— 99 —
Die Bildung des Pilasters im Einzelnen entspricht dem Geist,
mit dem er verwendet wird: der ernste Charakter der ersten
Zeit bildet den Sockel niedrig und schwer. Michelangelo Hess
in S. M. degli angeli den ganzen Fussboden erhöhen, um die
schlanken, antiken Säulensockel verschwinden zu machen. Mit
der zunehmenden Befreiung der Glieder erhöht sich auch dieser
Theil, der die Säule vom Erdboden emporzuheben bestimmt ist.
(Die gleiche Entwicklung wie beim Sockel der Fagade.),
Noch deutlicher spricht die Behandlung der Attica. Der Barock
verlangte eine schwer lastende Bildung. Die schlanken Ansätze des
Kreuzgewölbes, die Michelangelo in S. M. degli angeli vorfand,
erstickte er in einer drückend reichen Attica; der Gesü zeigt eine
einfachere, aber noch schwerer lastende Form. Dann aber hebt sich
der Druck, und allmählich verschwindet die Attica ganz.
Der Bogen (d. h. der Kapelleneingang), der in der Renaissance
das Pilasterintervall ganz ausfüllt, bis an das Gesims heranreicht
und zu diesem durch eine Schluss-Console in Beziehung .gesetzt
wird, wird jetzt oft so niedrig gehalten, dass ein beträchtlicher
leerer Raum unterhalb des Gesimses entsteht. So im Gesü (hier
ist der freie Mauerraum theilweise zu einer Galerie benützt), in S. M.
dei monti, in der chiesa nuova. Die Schlusskonsole bleibt fort. Sie
kommt erst wieder mit dem zunehmenden Hochdrang, zugleich be-
leben sich dann die Bogenwinkel durch sitzende und liegende Figuren,
die Richtung nach oben wird dadurch energisch betont. In S. Peter
kann man die zunehmende Plastik dieser unglücklichen Zwickel-
Gestalten beobachten: die letzten (dem Eingang zunächst) drohen
jeden Augenblick mit ihrer gewaltigen Masse in die Tiefe zu stürzen.
Es kommt die Zeit, wo die ganze Komposition eine auf-
geregtere wird : was gibt sich Borromini für Mühe, die Wand der
alten Lateransbasilika in Aufruhr und Bewegung zu bringen. Das
Kircheninnere gab damit einen bedeutenden Factor der Wirkung
auf, nämlich den Kontrast zur Facade. Bis dahin hatte man im
Gegensatz zu der Unruhe der äusseren Erscheinung ein höchst
ruhig und gross komponirtes Interieur gegeben, mit Borromini
fängt Alles aussen und innen gleichmässig an zu schreien.
Die Beschleunigung des Pulsschlages zeigt sich deutlich in
der Veränderung der Proportionen von Bogen und Pilasterintervallen.
Die Intervalle werden immer enger, die Bogen schlanker, die Schnellig-
keit der Aufeinanderfolge nimmt zu. Man vergleiche in dieser
7*
Die Bildung des Pilasters im Einzelnen entspricht dem Geist,
mit dem er verwendet wird: der ernste Charakter der ersten
Zeit bildet den Sockel niedrig und schwer. Michelangelo Hess
in S. M. degli angeli den ganzen Fussboden erhöhen, um die
schlanken, antiken Säulensockel verschwinden zu machen. Mit
der zunehmenden Befreiung der Glieder erhöht sich auch dieser
Theil, der die Säule vom Erdboden emporzuheben bestimmt ist.
(Die gleiche Entwicklung wie beim Sockel der Fagade.),
Noch deutlicher spricht die Behandlung der Attica. Der Barock
verlangte eine schwer lastende Bildung. Die schlanken Ansätze des
Kreuzgewölbes, die Michelangelo in S. M. degli angeli vorfand,
erstickte er in einer drückend reichen Attica; der Gesü zeigt eine
einfachere, aber noch schwerer lastende Form. Dann aber hebt sich
der Druck, und allmählich verschwindet die Attica ganz.
Der Bogen (d. h. der Kapelleneingang), der in der Renaissance
das Pilasterintervall ganz ausfüllt, bis an das Gesims heranreicht
und zu diesem durch eine Schluss-Console in Beziehung .gesetzt
wird, wird jetzt oft so niedrig gehalten, dass ein beträchtlicher
leerer Raum unterhalb des Gesimses entsteht. So im Gesü (hier
ist der freie Mauerraum theilweise zu einer Galerie benützt), in S. M.
dei monti, in der chiesa nuova. Die Schlusskonsole bleibt fort. Sie
kommt erst wieder mit dem zunehmenden Hochdrang, zugleich be-
leben sich dann die Bogenwinkel durch sitzende und liegende Figuren,
die Richtung nach oben wird dadurch energisch betont. In S. Peter
kann man die zunehmende Plastik dieser unglücklichen Zwickel-
Gestalten beobachten: die letzten (dem Eingang zunächst) drohen
jeden Augenblick mit ihrer gewaltigen Masse in die Tiefe zu stürzen.
Es kommt die Zeit, wo die ganze Komposition eine auf-
geregtere wird : was gibt sich Borromini für Mühe, die Wand der
alten Lateransbasilika in Aufruhr und Bewegung zu bringen. Das
Kircheninnere gab damit einen bedeutenden Factor der Wirkung
auf, nämlich den Kontrast zur Facade. Bis dahin hatte man im
Gegensatz zu der Unruhe der äusseren Erscheinung ein höchst
ruhig und gross komponirtes Interieur gegeben, mit Borromini
fängt Alles aussen und innen gleichmässig an zu schreien.
Die Beschleunigung des Pulsschlages zeigt sich deutlich in
der Veränderung der Proportionen von Bogen und Pilasterintervallen.
Die Intervalle werden immer enger, die Bogen schlanker, die Schnellig-
keit der Aufeinanderfolge nimmt zu. Man vergleiche in dieser
7*