,Md wie kam es auf Ihre Land?"
„Ich roch den Dust des heiligen Geistes ... Es duftete
die ganze Nähstube. Lieblicher als wie die Frisierstuben, wenn
sich feine Damen die Laare waschen lassen . . ."
„Ja, aber dann?"
,,3«, und bald darauf wurde ich vom heiligen Geist gebissen.
Und es tat garnicht weh! . . . Goldene Sonnenkronen fielen
in mein Laar. . . Und der himmlische Geist schüttelte meinen
Leib. Da nahm das Jesulein von meinem Arm Besitz . . .
Und jetzt muß ich es wiegen . . . Singen Sie doch auch mit,
schöner schwarzer Lerr!"
„Aber ich seh doch gar kein Jesulein auf ihrem Arm. Das
bilden Sie sich nur ein und . . ."
„Selig sind die, welche nicht sehen und doch glauben."
„Aber meine liebe Maria, warum wollte gerade das Jesulein
auf Ihren Arm zu liegen gekommen sein?"
„Bei Gott ist kein Ding unmöglich!"
Da sah sich der Assistenzarzt auf eine kleine Welle allen
Widerspruchs entkräftigt. Und führte die Kranke in den Saal,
der über dem Dauerbad lag. Warm überschneit stand Bett
an Bett. Eine Manische sprach im Schlaf. 'In der Saalecke
lag die Blitzdichterin Maja, die mit Vitriol gurgelte. Neben
sie hatte man eine siebzigjährige Zeitungsträgerin gebettet, die
sich als Köchin der hemgen Anna ausgab und bei den schla-
fenden Jüngern am Oelberg Zugehstau war.
Maria hielt sich, da die Schwestern sie ins Bett brachten,
von Engeln bedient. Ueberall um sie her gewahrte sie streichelnde
Lände. Der Wasserhahn der Badewanne sang mit ihr zu
ihrer seligen Kunde.
Noch immerzu wiegte sie ihr Jesulein mit Eia Popeia vor
sich her. Die Wände des Saales wurden zu Glas, da sie sitzend
im Bette um sich sah. Aus den Nachtlampen floß Limmelsblut.
Ueber ihrem Laupt bekam die Decke des Raumes ein licht-
gerändertes Loch, von dem aus ein leuchtender Schacht aufstieg —
schnurgerade in den LimMel hinein. Und ein goldener Regen
kam auf sie herab und sie hörte Stimmen. Die riefen wie aus
Posaunen: ,F>eilig, heilig, heilig!" ihr ins Ohr.
Und wie ein Denkmal erhob sie sich aus ihren Kissen und
sang aus ihrer letzten Tiefe über die Betten hin:
„Fürchtet euch nicht,... ich verkünde euch eine große Freude...
Leute Nacht habe ich euch den Leiland geboren... Eia popeia ..!"
Traumschwer hoben sich einige Köpfe empor. Marias Singen
brachte diesen Seelen das Glänzen des Weihnachtsbaumes nah,
den ihre Blicke vor etlichen Stunden aus dem Theatersaal der
Klinik zu sich hinein genommen hatten. Einige hörten wieder
das Larmonium summen, das der Oberarzt der Männerabtei-
lung während der Feier spielte. Und sie sangen leise mit...
Und da die Schwester Olga besorgt durch den Saal huschte,
wurde das Weiße ihrer Laube zu wehenden Engelsflügeln.
Wind ging durch die Fenster. . . Alle empfanden den Duft
von Weihrauch und Myrrhe. Es war, als wäre der Kranken-
saal zu einem Lochaltar emporgewachsen ....
Eine Lysterische sprang aus dem Bett und ries: „Schaut in
den Limmel, da fehlt eine Person der Leiligen Drerfaltigkeit..!"
„Ja, sie sitzt auf meinem Arm . . . !"
„Und auch auf meinem . . . !"
„Alle sollten aufftehen und vor Gottes Thron gehen ...!"
„Laßt uns das Kindlein wie-iegen . . ."
„Das Lerz zum Kripplein bie-iegen . . ."
Und das Singen und Summen wuchs zum Choral an. Alle
küßten sich die Lände, auf denen die Jesulein lagen ... Einige
legten ihm ihre rotbackigen Aepfel hin, andere wollten ihr
Knäblein mit Bromtabletten ernähren ... Und die Blitzdichterin
zerriß ihr Laken, um Windeln für das heilige Kind zu haben ...
Das losgelöste Schreien ging durch die Wände und wurde
alsbald auch von den Insassen der anderen Säle ausgenommen.
Das Iesuknäblein schwebte durch die verschlossenen Türen ...
bis ins Toben des Dauerbads hinunter. „Induziertes Irresein"
diagnostizierte der Assistenzarzt atemlos vor sich hin.
Die Schwestern rannten mit Kompressen von Bett zu Bett.
Man gab Maximaldosen, aber nichts half. Es gab nichts, das
hier noch helfen wollte. Es wurde vergessen, die Türen
hinter sich abzuschließen . . . Und die Kranken durchliefen die
Säle wie D-Züge . . .
Eine Patientin war so über die Geschlechtsachse des Laufes
in die Männerabteilung gelangt, wo sie vor dem Saal mit den
Paranoikern die Geburt des Erdensohnes auf ihrem Arm
verkündete.
Worauf ein manischer Oberlehrer mit gröhlender Stimme
die Wiederkehr des Reiches Gottes verhieß.
Es war Morgen geworden, bis es den Aerzten und dem Pflege-
personal gelang, die von der Schneiderin Maria beeinflußten
Kranken in einzelnen Räumen fju isolieren. Maria fand man
mit glasigen Augen auf den Stufen zum Leizraum sitzend, da
der Morgen schon über den frischgepulverten Schnee an die
Fenster kam.
Gerettet!
Zeichnung von R i ch « r d s i c
„wenn es nickt dieÄJbitman-Syncopators wären, die diefeUleihnachts*
lieder als Jazz spielten, würde einem das ganze Zeug doch reicklick
fad Vorkommen!“
Von allen übrigen Kranken war von Stunde zu Stunde immer
mehr das Jesulein vom wiegenden Arm abgeglitten und vergessen
worden. Maria aber fühlte die gewichtlose Fracht auch den Tag
über noch auf ihre Land gesetzt. Sie gab ihm Süppchen und
Brot und winkte und lachte mit ihm.
Nachmittags bekam Maria Besuch. Sie sagte zur Pflegerin, daß
es der Engel des Lerrn sein werde oder die drei heiligen Könige.
Aber vor der Tür stand der Buchbinder vom vierten Stock, der
mit der Schneiderin Maria Zimmer an Zimmer gewohnt hatte.
Vom Wachtmeister hatte er über die Geliebte alles erfahren.
Jetzt drehte er den Rand seines Lutes zwischen den Fingern
hin und her und fand kein Wort, das er ihr hätte sagen können.
Aus der Tasche zog er eine lackierte Laarspange, ein Brenneisen
und ein Paar Schuhlitzen.
Sie aber streichelte sein Laar und hob ihre Lippen nahe an sein Ohr:
„Ans ist ein Kindlein geboren . . .! "
Da lächelte er wie einer, der noch an Wunder glauben kann und
ttat für einen Augenblick lang in den Bann ihrer wirren Freuden.
And so, daß er voll Gnade und Demut nach ihrem Munde suchte,
der halb küssend, halb singend in ihn hinein summte:
,^a-aßt uns das Kindlein wiegen . .
And dann wie aus einer anderen Welt:
„Es ist nicht dein, es ist nicht mein-
Es ist das goldene Jesulein . . .
Eia popeia . . .!"
And schon schritt Maria in ihre Kammer zurück. And er
nahm voll Wehmut wie Christbaumschmuck die silbernen Fäden
einer heimlichen Freude von seiner Seele ab . . .
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„Ich roch den Dust des heiligen Geistes ... Es duftete
die ganze Nähstube. Lieblicher als wie die Frisierstuben, wenn
sich feine Damen die Laare waschen lassen . . ."
„Ja, aber dann?"
,,3«, und bald darauf wurde ich vom heiligen Geist gebissen.
Und es tat garnicht weh! . . . Goldene Sonnenkronen fielen
in mein Laar. . . Und der himmlische Geist schüttelte meinen
Leib. Da nahm das Jesulein von meinem Arm Besitz . . .
Und jetzt muß ich es wiegen . . . Singen Sie doch auch mit,
schöner schwarzer Lerr!"
„Aber ich seh doch gar kein Jesulein auf ihrem Arm. Das
bilden Sie sich nur ein und . . ."
„Selig sind die, welche nicht sehen und doch glauben."
„Aber meine liebe Maria, warum wollte gerade das Jesulein
auf Ihren Arm zu liegen gekommen sein?"
„Bei Gott ist kein Ding unmöglich!"
Da sah sich der Assistenzarzt auf eine kleine Welle allen
Widerspruchs entkräftigt. Und führte die Kranke in den Saal,
der über dem Dauerbad lag. Warm überschneit stand Bett
an Bett. Eine Manische sprach im Schlaf. 'In der Saalecke
lag die Blitzdichterin Maja, die mit Vitriol gurgelte. Neben
sie hatte man eine siebzigjährige Zeitungsträgerin gebettet, die
sich als Köchin der hemgen Anna ausgab und bei den schla-
fenden Jüngern am Oelberg Zugehstau war.
Maria hielt sich, da die Schwestern sie ins Bett brachten,
von Engeln bedient. Ueberall um sie her gewahrte sie streichelnde
Lände. Der Wasserhahn der Badewanne sang mit ihr zu
ihrer seligen Kunde.
Noch immerzu wiegte sie ihr Jesulein mit Eia Popeia vor
sich her. Die Wände des Saales wurden zu Glas, da sie sitzend
im Bette um sich sah. Aus den Nachtlampen floß Limmelsblut.
Ueber ihrem Laupt bekam die Decke des Raumes ein licht-
gerändertes Loch, von dem aus ein leuchtender Schacht aufstieg —
schnurgerade in den LimMel hinein. Und ein goldener Regen
kam auf sie herab und sie hörte Stimmen. Die riefen wie aus
Posaunen: ,F>eilig, heilig, heilig!" ihr ins Ohr.
Und wie ein Denkmal erhob sie sich aus ihren Kissen und
sang aus ihrer letzten Tiefe über die Betten hin:
„Fürchtet euch nicht,... ich verkünde euch eine große Freude...
Leute Nacht habe ich euch den Leiland geboren... Eia popeia ..!"
Traumschwer hoben sich einige Köpfe empor. Marias Singen
brachte diesen Seelen das Glänzen des Weihnachtsbaumes nah,
den ihre Blicke vor etlichen Stunden aus dem Theatersaal der
Klinik zu sich hinein genommen hatten. Einige hörten wieder
das Larmonium summen, das der Oberarzt der Männerabtei-
lung während der Feier spielte. Und sie sangen leise mit...
Und da die Schwester Olga besorgt durch den Saal huschte,
wurde das Weiße ihrer Laube zu wehenden Engelsflügeln.
Wind ging durch die Fenster. . . Alle empfanden den Duft
von Weihrauch und Myrrhe. Es war, als wäre der Kranken-
saal zu einem Lochaltar emporgewachsen ....
Eine Lysterische sprang aus dem Bett und ries: „Schaut in
den Limmel, da fehlt eine Person der Leiligen Drerfaltigkeit..!"
„Ja, sie sitzt auf meinem Arm . . . !"
„Und auch auf meinem . . . !"
„Alle sollten aufftehen und vor Gottes Thron gehen ...!"
„Laßt uns das Kindlein wie-iegen . . ."
„Das Lerz zum Kripplein bie-iegen . . ."
Und das Singen und Summen wuchs zum Choral an. Alle
küßten sich die Lände, auf denen die Jesulein lagen ... Einige
legten ihm ihre rotbackigen Aepfel hin, andere wollten ihr
Knäblein mit Bromtabletten ernähren ... Und die Blitzdichterin
zerriß ihr Laken, um Windeln für das heilige Kind zu haben ...
Das losgelöste Schreien ging durch die Wände und wurde
alsbald auch von den Insassen der anderen Säle ausgenommen.
Das Iesuknäblein schwebte durch die verschlossenen Türen ...
bis ins Toben des Dauerbads hinunter. „Induziertes Irresein"
diagnostizierte der Assistenzarzt atemlos vor sich hin.
Die Schwestern rannten mit Kompressen von Bett zu Bett.
Man gab Maximaldosen, aber nichts half. Es gab nichts, das
hier noch helfen wollte. Es wurde vergessen, die Türen
hinter sich abzuschließen . . . Und die Kranken durchliefen die
Säle wie D-Züge . . .
Eine Patientin war so über die Geschlechtsachse des Laufes
in die Männerabteilung gelangt, wo sie vor dem Saal mit den
Paranoikern die Geburt des Erdensohnes auf ihrem Arm
verkündete.
Worauf ein manischer Oberlehrer mit gröhlender Stimme
die Wiederkehr des Reiches Gottes verhieß.
Es war Morgen geworden, bis es den Aerzten und dem Pflege-
personal gelang, die von der Schneiderin Maria beeinflußten
Kranken in einzelnen Räumen fju isolieren. Maria fand man
mit glasigen Augen auf den Stufen zum Leizraum sitzend, da
der Morgen schon über den frischgepulverten Schnee an die
Fenster kam.
Gerettet!
Zeichnung von R i ch « r d s i c
„wenn es nickt dieÄJbitman-Syncopators wären, die diefeUleihnachts*
lieder als Jazz spielten, würde einem das ganze Zeug doch reicklick
fad Vorkommen!“
Von allen übrigen Kranken war von Stunde zu Stunde immer
mehr das Jesulein vom wiegenden Arm abgeglitten und vergessen
worden. Maria aber fühlte die gewichtlose Fracht auch den Tag
über noch auf ihre Land gesetzt. Sie gab ihm Süppchen und
Brot und winkte und lachte mit ihm.
Nachmittags bekam Maria Besuch. Sie sagte zur Pflegerin, daß
es der Engel des Lerrn sein werde oder die drei heiligen Könige.
Aber vor der Tür stand der Buchbinder vom vierten Stock, der
mit der Schneiderin Maria Zimmer an Zimmer gewohnt hatte.
Vom Wachtmeister hatte er über die Geliebte alles erfahren.
Jetzt drehte er den Rand seines Lutes zwischen den Fingern
hin und her und fand kein Wort, das er ihr hätte sagen können.
Aus der Tasche zog er eine lackierte Laarspange, ein Brenneisen
und ein Paar Schuhlitzen.
Sie aber streichelte sein Laar und hob ihre Lippen nahe an sein Ohr:
„Ans ist ein Kindlein geboren . . .! "
Da lächelte er wie einer, der noch an Wunder glauben kann und
ttat für einen Augenblick lang in den Bann ihrer wirren Freuden.
And so, daß er voll Gnade und Demut nach ihrem Munde suchte,
der halb küssend, halb singend in ihn hinein summte:
,^a-aßt uns das Kindlein wiegen . .
And dann wie aus einer anderen Welt:
„Es ist nicht dein, es ist nicht mein-
Es ist das goldene Jesulein . . .
Eia popeia . . .!"
And schon schritt Maria in ihre Kammer zurück. And er
nahm voll Wehmut wie Christbaumschmuck die silbernen Fäden
einer heimlichen Freude von seiner Seele ab . . .
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