Die Drahtziehmühle. Bayonne, Musee Bonnat
sich kaum etwas geändert; man sieht wohl, daß die Bäume größer geworden sind —
das junge Pflänzchen am jenseitigen Ufer beim Törchen ist recht tüchtig in die Höhe
geschossen —, und der Standpunkt ist etwas mehr rechts genommen, aber das erklärt
nicht den Unterschied der Wirkung. Die bessere Perspektive allein tut es auch nicht.
Entscheidend ist, wie der Blick nicht mehr angezogen wird von den einzelnen Gegen-
ständen im Raum, sondern vom Raumganzen. Über ein paar Dächer hinweg kommen
wir gleich in die Tiefe. Mit einer starken Überschneidung fängt es an: wir sehen nicht
die tragende Mauer unter dem Dach, wir sollen uns nicht aufhalten im Vordergrunde,
das ,,Bild“ sitzt viel weiter hinten. Jenes Häuschen mit Fachwerk und seitlich ab-
gewalmtem Dach, das Dürer früher so sehr interessierte, es ist noch immer da, aber
es dient ganz anderen Funktionen innerhalb der Komposition. Dürer hat den reinlich
präpariertenWordergrund nicht mehr für nötig gehalten. Dafür ist die Baumkulisse
links, die anfänglich trocken und wie abgeschnitten, d. h. eben nicht als Kulisse
wirkte, als breitere Masse ins Bild hineingezogen worden. Die Konsequenzen für die
Behandlung der hinteren Gründe liegen auf der Hand. Das Prinzipielle in dieser Ent-
wicklung ist etwas, das sich immer und überall, bis zu Rembrandt hinauf, wiederholt.
Eigentümlicherweise bleibt Dürer mit seinen Entdeckungen im Gebiet der Zeichnung,
gemalt hat er nie etwas Ähnliches.