Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Woermann, Karl
Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker (4. Band): Die Kunst der älteren Neuzeit von 1400 bis 1550 — Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut, 1919

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.67365#0584

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die ſchwäbiſche Malerei. Hans Holbein der Jüngere. 499
/

aber chriſtliche Darſtellungen und Volksbilder, wie Jagden, Umzüge und den Jungbrunnen.
Das reife, weiche, noch nicht recht eindringliche Halbfigurenbildnis des Benedikt von Herten-
ſtein von 1517, über dem im Fries des Wandgrundes ein altrömiſcher Reliefzug dargeſtellt
iſt, gehört dem Neuyorker Muſeum. Nach Baſel zurückgekehrt, entfaltete der Meiſter ſeine
volle Jugendkraft (1519 —26) zunächſt in Bildniſſen, wie dem ſprechenden Profilbruſtbild des
Bonifazius Amerbach (1519) in Baſel, den drei ähnlich behandelten Bildniſſen des Erasmus
(1523) in Longford Caſtle, im Louvre und in Baſel, den beiden maleriſch aufgefaßten, warm
getönten Darſtellungen der „Lais Corinthiaca“ genannten Buhlerin (1526) und ſeinem vor-
nehm ruhigen, „in trockenen Farben auf Papier“ gemalten Selbſtbildnis in Baſel. Aber auch
ſeine religiöſen Tafelbilder dieſer Zeit zeigen eine aufſteigende Entwickelung. Welcher Abſtand
von jener frühen Kreuztragung zu den acht neuen
Paſſionsbildern in Baſel, die zu zweien übereinander
in vier ſchmalen Hochtafeln zuſammengefügt worden!
Das beſchnittene Abendmahlsbild in Baſel (Abb. 287)
war vielleicht das Mittelbild, zu dem ſie gehörten.
Wie klar und ruhig bei aller inneren Leidenſchaftlich-
keit, wie anſchaulich und wohlgeordnet ſind die Be-
gebenheiten hier wiedergegeben! Wie groß ſind die
Einzelformen der immer noch langköpfigen und hoch-
ſtirnigen Geſtalten geſehen! Dann, von 1522, die
in ruhiger Würde daſtehenden Altarflügelgeſtalten
des hl. Georg und der hl. Urſula in Karlsruhe, von
1524 aber das ergreifende Bild des toten Erlöſers
in Baſel, das vom reifſten maleriſchen Können zeugt!
Der Leichnam Chriſti, der mit geöffnetem Munde
und zurückgefallenem Haar auf dem Rücken da
liegt, iſt geradezu ein Wunder an naturaliſtiſcher Ae e
Durchmodellierung des fahlen Körpers (Abb. 288). 17 0 e e e e 155
Auf der Höhe ſeiner Kunſt zeigen den Meiſter vor 5
allem ſeine beiden großen Madonnenbilder von 1522 in Solothurn und von 1525 in Darm-
ſtadt. Das Solothurner Madonnenbild, das die gekrönte Muttergottes zwiſchen den Heiligen
Urſus und Georg darſtellt, iſt ganz von ruhigem menſchlichen Empfinden erfüllt. Die berühmte
Madonna des Bürgermeiſters Meyer (1525) in Darmſtadt (Taf. 57), als deren Original vor
den Ausführungen Zahns, Woltmanns, Bayersdorfers und des Verfaſſers dieſes Buches die
ſchöne, etwas veränderte Kopie in Dresden gefeiert wurde, iſt längſt allein als Holbeins echtes
Bild erkannt worden. Die Dresdener Nachbildung iſt nach Ernſt Majors Darlegung wahr-
ſcheinlich um 1636 in Amſterdam für die franzöſiſche Königin Maria Medici von deren Hofmaler
Bartholomäus Sarburgh ausgeführt worden. Knieend ließ der katholiſch gebliebene Bürger-
meiſter ſich mit den Seinen zu Füßen der in einer Renaiſſanceniſche ſtehenden, gütig herab-
blickenden, gekrönten Jungfrau malen, die ihr nacktes Kindlein zärtlich an ſich drückt. Der
Einfall des Romantikers Ludwig Tieck, daß Maria ihren geſunden Sohn zu den Kindern des
Bürgermeiſters auf den Teppich geſtellt und dafür das kranke Söhnchen des Bürgermeiſters, es
zu heilen, auf den Arm genommen habe, iſt im Sinne unſerer Neuromantiker 1914 von Oskar

Ollendorf nicht eben überzeugend wieder aufgenommen worden. Die ſieben Geſtalten des Bildes
; 25
 
Annotationen