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II. Fläche und Tiefe

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Rom, Scala regia des Bernini im Vatikan

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Freisäulen vor der Front, sieht am wenigsten gut aus im geometrischen
Aufriß. Zweifellos ist es dabei auf die Überschneidungen der Kuppel durch
die Säulen abgesehen, und diese ergeben sich erst für den halbseitlichen An-
blick, und die Konfiguration wird bei jedem Schritt eine neue.
Das ist auch der Sinn jener Ecktürme, die, niedrig gehalten, bei Zentral-
kirchen die Kuppel zu flankieren pflegen. Es sei an S. Agnese* in Rom er-
innert, wo — bei begrenztem Platz — für den die Piazza Navona durch-
wandelnden Betrachter eine Fülle reizender Bilder sich ergeben. Das cin-
quecentistische Turmpaar von S. Biagio in Montepulciano ist dagegen
offenbar noch nicht in dieser (malerisch-bildhaften) Intention konzipiert
worden.
Die Aufstellung des Obelisken auf dem Platz vor S. Peter in Rom ist
ebenfalls eine barocke Disposition. Er bezeichnet zwar zunächst das Platz-
zentrum, nimmt aber doch auch Bezug auf die Achse der Kirche. Nun kann
man sich denken, daß die Nadel überhaupt unsichtbar bleibt, wenn sie mit
der Mitte der Kirchenfront zusammenfällt; das beweist, daß dieser An-
blick nicht mehr als Norm angesehen worden ist. Schlagender aber ist fol-
gende Überlegung: Nach Berninis Plan sollte die jetzt offene Eingangs-
partie des Kolonnadenplatzes ebenfalls noch geschlossen werden, wenig-
stens teilweise, mit einem
Mittelstück, das zu beiden
Seiten breite Zugänge offen
ließ. Diese Zugänge sind
aber natürlich schräg zur
Kirchenfront orientiert, das
heißt, man mußte mit einer
Seitenansicht anfangen.
Vergleiche die Zufahrten
zu Schlössern wie Nym-
phenburg: sie halten sich
seitlich, in der Hauptachse
liegt ein Wasserlauf. Auch
hier gibt die Architektur-
malerei die Parallelbei-
spiele.
Der Barock will nicht,
daß der Baukörper in be-
stimmten Ansichten sich
verfestige. Durch Ab-
stumpfung der Ecken ge-
winnnt er Schrägflächen, die

Wölfflin, Grundbegriffe, 8. A.
 
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