Zeichnung von K. Stoye
fl/ino Her /firiwArl
Immer ehrlich Zeidinung von Hermann Grotb
„Sagen Sie, ist hier eben ein Herr mit einer viereckigen Horn-
brille hineingegangen?“ — „Jawohl, meine Dame! Aber wenn
einer fragt, soll ich sagen, ich hätte ihn nicht gesehen!“
— 8°C
„Ein sehr guter Ofen soll das sein! Durch jahrelangen
Gebrauch trainiert auf Kälte! Und wenn wir nun noch die
Kohlenrechnungen kriegen, wird uns schon warm werden 1"
Das goldene Zeitalter / Von Herbert Schttdknecht
Es begab sich um die Zeit, da Schieberei
und Wucher, Gaunerei tmd Betrug, Ver-
brechen und Laster in höchster Blüte standen,
daß ein Mann in härenem Gewände und
mit langen Kaaren durch das Land ging uitd
überall in den Städten auf den öffentlichen
Plätzen vor dem Volk redete.
Die Kunde von dem Auftreten dieses Man-
nes verbreitete sich in die fernsten Dörfer,
und immer zahlreicher wurde die Schar der
Zuhörer, die er fand; denn die Macht in
dieses Mannes Rede war gewaltig und zu
Kerzen gehend. Die Rede aber war zugleich
so einfach, daß niemand, der sie hörte, be-
griff, daß er cs nicht schon längst begriffen
hatte. Die Rede besagte nichts weiter als:
Kinder, seid friedlich miteinander! Wer
weiß, ob ihr euch wiederseht I
Sie besagte nichts anderes als das alte
Sprichwort: Was du nicht willst, das man
dir tu', das füg' auch keinem andern zu!
Es war das, was Christus vor 2000 Jahren
bereits gesagt und was Kant mit seinem
kategorischen Imperativ gemeint hatte. Der
Unterschied war nur der, daß diesmal die Menschen die Stimme
hörten, die sie zum Guten rief.
Wer diesem Mann einmal zuhörte, der konnte fortan nichts
anderes als über alle Maßen gut sein. Die härtesten Verbrecher
weinten, gingen hin und zeigten ihre Miffetaten an. Die Finanz-
ämter wurden überlaufen von Leuten, die ihre hinterzogenen
Steuern abliefern wollten. Die Gläubiger wußten sich vor
Zahlungseingängen nicht zu retten. Gestohlenes Gut wurde
maffenweise mit der Post an die Eigentümer zurückgesandt.
Es gab zuletzt niemand mehr, der überhaupt noch den Versuch
machte, sich irgendeinen Vorteil zu verschaffen oder mit einem
andern um ein Gut zu streiten. Jeder bemühte
sich, dem Nächsten zu dienen. Trotzdem gedieh
ihm alles beffer denn zuvor. Aus jeglicher
Arbeit erwuchs ein voller Segen. Niemand
hungerte, niemand ging nackt.
Das goldene Zeitalter war angebrochen.
Die nächste Folge war, daß die Rechts-
anwälte waggonivcise verhungerten. Richter
und Staatsanwälte verblödeten vor Langcr-
Iveile. Die Parlamente wurden überflüssig,
weil Gesetze plötzlich überhaupt nicht mehr
gebraucht wurden.
Die Zeitungen brachten nur noch Wetter-
berichte und Sportnachrichten. Die Behör-
den schloffen ihre Kanzleien und die Staats-
beamten gingen spazieren.
Die Polizisten legten sich mittags in den
Grünanlagen schlafen.
Kurz, alle, die sich bisher mit der Wahrung
des Rechts und der Abwehr des Anrechts
befaßt hatten, fanden plötzlich nichts mehr
zu tun. Die Regierung beschäftigte sich nur
noch niit Statistiken.
Nachdem der Zustand zwei Jahre gedauert
hatte, sah die Regierung ein, daß etwas getan werden mußte,
wollte sie nicht mit ihrem ganzen Apparat der Lächerlichkeit
anheimfallen.
Die Idee des Staates drohte zu zerfallen. Es war eine furcht-
bare Krise. Es gab nur ein Mittel, den Staat zu retten. Es gab
nur eine Möglichkeit, das Vorhandensein einer Negierung und
einer Verwaltung zu rechtfertigen, und eine Regierungsbcsprc-
chung ergab den Beschluß hierzu. Das Verbrechen mußte wieder
eingeführt werden. Nur der Verbrecher war in der Lage, dem
Staatsgedanken wieder Geltung zu verschaffen.
(Fortsetzung Seite 14)
Flor Fina
„Ihren Waffenschein, bitte!“ —
„Wieso? Wozu Waffenschein?“ —
„Für die Zigarre brauchen Sie einen
Waffenschein!“
12
fl/ino Her /firiwArl
Immer ehrlich Zeidinung von Hermann Grotb
„Sagen Sie, ist hier eben ein Herr mit einer viereckigen Horn-
brille hineingegangen?“ — „Jawohl, meine Dame! Aber wenn
einer fragt, soll ich sagen, ich hätte ihn nicht gesehen!“
— 8°C
„Ein sehr guter Ofen soll das sein! Durch jahrelangen
Gebrauch trainiert auf Kälte! Und wenn wir nun noch die
Kohlenrechnungen kriegen, wird uns schon warm werden 1"
Das goldene Zeitalter / Von Herbert Schttdknecht
Es begab sich um die Zeit, da Schieberei
und Wucher, Gaunerei tmd Betrug, Ver-
brechen und Laster in höchster Blüte standen,
daß ein Mann in härenem Gewände und
mit langen Kaaren durch das Land ging uitd
überall in den Städten auf den öffentlichen
Plätzen vor dem Volk redete.
Die Kunde von dem Auftreten dieses Man-
nes verbreitete sich in die fernsten Dörfer,
und immer zahlreicher wurde die Schar der
Zuhörer, die er fand; denn die Macht in
dieses Mannes Rede war gewaltig und zu
Kerzen gehend. Die Rede aber war zugleich
so einfach, daß niemand, der sie hörte, be-
griff, daß er cs nicht schon längst begriffen
hatte. Die Rede besagte nichts weiter als:
Kinder, seid friedlich miteinander! Wer
weiß, ob ihr euch wiederseht I
Sie besagte nichts anderes als das alte
Sprichwort: Was du nicht willst, das man
dir tu', das füg' auch keinem andern zu!
Es war das, was Christus vor 2000 Jahren
bereits gesagt und was Kant mit seinem
kategorischen Imperativ gemeint hatte. Der
Unterschied war nur der, daß diesmal die Menschen die Stimme
hörten, die sie zum Guten rief.
Wer diesem Mann einmal zuhörte, der konnte fortan nichts
anderes als über alle Maßen gut sein. Die härtesten Verbrecher
weinten, gingen hin und zeigten ihre Miffetaten an. Die Finanz-
ämter wurden überlaufen von Leuten, die ihre hinterzogenen
Steuern abliefern wollten. Die Gläubiger wußten sich vor
Zahlungseingängen nicht zu retten. Gestohlenes Gut wurde
maffenweise mit der Post an die Eigentümer zurückgesandt.
Es gab zuletzt niemand mehr, der überhaupt noch den Versuch
machte, sich irgendeinen Vorteil zu verschaffen oder mit einem
andern um ein Gut zu streiten. Jeder bemühte
sich, dem Nächsten zu dienen. Trotzdem gedieh
ihm alles beffer denn zuvor. Aus jeglicher
Arbeit erwuchs ein voller Segen. Niemand
hungerte, niemand ging nackt.
Das goldene Zeitalter war angebrochen.
Die nächste Folge war, daß die Rechts-
anwälte waggonivcise verhungerten. Richter
und Staatsanwälte verblödeten vor Langcr-
Iveile. Die Parlamente wurden überflüssig,
weil Gesetze plötzlich überhaupt nicht mehr
gebraucht wurden.
Die Zeitungen brachten nur noch Wetter-
berichte und Sportnachrichten. Die Behör-
den schloffen ihre Kanzleien und die Staats-
beamten gingen spazieren.
Die Polizisten legten sich mittags in den
Grünanlagen schlafen.
Kurz, alle, die sich bisher mit der Wahrung
des Rechts und der Abwehr des Anrechts
befaßt hatten, fanden plötzlich nichts mehr
zu tun. Die Regierung beschäftigte sich nur
noch niit Statistiken.
Nachdem der Zustand zwei Jahre gedauert
hatte, sah die Regierung ein, daß etwas getan werden mußte,
wollte sie nicht mit ihrem ganzen Apparat der Lächerlichkeit
anheimfallen.
Die Idee des Staates drohte zu zerfallen. Es war eine furcht-
bare Krise. Es gab nur ein Mittel, den Staat zu retten. Es gab
nur eine Möglichkeit, das Vorhandensein einer Negierung und
einer Verwaltung zu rechtfertigen, und eine Regierungsbcsprc-
chung ergab den Beschluß hierzu. Das Verbrechen mußte wieder
eingeführt werden. Nur der Verbrecher war in der Lage, dem
Staatsgedanken wieder Geltung zu verschaffen.
(Fortsetzung Seite 14)
Flor Fina
„Ihren Waffenschein, bitte!“ —
„Wieso? Wozu Waffenschein?“ —
„Für die Zigarre brauchen Sie einen
Waffenschein!“
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