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Sechstes Abenteuer

Oäjumat, als die Vögel noch Säugetiere
waren n»d die Regcnwürmer noch Beine
hatten, kam ich auf meiner Wanderschaft
nach Delmenhorst.

Es ist eine kleine Stadt dicht bei Bremen.
Absichtlich hatte ich meine Schritte nach dort
gelenkt, da ich dort einen Freund hatte, Fuchs
hieß er. Ein feiner Mann. Auch seine Frau
war herzensgut.

Als ich zu ihnen kani, saß mein Freund grade
iin Tarten. Auf dem Kopf hatte er einen
Hut, der war wohl so groß wie ein Wagen-
rad. 3»i Ncund hatte er seine nie ausgehende
Pfeife.

Mit Hallo wurde ich empfingen. Mußte
gleich eine Taste Kaffee trinken.

Frau Fuchs forderte mich auf, einige Erleb-
nisse zu erzählen.

Na, erlebt hatte ich mm ja genug, da habe
ich denn ansgekramt. Herr und Frau Fuchs
waren ganz Ohr.

Wir merkten nicht, dag der Briefträger vor-
beikam, stehen blieb und sich den Bauch vor
Lachen hielt.

Unter Träne» rief er: „Mensch, Gustav,
auf deinem Hut sitzt Familie Storch."

Und wahrhaftig, als ich auf den Hut guckte,
faß da die Frau Storch und legte schon Eier
in dag Nest, dag sie sich auf Fuchsens Hut
gebaut hatten.

Was nun?

Zur damaligen Zeit war das Tefetz, das;
man keinem Tier etwas tun durfte.

Nu» war der arme Fuchs böse in der
Klemme.

Nahm er den Hut ab, so konnte er damit

rechnen, daß man ihm einen Prozeß wegen
Ticrguälerei gemacht hätte.

Es blieb ihm weiter nichts übrig, als ganz
still sitzen zu bleiben, bis die Störche die Eier
ansgebrütct hatten.

Was hat der arme Mann anshalten müssen.
Am Tage habe ich ihn unterhalten. Habe
ihm die Fliegen an» dem Gesicht geschlagen
und sonstige Liebesdienste erwiese».

Er selbst mußte sitzen wie eine Wachsfigur.
Hätte er sich bewegt, würde fein Kopf ge-
wackelt haben. Und wenn der Kopf wackelte,
hätte selbstverständlich der Hut auch ge-
wackelt. Und da» Nest würde dann von
selbst mit gewackelt haben.

Durch die Wackelei würden die Eier ans dem
Nest getrudelt fehl, und die jungen Störche
wären nie lebend an» Tageslicht gekommen.
Der arme Fuchs.

Wenn es nur bei den Störchen geblieben wäre.
Als ich den einen Morgen in den Garten
kam, war Fuchs schon am Schimpfen.

Da hatte sich doch ein Spatzenpaar in seiner
linken Westentasche cingenistet.

Das dreiste Volk ist ja überall zu finden.
Aber das war das Zeichen für all das andere
befeöertc Vieh. Am anderen lMorgeu saß
in der anderen Westentasche ein Lerchenpaar.
2» der eine» Jackentasche hatte sich eine
Krähe ihr Heim aufgeschlagen.

Die andere Jackentasche habe ich dem armen
Fuchs dann zugenäht.

Nach dem Mittagessen, Fuchs wollte ein biß-
chen schlafen, ich ging im Garten spazieren,
schlug eine Elster in seiner hohlen Hand, die
er auf dem Tisch liegen hatte, ihre Bude auf.
Schimpfen konnte er schon nicht mehr, mit
traurigen Augen blickte er die Nceuschen, die

in Strömen kamen, an.

Menschen kamen tatsächlich in Strömen, alle
wollten sie das lebende Vogelnest sehen.

Wir haben dabei ein gutes Geschäft gemacht.
Jeder mußte einen Groschen Eintritt zahlen.
An einem Abend, ich werde es nie vergesten,
es war am chz. Juli, im Jahre 65, wollte
Fuchs fein Pfeifchen rauchen.

Diensteifrig, wie .ich nun einmal bin, wollte
ich ihm gleich die Pfeife voll Tabak stopfen.
Ja, so war ich Fritz heiße, ich wollte es
wahrhaftig.

Ich würde es keinem Menschen krumm
nehmen, wenn er, was nun kommt, anzweifeln
würde.

Ich konnte erst selbst nicht dran glauben.

In der Pfeife saß ein Fischreiherpärchen.
Mit der Zeit kamen überall Dogclkinöer an.
Alles hat einmal ein Ende. — — — —
Eine schwere Arbeit war es immerhin noch.
Mußten wir doch einige der Vogelkinder mit
der Flasche großziehen.

Dan» legte ec sich in sein Bett und hat fünf
Wochen in einer Strippe gepennt.

Es ist doch gut, daß die großen Hüte nicht
mehr in der Mode sind. Wenn ich früher
eine Frau mit so einem Wagenrad sah, hatte
ich iinmer ein ängstliches Gefühl, daß die
Störche mit ihr abgehen könnten.

An einem warmen Sommertag flogen all
die Alten mit ihren Jungen aus.

Die Gelegenheit hat Fuchs schnell wahr-
genommen. Wie von einer Spinne gebissen,
eilte er ins Haus, riß den Hut vom Kopf,
zerstückelte ihn in tausend Fetzen und ver-
brannte das Ungeheuer.

ForlseHttlig in nächster Nummer
des „Wahren Jacob"

Pflastersteine des legalen Wegs ins dritte Reich!

Zeichnung von W. Vanselow
 
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