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Wölfflin, Heinrich
Renaissance und Barock: Eine Untersuchung über Wesen und Entstehung des Barockstils in Italien — München, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.1345#0012
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Einleitung.

i. Man hat sich gewöhnt, unter dem Namen Barock jenen
Stil zu verstehen, in den die Renaissance sich auflöst oder — wie
man sich öfter ausdrückt — in den die Renaissance entartet.

Diese Stilwandlung hat in der italienischen Kunst eine wesent-
lich andere Bedeutung als im Norden. Der interessante Prozess,
der in Italien beobachtet werden kann, ist der Uebergang vom
Strengen zum „Freien und Malerischen", vom Geformten zum
Formlosen. Die nordischen Völker haben diese Entwicklung nicht
durchgemacht. Die Architectur der Renaissance hat hier niemals
jene vollkommen reine und gesetzmässige Durchgestaltung erfahren,
wie im Süden, sie ist stets mehr oder weniger in der Willkür des
Malerischen, ja Decorativen stecken geblieben. Von einer „Auf-
lösung" des strengen Stiles kann darum nicht die Rede sein1).

Eine parallele Erscheinung bietet dagegen die Geschichte der
antiken Kunst, wo denn auch der Name barock sich allmählich
einzustellen beginnt2). Die antike Kunst „stirbt" unter ähnlichen
Symptomen, wie die Kunst der Renaissance.

2. Diese Symptome aufzusuchen, ist unsere Aufgabe.

Sie verlangt zunächst eine genaue Abgrenzung des Be-
obachtungsgebietes. — -Einen allgemeinen gleichartigen italienischen
Barock giebt es nicht. Unter den landschaftlich verschiedenen
Umgestaltungen der Renaissance aber hat einen Anspruch auf

*) Vgl. über das, was im Norden barock heisst, Dohme, Studien
zur Architecturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts. In Lützow's
Zeitschrift für bildende Kunst, 1878.

2) Zuletzt bei L. v. Sybel, Weltgeschichte der Kunst, 1888, der
einen Abschnitt mit „Römischer Barockstil" überschreibt.

Wöljflin, Renaissance und Barock. 1
 
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