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VI

Die Aunst Mbrecht vürers

rung" des Materials, in der rationellen varlegung das Ligentlich-Menschliche
liege und nicht im bloßen ^usammentragen des Kohstoffes?) llber vürer schreiben
heißt, von etwa 1200 iZeichnungen, vrucken und vildern Kechenschaft geben. Ls
ist versucht worden, das auf „menschliche" weise zu tun, d. h. die Massen so zu
disponieren, daß sie übersichtlich und gelenkig wirken, daß das wesentliche in
seiner bedeutung sich rasch zu erkennen gibt, datz die Teile in den richtigen wir-
kungsverhältnissen zueinander stehen und nirgends eine Einzelheit sich
ungebührlich vordrängt. Gerade weil das nur in sehr bedingter weise gelungen
ist, soll wenigstens die Kbsicht des verfassers bestimmt ausgesprochen sein. Ls
ist ein schriftstellerischer Fehler, wenn Thausing von der Kpokalypse, die doch
der Tugend vürers die Signatur gibt, erst nach dritthalbhundert Seiten zu
sprechen anfängt, nachdem der Leser schon an allen möglichen waterien sich zer-
streut und ermüdet hat. vaß die Wertakzente anders sitzen und daß die begriffe,
mit denen wir heute die Kunst vürers zu fassen versuchen, seit einem viertel-
jahrhundert wesentlich andere geworden sind, ist selbstverständlich.

llm eigentlichen Zinne als lesbares buch kann diese „Kunst Klbrecht vürers"
nicht gelten, weil sie immer noch der Lrgänzung durch vilder bedarf, auf die der
Text über das gewiß reichliche llllustrationsmaterial hinaus vezug nimmt. vas
kostbare Lippmannsche handzeichnungswerk wird wenig in privathäusern vor-
handen sein und muß in den öffentlichen Sammlungen eingesehen werden. holz-
schnitte und Kupferstiche sind in Keproduktionen jetzt jedem erreichbar, doch haben
nur die besten einen wirklichen wert. Lin billiges Knschauungswerk wie die Ge-
samtausgabe der veutschen verlagsanstalt ist bequem als Nachschlagebuch, aber
brauchbar eigentlich nur für den, der die vinge kennt und Kritik üben kann,
auf den ungebildeten vetrachter muß sie durchaus irreführend wirken: der
Größeneindruck, Papier- und Linienqualität — alles ist unrichtig und noch dazu
in wechselnder veziehung, nicht in einem konsequenten Sinn. Kuch unsere Vllu-
strationen, für die der verleger aufs rühmlichste gesorgt hat, wollen nur als Kn-
weisungen auf das Griginal, nicht als Lrsatz gelten.

wit der Popularisierung der Kunstgeschichte hat das Gefühl für das Lchte be-
denklich abgenommen. Ls ist gut von Zeit zu iZeit darauf aufmerksam zu machen,
daß ein einziger originaler Oruck von vürer für die Lrkenntnis seiner Kunst
unendlich viel wichtiger sein kann als die vollständige Folge in verfälschten
Kachbildungen. von einem feineren künstlerischen verhältnis zu vürers Graphik
aber darf erst da gesprochen werden, wo die Lmpfindung für die Gualität ver-

') k). v. 5tein, Entstehung der neueren Ksthetik, 1886. 5. 70: ces ckoses — die INenge,
INerkrvürdigkeit, Neuheit der Einsichten — ces ckoses sont kors cie l'komme, 1e st^Ie
est l'komme meme.
 
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