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Fünftes Buch. Heidnische Kunst in Nordeuropa und in Westasien.
kommen mir an anderer Stelle zurück. Hier kann nur kurz auf die hellenistisch-römischen Ele-
mente hingewiesen werden, die sie enthält.
Berühmt ist die Statue des sitzenden schnurrbärtigen „Königs" im Museum zu Lahor.
Ihr Kopf wirkt ähnlich wie die Dacierköpfe der römischen Kunst (vgl. S. 456). Ihr Leib ist
indisch-geschwollen. Die Nebenfiguren erscheinen nach Hal-
tung und Tracht römisch genug. Die besterhaltenen erzählen-
den Reliefs, die buddhistische Sagen darstellen, sind aus
dein Kloster zu Dschamalgari ins British Museum gekommen.
Beim ersten Anblick kann man meinen, wirklich griechisch-
römische Arbeiten vor sich zu haben. Wie die künstlerischen
Motive der griechischen Gigantomachie irgend einer buddhi-
stischen Sage angepaßt wurden, zeigt das Bruchstück eines
Dreieckseldes im Museum zu Kalkutta. Die Formen der Lei-
ber, das Spiel der Muskeln erinnern hier, wie die Haupt-
motive, an hellenistisch-römische Kunst. Eine andere, mehr-
fach erhaltene Gruppe knüpft offenbar an Leochares' Raub
des Ganymed (vgl. S. 355 und 358) an, setzt aber eine be-
leibte Fran an die Stelle des schlanken Jünglings. Das
Relief im Museum von Lahor (s. die nebenstehende Abbil-
dung), welches das Dämonenheer Maras, des bösen Geistes,
darstellt, wirkt als Ganzes doch mehr barbarisch-römisch als
gerade indisch.
So sehen wir die Fäden der hellenistisch-römischen Kunst
durch alle Länder der Alten Welt laufen; überall legen sich
fremde Fäden in gleicher Richtung zwischen sie und, sie
kreuzend, über sie; und fast überall bleiben in dem auf diese Weise aus Zettel und Einschlag
entstehenden neuen Kunstgewebe die goldenen Fäden sichtbar, die aus der versunkenen Welt
des „klassischen Altertums" stammen.
Fünftes Buch. Heidnische Kunst in Nordeuropa und in Westasien.
kommen mir an anderer Stelle zurück. Hier kann nur kurz auf die hellenistisch-römischen Ele-
mente hingewiesen werden, die sie enthält.
Berühmt ist die Statue des sitzenden schnurrbärtigen „Königs" im Museum zu Lahor.
Ihr Kopf wirkt ähnlich wie die Dacierköpfe der römischen Kunst (vgl. S. 456). Ihr Leib ist
indisch-geschwollen. Die Nebenfiguren erscheinen nach Hal-
tung und Tracht römisch genug. Die besterhaltenen erzählen-
den Reliefs, die buddhistische Sagen darstellen, sind aus
dein Kloster zu Dschamalgari ins British Museum gekommen.
Beim ersten Anblick kann man meinen, wirklich griechisch-
römische Arbeiten vor sich zu haben. Wie die künstlerischen
Motive der griechischen Gigantomachie irgend einer buddhi-
stischen Sage angepaßt wurden, zeigt das Bruchstück eines
Dreieckseldes im Museum zu Kalkutta. Die Formen der Lei-
ber, das Spiel der Muskeln erinnern hier, wie die Haupt-
motive, an hellenistisch-römische Kunst. Eine andere, mehr-
fach erhaltene Gruppe knüpft offenbar an Leochares' Raub
des Ganymed (vgl. S. 355 und 358) an, setzt aber eine be-
leibte Fran an die Stelle des schlanken Jünglings. Das
Relief im Museum von Lahor (s. die nebenstehende Abbil-
dung), welches das Dämonenheer Maras, des bösen Geistes,
darstellt, wirkt als Ganzes doch mehr barbarisch-römisch als
gerade indisch.
So sehen wir die Fäden der hellenistisch-römischen Kunst
durch alle Länder der Alten Welt laufen; überall legen sich
fremde Fäden in gleicher Richtung zwischen sie und, sie
kreuzend, über sie; und fast überall bleiben in dem auf diese Weise aus Zettel und Einschlag
entstehenden neuen Kunstgewebe die goldenen Fäden sichtbar, die aus der versunkenen Welt
des „klassischen Altertums" stammen.