Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 1): Germanenreiche und Karolingerzeit — Heidelberg, 1995

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.15263#0101

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Chlothar I. (t 561) und Theudebert L (t 547) vor allem gegen die Ostgoten geschlossen
hatte" und das seinen angeblichen Grund in der Ermordung Königin Amalasvinthas17,
der ,Schutzbefohlenen' Justinians18 einerseits und der ,geliebten Cousine' der Merowin-
gerkönige andererseits" hatte, in Wirklichkeit aber, wie der Patronatswechsel in Raven-
na überdeutlich macht, ein diplomatischer Schachzug der byzantinischen Politik war20,
der katholisches Byzanz und katholisches Frankenreich gegen die arianischen Goten ei-
nigen sollte.

Daran ändern auch die Verhandlungen nichts, die zwischen Byzanz und Ostgoten ei-
nerseits, zwischen Ostgoten und Franken anderseits, stattfanden, währenddem die Fran-
ken die von den Ostgoten als Preis abgetretene Provence besetzten, unter Theudebert I.
in Italien eindrangen und Gebiete eroberten, aber auch einmal mit den Byzantinern, ein
andermal mit den Ostgoten Pakte abschlössen - mit dem byzantinischen Feldherrn Beii-
sar einen Nichtangriffspakt21. Der Grundtenor der ,Achse' Byzanz - Franken ist durch
die Patronatsdedikation in Ravenna evident. So jedenfalls, wie man es in Byzanz sah. St.
Martin in der Ravennater Kirche ist als neuer Patron purpurgewandet, ähnlich einem
Kaiser22. Auch der vierte der Reihe dieser Heiligen, San Lorenzo (St. Laurentius)23 fällt
durch die sichtbare goldene Tunika auf und aus der Reihe der anderen 24 männlichen Fi-
guren. Denn die weiblichen Figuren links und die restlichen 24 männlichen Figuren
rechts sind ansonsten alle weiß gewandet. Die weiblichen Figuren tragen alle ungefähr
gleiche, mit Stirnjuwel geschmückte ,ote(pavot' (Stephanoi)24; ebenso die männlichen,
ausgenommen die Heiligen St. Martin (Nr. I)25, St. Clemens (92 -101) (Nr. 2)26 und St. Lau-
rentius (t 258) (Nr. 4)27. Die Kronen, die diese drei tragen, sind anders. Dabei fällt die von
St. Laurentius getragene Krone noch durch ihren geringeren Umfang auf, was schon in-
soweit eine Frauenkrone nahelegt. Die Krone Nr. 1 (die Krone St. Martins) ist eine mit
Lorbeer geschmückte, mit Stirnjuwel und weiterer reicher Juwelen-(auch Email- ?)Ver-
zierung, dem Umfang nach für eine männliche Person gedacht. St. Martin bringt sie (wie
alle anderen Heiligen rechts auch) dem Christus Pantokrator28 gewissermaßen huldigend
dar, wobei in der Darstellung Christi klar dessen irdisches Abbild, der rechtgläubige
Christus- und Apostel-gleiche Basileus29, erkennbar ist. Wie schon erwähnt, unterschei-
det sich das Diadem Nr. 1 von den üblichen, die die anderen Heiligen tragen. Was aber
hat es mit dieser Krone auf sich? Denkt man sich das Stirnjuwel mit der zugehörigen
Platte weg, so vermag ich eine gewisse stilistische Ähnlichkeit mit der ,corona ferrea' im
Domschatz zu Monza, der ,eisernen Langobardenkrone'30 zu erkennen, die ja von Ange-
lo Lipinsky31 als das 497/98 von Kaiser Anastasios I. (491 - 518) an König Theoderich mit
den ,omnia ornamenta palatii' (,vestis regia')32 geschickte Diadem bezeichnet wird, was
zwar nicht unmittelbar bezeugt ist, aber aus der Analogie der Übersendung eines Dia-
dems durch Kaiser Anastasios an König Chlodwig 50833 erschlossen werden könnte.
Doch ist die Ravennater Darstellung nicht derart eindeutig, daß aus der Abbildung
zwingend auf eine Identität geschlossen werden könnte oder gar müßte. Wohl aber ist
m. E. eine gewisse Ähnlichkeit sichtbar, die einen Sinn in der Darstellung ergäbe. Denn
nach 540, nach dem Aussterben der ostgotischen Amaler34 und dem Sieg der Byzantiner
über die Ostgoten (wenngleich sich die letzten Kämpfe noch 15 Jahre hinzogen)35 gibt
hier St. Martin, Vorkämpfer des rechten Glaubens und Schutzheiliger der rechtgläubigen
Franken und ihrer Könige, dem Pantokrator (und damit dem rechtgläubigen Autokra-
tor) das Theoderich verliehene Diadem, das sich vor den anderen auszeichnet, an diesen
zurück. Diese Darstellung gerade in der Palastkirche Theoderichs, der ja 497/98*1 ein sol-
ches Diadem vom Autokrator erhalten hatte, diese Darstellung an diesem Ort, muß als

92
 
Annotationen