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Wölfflin, Heinrich
Renaissance und Barock: Eine Untersuchung über Wesen und Entstehung des Barockstils in Italien — München, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.1345#0026
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Erster Abschnitt.
Das Wesen der Stilwandlung.

Cap. I.

i. Uebereinstimmend wird von den Geschichtschreibern
der Kunst als wesentlichstes Merkmal der Barockarchitectur der
malerische Charakter angegeben. Die. Baukunst verlässt ihr eigen-
thümliches Wesen und geht Wirkungen nach, die einer andern
Kunst entlehnt sind: sie wird malerisch.

Der Begriff des „Malerischen" gehört zu den wichtigsten,
aber zugleich zu den vieldeutigsten und unklarsten, mit denen
die Kunstgeschichte arbeitet. Wie es eine malerische Architectur
giebt, so giebt es eine malerische Plastik; die Malerei unterscheidet
in ihrer Geschichte selbst eine malerische Periode; man spricht
von malerischen Lichteffecten, von malerischer Unordnung, von
malerischem Reichthum u. s. w. Wer etwas Bestimmtes mit dem
Begriff ausdrücken möchte, wird sich über seinen Inhalt zuerst
Rechenschaft geben müssen.

Was bedeutet malerisch? Einfach ist es zunächst zu sagen:
malerisch sei das, was ein Bild abgebe, was ohne weitere Zuthat
ein Vorwurf für den Maler sei.

Ein strenger antiker Tempel, der nicht in Ruinen liegt, ist
kein malerischer Gegenstand. Der architectonische Eindruck mag
in Wirklichkeit noch so gross sein, im Bilde wirkt das Gebäude
einförmig; der moderne Künstler müsste sich die äusserste Mühe
geben, durch Beleuchtungseffecte, Luftstimmung, landschaftliche
Umgebung das Object als Gemälde interessant zu machen, wobei
dann das eigentlich Architectonische vollständig zurücktritt. Einer
reichen Barockarchitectur lässt sich dagegen leichter eine malerische
Wirkung abgewinnen: sie hat mehr Bewegung, die freieren Linien,
 
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