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Woermann, Karl
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (4. Band): Die Kunst der älteren Neuzeit von 1400 bis 1550 — Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.67365#0183

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Die Malerei dieſer Zeit in Salzburg und in Tirol. - 141

ſeine künſtleriſche Heimat anerkannt werden muß. Mit ſeinen Anfangsbuchſtaben und der
Jahreszahl 1491 hat er die vier aus Salzburg ſtammenden Goldgrundbilder in Wien be-
zeichnet, die die Leidensgeſchichte Chriſti in ziemlich realiſtiſcher Auffaſſung, aber in ſeeliſch
ungemein milder, faſt ſchwächlicher Stimmung darſtellen. Die gleiche Bezeichnung trägt das
mittelgute Bruſtbild eines Jünglings mit roter Kappe in der Sammlung Figdor zu Wien.
Von dieſen Bildern ausgehend, haben Fiſcher und Stiaſſny dem Meiſter noch frühere Werke,
wie einen älteren Chriſtus am Kreuz in Wien, und jüngere Werke zugeſchrieben, wie die
vier großen Tafeln in der Kirche zu Großgmain am Untersberg, die die Darſtellung im
Tempel (Taf. 17), Jeſus im Tempel lehrend, Pfingſten und den Tod Marias verbildlichen.
Obgleich 1499 gemalt und räumlich ziemlich entwickelt, zeigen ſie noch gemusterten Gold-
grund. Die Gruppen ſind geſchmackvoll angeordnet, die Färbung iſt licht und friſch. Von
Leidenſchaft iſt hier ſo wenig etwas zu ſpüren wie in den verwandten Bildern Zeitbloms. Daß
Frueauf dieſe Bilder geſchaffen, wird von Weſt und anderen wieder beſtritten. Jedenfalls
gehören ſie zu den beſten, wenn auch nicht eindringlichſten deutſchen Schöpfungen ihrer Zeit.
Neben dem alten tritt ſein gleichnamiger Sohn Rueland Frueauf der Jüngere zu Ende
des 15. Jahrhunderts in Paſſau auf. Seine Bilder, die, wie die ſeines Vaters, die Bezeichnung
R. F. tragen, ſind fortgeſchrittener in ihren landſchaftlichen Wirkungen und eindringlicher in
ihrer Kleinmalerei. Genannt ſeien die Täfelchen eines Altarwerkes von 1501 mit Legenden-
und Bibelbildern in der Galerie und das große Goldgrundbild des hl. Leopold von 1508 in
der Prälatenkapelle zu Kloſterneuburg. Im Jahre 1494 erhielt dann Marx Reichlich, der
in Tirol Schüler des großen Michael Pacher (S. 142) geweſen zu ſein ſcheint, das Bürger-
recht in Salzburg. Die Jahreszahl 1489 trägt ſeine „Anbetung der Könige“ im Kloſter Wil-
ten. Von den Tafeln ſeines Marienaltars von 1502 befindet ſich die Geburt der Jungfrau in
Schleißheim, ihr „Tempelgang“ in Burghauſen, die „Heimſuchung“ in München. Hier iſt bei
weicher Formenrundung volle räumliche Entwickelung mit tonvoller Farbigkeit verbunden.

Was ſich von der wieneriſchen, ſteieriſchen und böhmiſchen Malerei dieſer Zeit
berichten ließe, kann füglich der Sonderforſchung überlaſſen bleiben, die auch in Oſterreich
erfolgreich an der Arbeit iſt. Erwähnt ſei immerhin, daß das beſterhaltene Wandgemälde
am Außeren einer ſüddeutſchen Kirche die mächtige, um 1450 entſtandene, von italieniſchen
Erinnerungen erfüllte Darſtellung des himmliſchen Hofſtaates der Dreifaltigkeit an der Süd-
ſeite des Grazer Domes iſt. Über altſteieriſche Bilder in Graz hat Suida, über die Hand-
ſchriftenmalerei Kloſterneuburgs während des 15. Jahrhunderts v. Winkenau berichtet. 1

Nur in Tirol tritt uns, offenſichtlich von Oberitalien her beeinflußt, ein Aufſchwung
der Wand⸗ und Tafelmalerei entgegen, der uns als Sondererrungenſchaft innerhalb der
deutſchen Kunſtgeſchichte dieſer Zeit feſſelt, auf die Entwickelung im übrigen Deutſchland
aber keinen ſonderlichen Einfluß gewinnt. Die „Kunſt an der Brennerſtraße“, an deren
Erforſchung ſich, nachdem Semper den Grund zu ihr gelegt hatte, zunächſt Riehl und
Walchegger, weiterhin nochmals Semper und vor allem Weingärtner beteiligt haben, läßt
ſich im vollen Gegenſatz zu der Kunſt im übrigen Deutſchland, beſſer in ihren Wandgemäl-
den als in ihren Tafelbildern verfolgen.

In der Übergangszeit vom 14. zum 15. Jahrhundert ſahen wir (Bd. 3, S. 429) die
deutſchtiroler Wandmalerei, unzweifelhaft von der oberitalieniſchen Kunſt beeinflußt, großen-
teils aber doch im deutſchen Sinne verderbert und verinnerlicht, im Bozener, im Meraner
und im Brixener Kreiſe in leicht unterſchiedenen Bahnen der größeren Naturnähe der
 
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