DIE ANTIKEN TRIUMPHBOGEN IN ITALIEN
Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte der römischen Architektur
und ihr Verhältnis zur Renaissance
Die Architektur der Renaissance bietet das merkwürdige Schauspiel, daß
Generationen für die Antike sich begeisterten und mit allen Kräften sie in die
Gegenwart zurückzuführen suchten, daß aber das, was in diesem Sinne ge-
schaffen wurde, für unser vergleichendes Auge dem Vorbild so wenig entspricht,
daß man wohl zweifeln möchte, ob es den Leuten wirklich ernst gewesen sei mit
ihrer Absicht, die «gute alte Baukunst» wieder zu erwecken. Und doch ist nichts
ungerechtfertigter als dieser Zweifel. Man darf überzeugt sein, daß die floren-
tinische Frührenaissance sich so römisch vorkam, als etwa der Klassizismus des
18. Jahrhunderts. Es wurden zwar nicht wie damals antike Tempel oder Bogen
genau nach Muster wiederholt, aber wenn man einer direkten Reproduktion
aus dem Wege ging, so gedachte man eben nur die übrigen, von der Antike
offen gelassenen Möglichkeiten auszubeuten: ein grundsätzliches Ab weichen-
wollen muß durchaus als ausgeschlossen betrachtet werden. Das 15. Jahrhundert
stand zur Antike etwa in dem Verhältnis wie das 14. Jahrhundert zur Natur.
Damals war alles eine Stimme: Giotto leiste an Naturwahrheit das Unerhörte
und die gemalten Dinge seien kaum zu unterscheiden von den wirklichen; es
dauerte lange bis das Sehvermögen so weit ausgebildet war, daß diese Illusion
verschwand. Geradeso konnte das Quattrocento des seligen Glaubens leben,
zwischen seinen Bauten und den alten römischen bestehe im wesentlichen kein
Unterschied. Die Kluft, die für uns sofort sich bemerkbar macht, existierte für
die damaligen Augen nicht. Auch hier schärfte sich allmählich das Unterschei-
dungsvermögen, aber es dauerte lange, und mit einiger Übertreibung könnte
man sagen, die Renaissance — ich betone die landläufige Bedeutung des Wor-
tes - die Renaissance habe erst in dem Momente die Antike erkannt, als sie
aufhörte «Renaissance» zu sein und der Barock an die Türe klopfte. Damals
am Ausgang der Epoche entstanden einige Bogenbauten, die mit der Antike
sich wohl vergleichen lassen, während die früheren dafür kaum eine Handhabe
bieten. Ja, es kommt jetzt auch vor, daß antike Bauten kopiert werden. So hat
Vignola 1562 in der porta del popolo den Bogen des Marc Aurel wiederholt,
der am Corso stand und 1662, also gerade hundert Jahre später, abgetragen
wurde. Freilich genügten die antiken Muster dem modernen Geschmacke nicht
mehr lange: es ist die Zeit, wo man offen sagen durfte, man habe die Alten
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Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte der römischen Architektur
und ihr Verhältnis zur Renaissance
Die Architektur der Renaissance bietet das merkwürdige Schauspiel, daß
Generationen für die Antike sich begeisterten und mit allen Kräften sie in die
Gegenwart zurückzuführen suchten, daß aber das, was in diesem Sinne ge-
schaffen wurde, für unser vergleichendes Auge dem Vorbild so wenig entspricht,
daß man wohl zweifeln möchte, ob es den Leuten wirklich ernst gewesen sei mit
ihrer Absicht, die «gute alte Baukunst» wieder zu erwecken. Und doch ist nichts
ungerechtfertigter als dieser Zweifel. Man darf überzeugt sein, daß die floren-
tinische Frührenaissance sich so römisch vorkam, als etwa der Klassizismus des
18. Jahrhunderts. Es wurden zwar nicht wie damals antike Tempel oder Bogen
genau nach Muster wiederholt, aber wenn man einer direkten Reproduktion
aus dem Wege ging, so gedachte man eben nur die übrigen, von der Antike
offen gelassenen Möglichkeiten auszubeuten: ein grundsätzliches Ab weichen-
wollen muß durchaus als ausgeschlossen betrachtet werden. Das 15. Jahrhundert
stand zur Antike etwa in dem Verhältnis wie das 14. Jahrhundert zur Natur.
Damals war alles eine Stimme: Giotto leiste an Naturwahrheit das Unerhörte
und die gemalten Dinge seien kaum zu unterscheiden von den wirklichen; es
dauerte lange bis das Sehvermögen so weit ausgebildet war, daß diese Illusion
verschwand. Geradeso konnte das Quattrocento des seligen Glaubens leben,
zwischen seinen Bauten und den alten römischen bestehe im wesentlichen kein
Unterschied. Die Kluft, die für uns sofort sich bemerkbar macht, existierte für
die damaligen Augen nicht. Auch hier schärfte sich allmählich das Unterschei-
dungsvermögen, aber es dauerte lange, und mit einiger Übertreibung könnte
man sagen, die Renaissance — ich betone die landläufige Bedeutung des Wor-
tes - die Renaissance habe erst in dem Momente die Antike erkannt, als sie
aufhörte «Renaissance» zu sein und der Barock an die Türe klopfte. Damals
am Ausgang der Epoche entstanden einige Bogenbauten, die mit der Antike
sich wohl vergleichen lassen, während die früheren dafür kaum eine Handhabe
bieten. Ja, es kommt jetzt auch vor, daß antike Bauten kopiert werden. So hat
Vignola 1562 in der porta del popolo den Bogen des Marc Aurel wiederholt,
der am Corso stand und 1662, also gerade hundert Jahre später, abgetragen
wurde. Freilich genügten die antiken Muster dem modernen Geschmacke nicht
mehr lange: es ist die Zeit, wo man offen sagen durfte, man habe die Alten
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