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Y.

DAS GROSSE UND EINFACHE

Der große Maßstab ist von italienischer Kunst nicht zu trennen.

Alles scheint nach einem anderen modulus bemessen zu sein.
Die großen Blöcke der Paläste mit mächtigen Stockwerkhöhen, die
großen Hallen, die weiten Räume der Kirchen — das gibt uns sofort
die Gewähr im Süden zu sein. Was den Unterschied ausmacht, ist
aber nicht sowohl die absolute Größe als die Einfachheit im Großen.
Das Ganze ist nie ein Vielfältiges, Verwickeltes, sondern es reduziert
sich auf wenige, klar sprechende Motive. Eine Phantasie, die das
abgründliche Formenlabyrinth von Kraffts riesigem Sakramentshaus
oder auch nur das Nürnberger Sebaldusgrab hervorgebracht hat, ist
nicht die Phantasie Italiens. Italienische Zeichnung bewegt sich in
großen einfachen Linien und Flächen und italienische Architektur
besitzt eine Schlichtheit der Form, die dem nordischen Auge oft
fast als Kahlheit erscheinen mag. Entscheidend aber für die andere
Wirkung ist dies: die italienische Größe ist eine menschliche Größe
und bedeutet immer eine Steigerung des Menschen in seiner natür-
lichen Existenz. In der Säule richtet sich der natürliche Mensch auf
und er ist es, der sich weitet im großen Hallenraum, der überhohe
nordische Kirchenpfeiler kann ähnliche Eindrücke so wenig gewäh-
ren wie die übergroße Masse des „spätgotischen“ Kirchenkörpers.
Das Bedürfnis ins Große zu gehn, wenigstens bei bestimmten An-
lässen, ist auch dem Norden nicht fremd, aber innerlich vergleich-
bar mit italienischer Größe wird die nordische erst da, wo die Größe
auf natürlicher Grundlage gewonnen ist, und diese Umstellung hat
sich nur langsam und allmählich vollzogen. Noch ein Bau wie das
Rothenburger Rathaus mit seinen enggeschichteten Stockwerken
und dem mächtigen Dach darüber — er wirkt groß und hat mit
Gotik nichts mehr zu tun, aber es wäre schwer zu sagen, wie der
Mensch aussehen sollte, der mit dieser Architektur wirklich sich
deckt, während Palladios Rathaus von Vicenza, die Basilika, oder
 
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