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Woermann, Karl [Editor]
Die antiken Odyssee-Landschaften vom Esquilinischen Hügel zu Rom: in Farben-Steindruck — München, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.3256#0009
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Ineinandergreifen der Kompositionslinien, der Farben und clemgemäss natürlich auch der dargestellten
Gegenstände zwischen Bild und Bild unverkennbar beabsichtigt und gut zur Darstellung gebracht, Ich
werde auf dieses Moment weiter unten bei der künstlerischen Würdigung unserer Wandgemälde zurück-
kommen. Für jetzt genüge es, zum Beweise des Gesagten den Beschauer zu bitten, sich Bild an Bild
in der oben angedeuteten Weise so aneinanderzureihen, dass jedesmal der linke Pfeiler des folgenden
Blattes den rechten des vorhergehenden decke. Den organischen Uebergang vom ersten zum zweiten
Bilde wird man nicht nur in den Linien und Farben des im Vordergrunde zwischen beiden befindlichen
Süsswassers, sowie der hier aus Schafen bestehenden Staffage, bemerken, man wird ihn ebenso in dem
an den beiderseitigen Grenzen befindlichen verschwimmenden Kolorit des Hintergrundes und dem nach
kurzer Unterbrechung fortgesetzten Grau des Mittelgrundes anerkennen. In noch eklatanterer Weise Ist
dieser verbindende Uebergang vom zweiten zum dritten Bilde bemerkbar: wie kräftig schliesst der gelbe
Vordergrund zur Rechten des zuerstgenannten zweiten Bildes mit der markig in's Meer vorspringenden
Klippe des folgenden ab! wie flüssig zieht das blaue Meer des auf dem letzteren dargestellten Golfes
sich als kleines Buchtende in das vorhergehende Bild hinüber! wie nobel, fast grossartig, ist in Färbung
und Linien die Fortsetzung des Vorgebirges im Hintergrunde beider Bilder! Weniger deutlich, aber
ebenso sicher, sind die Uebergänge zwischen den folgenden Bildern wahrzunehmen, Uebergänge, welche,
hier wie dort, ohne die ganze Reihe zu einem eigentlichen Friese zu machen, doch den Blick des Vor-
überwandernden, ähnlich wie bei der Betrachtung eines Frieses, ohne Anstoss anmutlüg von Bild zu Bild
gleiten lassen.

Fs versteht sich von selbst, dass diese Behandlungsweise nicht möglich gewesen wäre, wenn der
dargestellte Stoff dieselbe nicht zugelassen, ja, nicht geradezu zu ihr aufgefordert hätte. Wir müssen
uns daher schon an dieser Stelle bei unserer allgemeinen Betrachtung auch über diesen Punkt so weit
orientiren, dass wir bei der Beschreibung der einzelnen Bilder sofort den Kern der jedesmaligen Handlung
biosiegen können. — Dass wir es mit 0 dys Seelands chatten, d.h. mit landschaftlichen Darstellungen,
deren Staffage der Odyssee entlehnt ist, oder mit Darstellungen von Szenen aus der Odyssee in grossem
landschaftlichen Hintergründe *) zu thun haben, hat dem Leser schon der Titel unseres Werkes gesagt,
haben den ersten Entdeckern und Erklärern unserer Bilder, auch von allen inneren Gründen abgesehen,
schon die auf fast jedem der Bilder in genügender Weise über den Figuren erhaltenen griechischen
Namensinschriften bestätigt. Die allgemeine Erklärung der Bilder konnte daher keine Schwierigkeit
machen, und auch wir brauchen kaum mehr ein Wort über sie zu verlieren. Es sind geradezu Illu-
strationen zur Odyssee, Illustrationen, welche sich, wie wir bei der Einzelbetrachtung sehen werden,
vielleicht mit einziger Ausnahme einer Gruppe auf dem letzten, nur zur Hälfte erhaltenen, Bilde, sowohl
in den vorgeführten Personen, als auch in deren Handlungen, fast genau an den Wortlaut der auf uns
gekommenen Fassung des homerischen Epos anschliessen; und "zwar illustriren die vorliegenden Fresken
nur Szenen aus zwei Gesängen, aus dem zehnten und elften Gesänge der Odyssee. Das Laistrygonen-
abenteuer mit einem Rückblick auf des Odysseus Abenteuer mit den Winden des Aiolos ist in den ersten
vier der erhaltenen Bilder (Taf. I—IV) dargestellt Zum Ueberfluss steht die Inschrift AAlCTpyrONec
(Laistrygones) deutlich in der Mitte des zweiten Bildes. Das fünfte Bild (Taf. V), sogar ausser -der
deutlichen Charakterisirung des Vorganges, durch die zweimal wiederholte inschriftliche Bezeichnung der
Hauptpersonen ausser Zweifel gestellt, schildert den Besuch des Odysseus bei der Zauberin Klrke. Das
sechste Bild ist ganz zerstört Auf dem siebenten (Taf. VI) und dem fragmentirten achten (Taf. VII)
befindet sich die Darstellung der Fahrt des göttlichen Dulders in die Unterwelt nach dem elften Gesänge.
Mitten aus dem interessantesten Theüe der Odyssee heraus also sind die uns erhaltenen Proben
der gewiss längeren, vielleicht vollständigen Reihe unserer Illustrationen zu dem unsterblichen Helden-
gedichte geschöpft. Der vielgewandte Odysseus, aus dem Wundergarten der schöngelockten Kalypso
und den Umarmungen der melodischen Nymphe auf Zeus Geheiss freundlich entlassen, den grimmen
Stürmen seines Erzfeindes Poseidon nur durch die fürsorgliche Dazwischenkunft der erbarmenden Leu-
kothea entronnen, am Gestade der Phaiaken gastlich aufgenommen und von König und Königin in der
ehernen Wohnung gütig bewirthet, thront am folgenden Tage nach Schmaus und Spielen inmitten der
Fürsten des liebenswürdigen Volkes; und ihnen erzählt er-den wechselvollen Hergang seiner Irrfahrten,
seinen Ueberfall der Kikonen und seine Flucht aus ihrem Lande, seinen Besuch bei den guten träumeri-
schen Lotosessern und sein grauses Abenteuer in der Felsengrotte des wilden Kyklopen, ihnen erzählt

er auch die an dieser Stelle sich anreihenden weiteren Abenteuer, deren gestaltenreiche Illustrationen auf
grossem landschaftlichen Hintergrunde wir in den vorliegenden Reproduktionen der esquilinischen Wand-
gemälde zu betrachten haben. .In der That nun nimmt der landschaftliche Hintergrund einen so grossen
Raum auf unseren Bildern ein, dass er für die erste Betrachtung entschieden überwiegt und man die
Bilder unwillkürlich von Anfang an Odysseelandschaften genannt hat, indem man sich freute, in
denselben grosse historische Landschaften aus dem klassischen Alterthume zu besitzen.

Ob in der That das Landschaftliche unserer Bilder auch für uns das Wichtigste an ihnen bleiben
wird, ob diese Seite ihrer Darstellung die homerische Schilderung ebenso treu und lebendig wieder-
spiegelt, wie die figürliche, diese Fragen wollen wir vor der Hand weder verneinen noch bejahen. Ihre
Beantwortung wird zu den interessantesten Aufgaben unseres unten folgenden erörternden Theiles
gehören. Vorerst gilt es, durch eingehendere Betrachtung der einzelnen Bilder uns mit ihrem Inhalt und
ihrer Darstellungsweise genau bekannt zu machen.

ZWEITER ABSCHNITT,

DIE EINZELNEN BILDER,
I. ERSTES LA1STRYG0NENBILD.

Taf. I. Plan (Taf. VII), Wand C, b. Höhe 1,15 m. EreUe [,50 m ohne die architektonische Ummhmuog 4). Einfarbig abgebildet bei
Matrangii, Cillä. dt Lanw, Tav. I und ArchJoL Zeitung 1852 Taf. XLV. Farbige Kopie im Anlic|iunum des Berliner Museums.

ODYSSEE, Zehnter Gesang, Vers 80— in.

Schon sechs Tag' und Nächte zugleich durchschifften wir rastlos; So

Drauf am. siebenten kam ich zur laistrygonischen Veste,

Lamos thürmender Stadt Telepylos: dort wo dem Hirten

Ruft eintreibend der Hirt, und der austreibend ihn höret,

Und wo ein Mann schlaflos zwiefältigen höhn sich erwürbe,

Diesen als Rinderhirt, und den als Hüter des Wollvieh's. 85

Denn nah' ist zu des Tags und der nächtlichen Weide der Ausgang-.

Als zu dem trefflichen Port wir gelangten, welchem der Felsen

Ringsumher anstarrend an jeglicher Seite emporsteigt,

Aber die vorgestreckten Geklüfte sich gegen einander

Vornhin dreh'n an der Mündung, ein enggescliloo-sener Hingang; go

Lenkten hinein sie alle die zwiefachrudernden Schiffe.

Sie nun lagen im Raum des umhügelten Portes befestigt,

Nahe gereiht; denn nie stieg einige Well' in dem Innern,

Weder gross noch klein; rings schimmerte heitres Gewässer,

Aber ich selbst hielt draussen allein das dunkele Meerschiff, 9.5

Dort am Ende der Bucht, und knüpfte die Seil' an den Felsen;

Spahete dann aufklimmend 2ur schroffigen Jähe des Abhangs,

Doch kein Werk von Stieren erschien noch schaffenden Männern;

Rauchdampf sahn wir allein von der Erd aufsteigen am Himmel.

Jetzo entsandt' ich Männer voranzugehn zur Erkundung, 100

Was für Sterbliche, wären im Land', und geno.ssen der Feldfrucht:

Zween erkorene Freund'; und ein tlerold ging sie begleitend.

Diese traten an's Land, und gingen die Bahn, wo die Wagen

Von des Gebirgs Anhöhn in die Stadt hinfuhren die Waldung.

Jetzt vor der Stadt begegnet' ein wasserschöpfendes Mägdlein 105

Ihnen, des Laistrygonen Antiphates rüstige Tochter.

Jene stieg zu der Quell' Artakia schönem Gesprudel

Eben hinab, woher sie zur Stadt eintrugen das Wasser,

Ihr nun naheten jene, und redeten an und erforschten,

"Wer dort sei der Beherrscher, und welchem Volk er gebiete; 110

Und sie bezeichnete schnell des Vaters erhabene Wohnung.

9.
 
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