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Wölfflin, Heinrich <Prof. Dr.>; Dürer, Albrecht [Editor]; Gerstenberg, Kurt [Oth.]
Kunst Albrecht Dürers — München, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.29638#0037
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LEBENSGESCHICHTE

29

folgte, daß auf ein Kirchenbild nicht die höchste Kunst verwendet zu werden brauchte,
scheint ihm hier die unter allen Umständen zu wahrende Superiorität der Bildtafel vor
dem Blatt Papier zum Bewußtsein gekommen zu sein. Monumentale Wirkungen aber,
wie sie ihm jetzt vorschwebten, ließen sich ja überhaupt nur auf diesem Felde er-
reichen.
Heimgekehrt ist Dürer ein anderer als der er war. Er stand jetzt auf der Höhe des Lebens.
(Ein äußerer Ausdruck seiner neuen Stellung zur Welt: daß er sich damals das große
Haus am Tiergärtnertor kaufte, das wir als das Dürer-Haus kennen.) Er iibersah, was
getan war, und was zu leisten iibrig blieb. Es war seine Überzeugung, daß die Kunst
fiir den Norden neu gewonnen werden miisse, während die Italiener schon seit zwei
Jahrhunderten daran arbeiteten, den Besitz der Alten wieder zu erlangen. Sogar der
Begriff „Renaissance“ ist ihm schon geläufig: er sagt „Wiedererwachsung“. Die Praxis
muß auf dem Boden der Theorie ruhen. Mit der bloßen Übung der Hand kommt man
nicht weiter. Wie Lionardo die Malerei eine Wissenschaft nannte, so verlangte Dürer
eine vollkommene theoretische Einsicht vom Maler. Das ist die andere Seite der Nach-
wirkung Italiens.
Er nimmt sich vor, ein Lehrbuch der Malerei zu schreiben, in dem von Perspektive, von
Licht und Schatten, von Farbe und Komposition gehandelt werden sollte, vor allem
aber von den Maßen der menschlichen und tierischen Form. Der Plan ist nur teilweise
verwirklicht worden, es gehört aber diese wissenschaftliche Arbeit ganz wesentlich zum
Charakter der nachitalienischen Zeit.
Künstlerisch beginnt jetzt die Epoche der großen Gemälde. Plastisch große Motive in
bedeutenden Verbindungen vorzubringen, war sein Gedanke. Wenn die Aufgaben vor-
handen gewesen wären, hätte damals vielleicht eine neue Monumentalmalerei ent-
stehen können. Allein es sind wenige Möglichkeiten anDürer herangetreten, und dann
war es seine Art, in die einzelne Arbeit mit einer solchen Zähigkeit sich zu verbeißen,
daß die große Bewegung bald wieder ins Stocken kam.
Mit einem lebensgroßen Doppelbild von ,,Adam und Eva“ fing er an (1507), vermutlich
auf eigene Rechnung. Es war die notwendige Konsequenz und Korrektur des Kupfer-
stiches von 1504.
Dann kam ein fürstlicher Auftrag von Wittenberg: ,,Die Marter der zehntausend
Christen unter König Sapor“ (1508). Ein unangenehmer Stoff, aber doch Nacktes und
Bewegung. Wenn es nur wenigstens ein großes Bild hätte sein dürfen! So aber waren
auf einen kleinen Raum eine Menge Figürchen zusammenzukomponieren: ein Tropfen
auf einen heißen Stein für Dürers bildnerische Wünsche.
Darauf entsteht das Hauptbild ,,Die Krönung der Maria mit den Aposteln am Grabe“,
eine Bestellung des Kaufmanns Heller für Frankfurt a. M. (1509). Hier hatte er nun
freie Bahn, einen inhaltsvollen Stoff ins Bedeutende zu steigern. Die Komposition ist
im italienischen Sinn tektonisch angelegt und die Krönungsgebärde Christi ebensosehr
wie die Haltung der führenden Apostel mit einem neuen Gefühl für das Starke und
Großartige erfunden. Aber zu einer völligen Harmonie von Form und Inhalt ist es nicht
 
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