.

Nun denn, ihr Opfer unterm Rasen:
Wenn auch der Leib zerfetzt zerfiel,
nicht seid ihr tot, nein, in Prozenten
lebt weiter ihr zu höh'rem Ziel!

scheuen die Russen keine Kosten: etwa 100000
Mann bestausgerüstete Truppen wurden
in Eilzllgen an die Ostgrenze geworfen.
*

Unsere Nationalsozialisten wollen das gar-
nicht erst abwarten. In Schleswig-Lolstein
und in Lüneburg haben sie mit Bomben-
attentaten überzeugend gegen jede Art
von Abrüstung demonstriert. Sie nennen
sowas Bauernkrieg und behaupten, der alte
Florian Geyer im sechzehnten Jahrhundert
habe das genau so gemacht. Was, wie wir
hören, Erwin Piseator, der jetzt in Berlin
wieder ein Theater eröffnet, zu einer Neu-
änszenierung des Lauptmannschen „Florian
Geyer" mit eingelegten Bombendetona-
tionen angeregt hat.

*

Die Bauernkriegsbomben waren übri-
gens in Butter und Margarinekisten ver-
packt — die weithin hörbaren Vor-
gänge, die zu erwarten waren und zum
Teil ja auch stattfanden,
sollten zugleich Reklame
für landwirtschaftlichePro-
dukte sein. Latte die Po-
lizei die Kisten nicht be-
schlagnahmt, dann wären
sie auf der großen Berliner
Reklameschau als Laupt-
attraktion ausgestellt wor-
den. So fehlen sie —- und
man vermißt dort noch an-
dere interessante Beispiele
großzügiger Werbung:
wie Lugenbergs Partei
für Lugenbergs Konzern
und wie Eckener für sein
Luftschiff Reklame macht.
*

Aus dieser Schau wird
Reklame für Reklame ge-
macht — wie es denn dem
modernenKapitalisten über-
haupt weniger darauf an-
kommt, was er macht, als
daß er dafür Reklame
macht. In Berlin gab es
sogar eine Zeit lang schon
Reklame durch den Rund-
funk. Der neue Intendant
hat sie abgeschafft, er ist
überhaupt sehr neuerungs-
süchtig, er will auch den
Kitsch im Sender beseitigen.
And um nun dafür Reklame
zu machen, veranstaltete
er einen Abend „Kunst
und Kitsch" in kräftigen
Gegenüberstellungen. Wo-
raufhin er einen Brief von
einem biederen Lörer er-
halten haben soll, der schrieb:
so einen Abend solle er doch
öfters veranstalten, damit
man von den schönen frü-
heren Programmen doch
hin und wieder noch was
hören könne ... G. — g.

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