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Also seines Brotes beraubt,
kam dieser Mensch, ein langer,
hochfahrender Geselle mit selt-
sam leerem Gesichtsausdruck,
nach Schilda. And was kein
Verständiger für möglich ge-
halten hätte: dieser Mann ward
schildbürgerlicher als ein Schild-
bürger selbst und wurde von
einem humorvollen Schicksal
ausersehen, dem schildbürger-
lichen Gefühlsleben einen neuen
starken Auftrieb zu geben. Er
betrachtete sich die beiden großen,
sich feindlich gegenüberstehcnden
Parteien — die große Schilda-
Liebe auf der einen Seite und
die Armen mit ihren Enteig-
nungsabsichten auf der anderen,
dann rieb er sich die nicht sehr
bedeutende Nase und sagte:

„Zwiebel ist schön und Schokolade ist schön: — wie schön
muß erst Zwiebel mit Schokolade sein! Wenn ich also die
nationale Schilda-Liebe und den Sozialismus zusammentue,
dann laufen mir die Anhänger beider nach. And wenn ich
dann noch auf das Wohlleben einiger jüdischer Ländler
weise, dann bekommen die Enteignungsabsichtcn ein Ziel,
das dem Wohlleben der echten, rassereinen Schildbürger
niemals Abbruch tun wird . . . !" Gesagt, getan: Sn jedem
anderen Lande hätten die Leute Lurra geschrieen vor aus-
gelassener Leiterkeit über diesen Blödsinn, und der Manu,
der ihn verzapft hätte, wäre zu dem geworden, was er
seiner eigentlichen Bestimmung nach auch war — zu einer
komischen Figur. Aber die Geschichte spielt eben in Schilda —
das erklärt alles! Johann Podudl hielt Reden an das
Volk und prägte den Satz „Schilda erwache!", womit er
in jedem Einwohner das eigent-
lich Schildbürgerliche zu wo-
möglich noch regerem Leben
erwecken und den klaren Ver-
stand zu Bett schicken wollte.

Ein dankbares Beginnen tn
Schilda . . . ! Die Schildaer
strömten ihm zu.

Ach, wie wohl fühlen wir uns
heute, in der ruhigen Geborgen-
heit unseres beispiellosen kul-
turellen Aufstiegs, und wie
dankbar und amüsiert können
wir die Köpfe schütteln, wenn
wir hören, daß damals im
grauen Mittelalter ein mit be-
schränktem Wissen ansgestatteter
Mensch mit Lilfe eines Backe-
backekuchen-Rezeptes von fünf
schallend-hohlen Redensarten
eine halbe Stadt begeisterte.

„Sch werde euer Reich innen

Zeichnung von Kurt Hügelow
„Sollen die Nazis in den Kessel?“ — „Zweddos. Die sind
viel zu sehr abgebrüht!“

wieder neu einrichten!", rief
Johann Podudl den Schild-
bürgern zu. „Lei!!", riefen die
Schildbürger.

„Wir brauchen mehr Analpha-
beten!" rief Johann Podudl.
„Jawohl — mehr Analpha-
beten!" riefen begeistert die
Schildbürger und warfen wü-
tende Seitenblicke auf die Armen,
die für schildbürgerliche Ver-
hältnisse schon viel zu klug ge-
worden waren.

„Denn im Reiche der Anal-
phabeten ist der Mann, der
seinen eigenen Namen schreiben
kann, Diktator!!" rief Johann
Podudl.

„And das kannst du — du
bist der Mann!" riefen die
Schildbürger immer begeisterter.
(Johann Podudl konnte wirklich seinen Namen schreiben!)
„And wenn wir das Reich der Analphabeten haben, dann
werden wieder Köpfe in den Sand rollen!" rief Podudl.
„Leil, Leil, Leil! ! !" schrieen die Schildbürger in grenzen-
losem Entzücken. And es ging wie gesagt ein großes
Wiedererwachen durch die ganze Schildbürgerci. Sn der
Leimat Johann Podudls saßen währenddessen sein früherer
Meister und seine Frau beim Mittagessen.

„Last du schon gehört, Stephan, was aus deinem Gesellen
geworden ist? Dem Podudl-Lans?"

„Sch Hab schon gehört. Sch Hab dir doch gleich gesagt, was
mit ihm ist! Aus dem wird nichts, wenn nicht in Schilda!"
„Was meinst du denn, wie lange seine Lerrlichkeit da
dauern wird?"

„Tja, Mutter", meinte Meister Stephan, „solange, bis selbst

die Schildbürger merken, daß
der Podudl-Lans von Kelle
und Senkblei so viel Ahnung
hat wie der Igel vom Staub-
wischen!" 3_$,


Zeichnung von Jupo

Der Befähigungsnachweis

„Also Sie wollen als Fakir auftreten. Sie sagen, sie
könnten stundenlang auf einem Fleck stehen, und tage-
lang ohne Nahrung leben. Was waren Sie denn bis jetzt?“
„Rentenempfänger, Herr Direktor!“

Ehe-Erziehung

„Mutter, den Lerrn Valentin
kann ich nicht heiraten."

„Aber warum denn nicht?"

„Er erzählte mir, er sei Atheist
und glaube nicht mal an die
Lölle."

„Ach, Ansinn! Wenn du erst
seine Frau bist, wirst du ihm
solche Ansichten schon aus-
tteiben!"

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