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Wölfflin, Heinrich
Das Erklären von Kunstwerken — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 1: Leipzig: Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.55619#0010
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würdige Fähigkeit besitzt, auch auf- ganz fremde
Formfassungen zu reagieren und unsere historische
Erziehung dafür sorgt, diese Fähigkeit früh nach
allen Seiten auszubilden, ist es doch nicht leicht,
sich immer richtig einzustellen. Es kann vor-
kommen, daß auch der Ungeübte ein fremdes
Kunstwerk ungefähr richtig liest, dann nämlich,
wenn eine verwandte eigene Anlage ihm entgegen-
kommt, im allgemeinen aber wird man die Schwie-
rigkeit nicht hoch genug einschätzen können, fremde
Kunst wirklich richtig zu interpretieren. Man muß
eben doch japanisch gelernt haben, um eine japa-
nische Zeichnung zu verstehen, d. h., man muß
nicht die japanische Sprache, wohl aber die japa-
nische Bildeinstellung besitzen. Bauten wie den
altindischen ist mit abendländischen Sehgewohn-
heiten schlechterdings nicht beizukommen: die
Frage ist nicht, ob wir sie schön finden oder nicht,
wir müssen überhaupt erst das Organ für solche
Formwirkungen in uns entwickeln.
Aber man braucht nicht einmal so weit zu ge-
hen. Um nur italienische Kunst zu verstehen, be-
darf es einer völlig neuen Einstellung für den Nord-
länder. Sonst betont man falsch, hängt sich an das
Unwesentliche und übersieht das Wesentliche. Ein
florentinisch-römischer Bau der Hochrenaissance

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