Die beiden Lichter
In der ersten Etage, Vorderhaus,
Aufgang für Lerrschaften, brannte
eine elegante Lampe.
Sie war wirklich sehr schön. Opal-
glas deckte die Glühkörper, und
Bronceverzierungen unterbrachen
stilvoll die grünliche Färbung des
Glases.
Die Lampe >var stolz. Stolz wie
eine Schönheit, die kalt und
fremd ist. Zn der vierten Etage
im Linterhause brannte auf dem
Korridor ein Talglicht. Dieses
Talglicht wurde entzündet, wenn
die Frauen ihre Männer erwar-
teten, die von schwerer Arbeit
kamen und sich auf die Familie
freuten.
Alles Irdische aber ist vergänglich.
And so kam es, daß das kleine
Talglicht ausgebrannt war.
And die schöne stolze Lampe wurde
durch die Anvorsichtigkeit des
Putzers zerstört, sodaß sie in
Scherben am Boden lag.
Beide Lichtverbreiter fanden sich
an einem Abend im Mülleimer.
Zeichnung von Richard A s i r
„Hebsiehoch!“— „Nein, zieh’ du siehoch!“ — „Kinder,
streite! euch nicht, hochnehmen werde ich euch!“
„Sieh da. Euer Gnaden," begann
der Talglichtstumpf, „zur Ruhe
gesetzt?"
„Ich habe einen Anfall erlitten,"
sagte die Lampe.
And man unterhielt sich weiter
über das ach so schöne Leben.
„Ich habe viel Freude gehabt,"
meinte das Talglicht.
„Wie kannst du von Freude reden!
Im Hinterhaus? Daß ich nicht
lache! Ich habe stolze Freude
empfunden, als ich die Gesichter
vornehmer Menschen beschienen
habe!"
„Ich aber habe das stille Glück
vieler armer Menschen gesehen!
And da brannte ich nochmal so
hell. Weißt du denn überhaupt,
wo Glanz ist? In den Gesichtem
der Menschen, die arbeiten und
glücklich sind!"
„Ich verbitte mir, von Ihnen ge-
duzt zu werden," sagte die Lampe
und widmete sich der gebildeten
Anterhaltung mit einem löchrigen
Seidenstrumpf, der gleichfalls im
Müllkasten gelandet war.
Briefkasten des „Wahren Jacob**
Reichsbahn, Nordhausen. __
Die Bezeichnung Ihrer Tätigkeit als „Streckenarbeiter" paßt
Ihnen nicht? Freuen Sie sich, daß Sie vollbeschäftigt und nicht
Kurzarbeiter oder „Teilstrecken-Arbeiter" sind. Da Sie indessen
durch Ihre Arbeit zum ruhigen Gang der Eisenbahnzüge und
zur wohligen Fahrt der Reisenden beitragen, könnten Sie
sich vielleicht als Wohlfahrts-Pfleger bezeichnen.
Tschurtschenthaler, Innsbruck.
Auch in Deutschland fällt die neuerliche politische^Hetzcrei
Seipels allen Gutgesinnten auf die Nerven. Die Frage ist
nur: ward er geschoben oder Schob er?
Lein Snuut, Bremen.
Es ist allerdings gebräuchlich, in gehobener Sprache das mensch-
liche Leben mit einem im Sturm kämpfenden Schiff zu ver-
gleichen. Somit hätte die von Ihnen beanstandete Wendung
„Kap Horn des Lebens" sehr wohl einen Sinn. Ich muß Sie
aber darauf aufmerksam machen, daß das Kap Horn zwar
von Seefahrern sehr gefürchtet wird, aber durchaus nicht das
gefährlichste Kap ist. Diesen Namen verdient vielmehr das von
dem Forscher Karl Marx entdeckte „Kap Ital", von dem
Sie sicher schon
gehört haben.
Zeichnung von Kurt H iigclow
„Du bist ja erstaunlich trinkfest, Mädel!“
„Ja ich war voriges Jahr bei meinem Onkel
in Amerika!“
Entrüsteter, Hamburg.
Vorsicht mit Zitaten aus „Götz von
Berlichingen" in Ihrer Beschwerde
an das Finanzamt. Der Ritter mit
der eisernen Faust würde, lebte er noch,
Ihnen sicher Vorsingen: „Zitieren
kannst du alles von mir, nur das
eine nicht!"
Fritz Schulze, Leipzig.
Wenn in Ihrer Ausgabe des „König
Lear" der Druckfehlerteufel einen
„Winter des Missvergnügens" bringt,
so brauchen Sie daraus nicht voreilige
Schlüffe auf des Königs feindselige
Einstellung dem Wintersport gegenüber
zu ziehen. Im übrigen heißt es richtig
„Mißvergnügen" und nicht, wie Sie
annehmen, „Miß Vergnügen": Lear
war kein Jüngling mehr!
Brutus, Lolzminden.
Sie haben recht: die im Aufträge
Mussolinis und seiner Lockspitzel tä-
tigen Polizisten in Paris und Genf
haben sich schön blamiert: „Wo ist der
Dichter des Dramas „Fiasko oder
die Verschwörung zu Genf?"
Funker, Breslau.
Der stärkste uns bekannte Kurzwellen-
sender ist die Nordsee. Die Wellen des
Ozeans sind länger, breiter und höher.
Zeichnung von Erna V i g n a
Faschings Kehrseite
„Dem Kleinen gibst du ’n Schluck Schnaps,
dann schläft er wie gewiegt zwischen den
Tischbeinen!“
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In der ersten Etage, Vorderhaus,
Aufgang für Lerrschaften, brannte
eine elegante Lampe.
Sie war wirklich sehr schön. Opal-
glas deckte die Glühkörper, und
Bronceverzierungen unterbrachen
stilvoll die grünliche Färbung des
Glases.
Die Lampe >var stolz. Stolz wie
eine Schönheit, die kalt und
fremd ist. Zn der vierten Etage
im Linterhause brannte auf dem
Korridor ein Talglicht. Dieses
Talglicht wurde entzündet, wenn
die Frauen ihre Männer erwar-
teten, die von schwerer Arbeit
kamen und sich auf die Familie
freuten.
Alles Irdische aber ist vergänglich.
And so kam es, daß das kleine
Talglicht ausgebrannt war.
And die schöne stolze Lampe wurde
durch die Anvorsichtigkeit des
Putzers zerstört, sodaß sie in
Scherben am Boden lag.
Beide Lichtverbreiter fanden sich
an einem Abend im Mülleimer.
Zeichnung von Richard A s i r
„Hebsiehoch!“— „Nein, zieh’ du siehoch!“ — „Kinder,
streite! euch nicht, hochnehmen werde ich euch!“
„Sieh da. Euer Gnaden," begann
der Talglichtstumpf, „zur Ruhe
gesetzt?"
„Ich habe einen Anfall erlitten,"
sagte die Lampe.
And man unterhielt sich weiter
über das ach so schöne Leben.
„Ich habe viel Freude gehabt,"
meinte das Talglicht.
„Wie kannst du von Freude reden!
Im Hinterhaus? Daß ich nicht
lache! Ich habe stolze Freude
empfunden, als ich die Gesichter
vornehmer Menschen beschienen
habe!"
„Ich aber habe das stille Glück
vieler armer Menschen gesehen!
And da brannte ich nochmal so
hell. Weißt du denn überhaupt,
wo Glanz ist? In den Gesichtem
der Menschen, die arbeiten und
glücklich sind!"
„Ich verbitte mir, von Ihnen ge-
duzt zu werden," sagte die Lampe
und widmete sich der gebildeten
Anterhaltung mit einem löchrigen
Seidenstrumpf, der gleichfalls im
Müllkasten gelandet war.
Briefkasten des „Wahren Jacob**
Reichsbahn, Nordhausen. __
Die Bezeichnung Ihrer Tätigkeit als „Streckenarbeiter" paßt
Ihnen nicht? Freuen Sie sich, daß Sie vollbeschäftigt und nicht
Kurzarbeiter oder „Teilstrecken-Arbeiter" sind. Da Sie indessen
durch Ihre Arbeit zum ruhigen Gang der Eisenbahnzüge und
zur wohligen Fahrt der Reisenden beitragen, könnten Sie
sich vielleicht als Wohlfahrts-Pfleger bezeichnen.
Tschurtschenthaler, Innsbruck.
Auch in Deutschland fällt die neuerliche politische^Hetzcrei
Seipels allen Gutgesinnten auf die Nerven. Die Frage ist
nur: ward er geschoben oder Schob er?
Lein Snuut, Bremen.
Es ist allerdings gebräuchlich, in gehobener Sprache das mensch-
liche Leben mit einem im Sturm kämpfenden Schiff zu ver-
gleichen. Somit hätte die von Ihnen beanstandete Wendung
„Kap Horn des Lebens" sehr wohl einen Sinn. Ich muß Sie
aber darauf aufmerksam machen, daß das Kap Horn zwar
von Seefahrern sehr gefürchtet wird, aber durchaus nicht das
gefährlichste Kap ist. Diesen Namen verdient vielmehr das von
dem Forscher Karl Marx entdeckte „Kap Ital", von dem
Sie sicher schon
gehört haben.
Zeichnung von Kurt H iigclow
„Du bist ja erstaunlich trinkfest, Mädel!“
„Ja ich war voriges Jahr bei meinem Onkel
in Amerika!“
Entrüsteter, Hamburg.
Vorsicht mit Zitaten aus „Götz von
Berlichingen" in Ihrer Beschwerde
an das Finanzamt. Der Ritter mit
der eisernen Faust würde, lebte er noch,
Ihnen sicher Vorsingen: „Zitieren
kannst du alles von mir, nur das
eine nicht!"
Fritz Schulze, Leipzig.
Wenn in Ihrer Ausgabe des „König
Lear" der Druckfehlerteufel einen
„Winter des Missvergnügens" bringt,
so brauchen Sie daraus nicht voreilige
Schlüffe auf des Königs feindselige
Einstellung dem Wintersport gegenüber
zu ziehen. Im übrigen heißt es richtig
„Mißvergnügen" und nicht, wie Sie
annehmen, „Miß Vergnügen": Lear
war kein Jüngling mehr!
Brutus, Lolzminden.
Sie haben recht: die im Aufträge
Mussolinis und seiner Lockspitzel tä-
tigen Polizisten in Paris und Genf
haben sich schön blamiert: „Wo ist der
Dichter des Dramas „Fiasko oder
die Verschwörung zu Genf?"
Funker, Breslau.
Der stärkste uns bekannte Kurzwellen-
sender ist die Nordsee. Die Wellen des
Ozeans sind länger, breiter und höher.
Zeichnung von Erna V i g n a
Faschings Kehrseite
„Dem Kleinen gibst du ’n Schluck Schnaps,
dann schläft er wie gewiegt zwischen den
Tischbeinen!“
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