HOLLÄNDER DES XVII. JAHRHUNDERTS
(REMBRANDT-MAPPE)
REMBRANDT HARMENSZ VAN RIJN
Geboren den 15. Juli 1606 zu Leiden; begraben den 8. Oktober 1669 zu Amsterdam. Er war zunächst Schüler des Jacob
van Swanenburgh in Leiden, sodann des Pieter Lastman in Amsterdam. Bis 1651 blieb er, abgesehen von seinem Schulaufenthalt
in Amsterdam, in seiner Vaterstadt ansässig, wo er durch seine Jugendwerke und frühe Lehre der Begründer der Leidener Schule
des 17. Jahrhunderts wurde. Seit 1631 wohnte er in Amsterdam, wo er bald als das Haupt einer Schule angesehen wurde, in der
sich alles eigenartigste Kunstempfinden der holländischen Volksseele sammelte. Wird Rembrandt nach selbständigen Anfängen auch
eine zeitlang deutlich von der Richtung jener holländischen Meister beeinflusst, die, wie sein Lehrer Lastman, sich in Rom an
den Deutschen Elsheimer, ja, zum Teil an den Italiener Caravaggio angeschlossen hatten, so verarbeitet er alles, was von aussen
an ihn herangetreten, doch bald so selbständig mit seiner innersten Empfindung zu einer neuen, in verschiedenen Wandlungen sich
selbst getreuen Kunstweise, dass er zum Bahnbrecher einer eigenen malerischen Richtung wird, die in ihrer Verbindung von unmittel-
barer Naturanschauung und leidenschaftlicher Glut der Einbildungskraft als das Höchste erscheint, was die Kunst des niederdeutschen
Volksstammes hervorgebracht hat.
ZU REMBRANDT’S HANDZEICHNUNGEN
Da das Dresdner Kupferstich-Kabinet so reich an Zeichnungen Rembrandt’s ist, dass ihnen eine ganze Mappe gewidmet
werden musste, so mögen hier im voraus einige allgemeine Bemerkungen über sie Platz finden.
In Rembrandt’s Zeichnungen spiegelt sich die ganze Art seines Kunstschaffens wieder. Leuchtet in allen seinen Werken die
Unmittelbarkeit seiner Naturanschauung hervor, so tritt sie uns doch nirgends packender entgegen, als in den zahlreichen Zeichnungen,
in denen er, oft mit wenigen flüchtigen Strichen, die Eindrücke aus dem Menschensein, dem Tierleben und der Landschaft fest-
gehalten, die ihm entgegentraten. Gehört die kecke, frische und phantasievolle Eigenart, mit der er die Erzählungen des alten und
des neuen Testaments in malerische Gebilde übersetzte, zu den Vorzügen aller seiner Darstellungen, so spiegelt sich diese Seite
seiner Künstlerphantasie doch nirgends anschaulicher wieder als in den zahlreichen biblischen Entwürfen, die sich unter seinen Hand-
zeichnungen erhalten haben. Spricht sich in seinen Radierungen so gut wie in seinen Gemälden eine besondere Begabung für die
von Anfang an mit Licht- und Farbenwirkungen rechnende malerische Auffassung aller Stoffe aus, so pflegt diese Richtung schon
in den wenigen flüchtigen Federstrichen vorgebildet zu sein, die ihm oft genügten, seinen künstlerischen Absichten den ersten
Ausdruck zu geben.
Wollte er einen Gedanken in schwarz und weiss zur vollen künstlerischen Erscheinung bringen, so radierte er ihn.
Selten nur hat er eine Zeichnung so weit ausgeführt, dass man sie als fertiges Kunstwerk, das sich Selbstzweck ist, anerkennen
kann; öfter noch in seiner früheren Zeit, in der Silberstiftzeichnungen auf Pergament und rote und schwarze Kreidezeichnungen
neben sorgfältiger durchempfundenen Federzeichnungen auftraten, als in seiner späteren Zeit, in der er sich nur äusserst selten
eines anderen Materials als der Feder und der braunen Tusche bediente, um seine Natureindrücke oder seine künstlerischen Gedanken
aufs Papier zu werfen. Je weniger Striche ihm genügten, manche seiner geistvollsten Federzeichnungen hinzuwerfen, um so mehr
mussten diese seine Schüler zur Nachahmung reizen. In der That ist es bei keinen Zeichnungen schwerer als bei den «Rembrandt-
Zeichnungen», in allen Fällen das Schulgut von der eigenhändigen Arbeit zu sondern. Bezeichnet hat der Meister seine Zeichnungen,
eben weil sie ihm nur vorübergehende Dienste zu leisten bestimmt waren, nur selten. Der Vergleich mit Gemälden und Radierungen
genügt wegen der Leichtigkeit, sie nachzuzeichnen, an sich auch noch nicht. Das Gefühl für die Frische und Ursprünglichkeit der
Hand innerhalb des Gesamtcharakters des Meisters und die Möglichkeit, in der besondern Ausdrucksweise einer Zeichnung die Aus-
drucksweise einer bestimmten Phase seiner Entwicklung wiederzuerkennen, sind die Hauptmittel zur Bestimmung der Echtheit seiner
Blätter. In besonders überzeugender und lehrreicher Weise hat W. von Seidlitz sich in seinem Aufsatz über die bis jetzt erschienenen
4 Bände des grossen Lippmann’schen Lichtdruckwerkes, das bestimmt ist, ein Codex sämtlicher Rembrandt - Zeichnungen in guten
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(REMBRANDT-MAPPE)
REMBRANDT HARMENSZ VAN RIJN
Geboren den 15. Juli 1606 zu Leiden; begraben den 8. Oktober 1669 zu Amsterdam. Er war zunächst Schüler des Jacob
van Swanenburgh in Leiden, sodann des Pieter Lastman in Amsterdam. Bis 1651 blieb er, abgesehen von seinem Schulaufenthalt
in Amsterdam, in seiner Vaterstadt ansässig, wo er durch seine Jugendwerke und frühe Lehre der Begründer der Leidener Schule
des 17. Jahrhunderts wurde. Seit 1631 wohnte er in Amsterdam, wo er bald als das Haupt einer Schule angesehen wurde, in der
sich alles eigenartigste Kunstempfinden der holländischen Volksseele sammelte. Wird Rembrandt nach selbständigen Anfängen auch
eine zeitlang deutlich von der Richtung jener holländischen Meister beeinflusst, die, wie sein Lehrer Lastman, sich in Rom an
den Deutschen Elsheimer, ja, zum Teil an den Italiener Caravaggio angeschlossen hatten, so verarbeitet er alles, was von aussen
an ihn herangetreten, doch bald so selbständig mit seiner innersten Empfindung zu einer neuen, in verschiedenen Wandlungen sich
selbst getreuen Kunstweise, dass er zum Bahnbrecher einer eigenen malerischen Richtung wird, die in ihrer Verbindung von unmittel-
barer Naturanschauung und leidenschaftlicher Glut der Einbildungskraft als das Höchste erscheint, was die Kunst des niederdeutschen
Volksstammes hervorgebracht hat.
ZU REMBRANDT’S HANDZEICHNUNGEN
Da das Dresdner Kupferstich-Kabinet so reich an Zeichnungen Rembrandt’s ist, dass ihnen eine ganze Mappe gewidmet
werden musste, so mögen hier im voraus einige allgemeine Bemerkungen über sie Platz finden.
In Rembrandt’s Zeichnungen spiegelt sich die ganze Art seines Kunstschaffens wieder. Leuchtet in allen seinen Werken die
Unmittelbarkeit seiner Naturanschauung hervor, so tritt sie uns doch nirgends packender entgegen, als in den zahlreichen Zeichnungen,
in denen er, oft mit wenigen flüchtigen Strichen, die Eindrücke aus dem Menschensein, dem Tierleben und der Landschaft fest-
gehalten, die ihm entgegentraten. Gehört die kecke, frische und phantasievolle Eigenart, mit der er die Erzählungen des alten und
des neuen Testaments in malerische Gebilde übersetzte, zu den Vorzügen aller seiner Darstellungen, so spiegelt sich diese Seite
seiner Künstlerphantasie doch nirgends anschaulicher wieder als in den zahlreichen biblischen Entwürfen, die sich unter seinen Hand-
zeichnungen erhalten haben. Spricht sich in seinen Radierungen so gut wie in seinen Gemälden eine besondere Begabung für die
von Anfang an mit Licht- und Farbenwirkungen rechnende malerische Auffassung aller Stoffe aus, so pflegt diese Richtung schon
in den wenigen flüchtigen Federstrichen vorgebildet zu sein, die ihm oft genügten, seinen künstlerischen Absichten den ersten
Ausdruck zu geben.
Wollte er einen Gedanken in schwarz und weiss zur vollen künstlerischen Erscheinung bringen, so radierte er ihn.
Selten nur hat er eine Zeichnung so weit ausgeführt, dass man sie als fertiges Kunstwerk, das sich Selbstzweck ist, anerkennen
kann; öfter noch in seiner früheren Zeit, in der Silberstiftzeichnungen auf Pergament und rote und schwarze Kreidezeichnungen
neben sorgfältiger durchempfundenen Federzeichnungen auftraten, als in seiner späteren Zeit, in der er sich nur äusserst selten
eines anderen Materials als der Feder und der braunen Tusche bediente, um seine Natureindrücke oder seine künstlerischen Gedanken
aufs Papier zu werfen. Je weniger Striche ihm genügten, manche seiner geistvollsten Federzeichnungen hinzuwerfen, um so mehr
mussten diese seine Schüler zur Nachahmung reizen. In der That ist es bei keinen Zeichnungen schwerer als bei den «Rembrandt-
Zeichnungen», in allen Fällen das Schulgut von der eigenhändigen Arbeit zu sondern. Bezeichnet hat der Meister seine Zeichnungen,
eben weil sie ihm nur vorübergehende Dienste zu leisten bestimmt waren, nur selten. Der Vergleich mit Gemälden und Radierungen
genügt wegen der Leichtigkeit, sie nachzuzeichnen, an sich auch noch nicht. Das Gefühl für die Frische und Ursprünglichkeit der
Hand innerhalb des Gesamtcharakters des Meisters und die Möglichkeit, in der besondern Ausdrucksweise einer Zeichnung die Aus-
drucksweise einer bestimmten Phase seiner Entwicklung wiederzuerkennen, sind die Hauptmittel zur Bestimmung der Echtheit seiner
Blätter. In besonders überzeugender und lehrreicher Weise hat W. von Seidlitz sich in seinem Aufsatz über die bis jetzt erschienenen
4 Bände des grossen Lippmann’schen Lichtdruckwerkes, das bestimmt ist, ein Codex sämtlicher Rembrandt - Zeichnungen in guten
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