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Woermann, Karl
Die Kunst der christlichen Völker vom 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts — Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Band 3: Leipzig, Wien: Bibliograph. Inst., 1911

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252 ' Zweites Buch. Die Kunſt des 17. Jahrhunderts.

Der Römer Domenico Feti (1589 — 1624), deſſen Hauptbedeutung in ſeinen kleinen land-
ſchaftlich und ſittenbildlich aufgefaßten Darſtellungen, wie den Gleichniſſen des Herrn in Dres-
den, liegt, war urſprünglich Schüler Cigolis (S. 248), entwickelte ſich jedoch zu einem eigen-
artigen Meiſter von natürlichen Formen, gehaltenen Farben und flotter, breiter Pinſelführung.
Band Feti ſich in ſeinen landſchaftlichen Sittenbildern aber, abgeſehen von ſeinem „Marktplatz“
in Wien, noch an ideale Stoffe, ſo war ſein Landsmann Michelangelo Cerquozzi (1602
bis 1660) einer der früheſten Italiener, die ſich unter niederländiſchem Einfluß kleinfigurigen
irdiſchen Vorgängen in landſchaftlichem Rahmen zuwandten. Seine Schlachtenbilder und
Volksſzenen, die in vielen Galerien vorkommen, verbinden feſte Zeichnung mit wirkungsvoller
Beleuchtung. Die Blumen- und Stillebenmeiſter der Schule, wie Pietro Paolo Bonzi,
genannt il Gobbo dei Carracci, da Cortona oder dai frutti (um 15701630) und
Mario Nuzzi (dai fiori, 1603 — 73), aber faßten ihre Aufgaben doch erſt im Sinne dekora-
tiver Verwertung farbiger Erſcheinungen auf.

In Genua ſtand Bernardo Strozzi (15811644), der ſpäter als „Prete Geno-
veſe“ in Venedig lebte und ſtarb, an der Spitze der realiſtiſchen Bewegung, die hier unter
der Fernwirkung Caravaggios emporblühte. Weniger leidenſchaftlich als dieſer, derber in der
kecken Pinſelführung, bunter in der Farbengebung, iſt er noch weniger wähleriſch, manch-
mal aber auch rhetoriſcher in der Formenſprache als er. Anſprechender als ſeine zahlreichen
bibliſchen, namentlich altteſtamentlichen Darſtellungen ſind ſeine lebensgroßen, farbenfriſchen
bildnisartigen Sittenbilder, wie die Baßgeigerin in Dresden, die Köchin im Palazzo Roſſo zu
Genua, der Bettler im Palazzo Corſini zu Rom. Als Tiermaler aber ſchloß ſich der viel-
ſeitige Giovanni Benedetto Caſtiglione (161670), der nach Mantua überſiedelte,
mehr dem Stoffgebiet als der Auffaſſung nach den Realiſten an.

Die neapolitaniſche Kunſtgeſchichte des 17. Jahrhunderts, die Dominicis Werk ver-
dunkelte, iſt neuerdings durch Forſcher wie Salazar urkundlich beleuchtet worden; das aus-
führliche neue Werk über die neapolitaniſche Schule von W. Rolfs erſchien erſt während des
Druckes dieſes Bandes. Der Realismus lag dem Süden Italiens im Blute, wurde hier
künſtleriſch jedoch zunächſt von ausländiſchen Meiſtern gepflegt. Was der Oberitaliener Cara-
vaggio hier angeregt, brachte der große Spanier Juſepe de Ribera (um 15881652),
lo Spagnoletto genannt, dem früher Eiſenmann, Juſti und der Verfaſſer dieſes Buches nach-
gegangen ſind, ſpäter Auguſt Mayer und M. Utrillo Werke gewidmet haben, zur Vollendung.
In Jätiva geboren, empfing Ribera ſeinen Hauptunterricht in Valencia, deſſen Schule ſich
unter Francisco Ribalta (um 15551628), dem „valencianiſchen Caravaggio“, einem
dunkelſchattigen „Realismus“ zuwandte. Noch jung zog Ribera nach Italien, wo er ſich nach-
weislich in Parma und Rom, offenbar aber auch in Venedig weiterentwickelte. Unverkennbar
hat Tizian ſeine Malweiſe beeinflußt, die bald mit feinhaarigem Pinſel flüſſig modelliert, bald
mit derberem Pinſel breit und paſtos zufährt. Unverkennbar hat Correggio auf ſeine ſpätere
leidenſchaftliche Lichtfreude eingewirkt. Unverkennbar aber hat er in Neapel und Rom auch
Werke Caravaggios ſtudiert, als deſſen Schüler er früher galt. Die Schwarzſchattigkeit, derent-
wegen einige ihn zu den „tenebrosi“ ſtellten, tritt beſonders in ſeinen früheren, derb gezeichneten
und rötlich getönten Bildern hervor. Mit der zunehmenden Lichtfreudigkeit ſeiner Reifezeit ge-
wannen auch ſeine Typen und Kompoſitionen an Adel der Umriſſe, ohne konventionell zu wer-
den. Doch fehlt es auch ſeinen lichtfreudigſten Bildern keineswegs an dunkler, wenn auch räum-
lich beſchränkter Schattengebung. Durchweg bleibt Ribera ein Meiſter von außerordentlicher
 
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