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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 1): Germanenreiche und Karolingerzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15263#0228

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habe33. Aber das gilt ja nun wohl auch für die weiteren einschlägigen Inserte etwa in den
Reichsannalen zu 7Ö334:... Tassilo dux Baioariorum postposuit sacramenta et omnia, quae pro-
miserat, et per malum ingenium se inde reduxit, omnia benefacta (auch hier wohl wieder im
Sinne von , Wohltaten'!), quae Pippinus rex avunculus eins eifecit, postposuit; per ingeniafrau-
dulenta (A. q. d. E.: aegritudine per dolum simulata) se subtrahendo Baioariam petiit....

Unstreitig ist, daß Tassilo zum Hoftag nach Nevers gekommen war, was doch immer-
hin bedeutet, daß er aus Bayern nach Nevers an der Loire kam35, also zunächst Folge lei-
stete. Doch dann wollte (oder konnte) Tassilo an Pippins (viertem) Zug gegen Aquitani-
en nicht teilnehmen. Über Tassilos Gründe schweigen die Quellen, abgesehen von der
(angeblichen) Krankheit in den Einhardsannalen. Die Notiz zum Wormser Hoftag (und
die Annales Mettenses ad 745)Ä bestärken meine Meinung, Pippin habe ,causam pertracta-
bat inter Waifarium (dem Herzog von Aquitanien) et Tassilonem', daß Tassilo sich wegen
eines Bündnisses (fedus) aus dem Jahre 74337, zwischen Odilo von Bayern und Hunold
von Aquitanien geweigert habe, gegen Waifar von Aquitanien zu ziehen. Tassilo scheint
sich also nicht willkürlich, sondern aus einem beachtlichen Rechtsgrund geweigert zu
haben, wofür auch spricht, daß weder in Worms eine Aktion gegen Tassilo beschlossen
wurde, noch 768 bei Karls Regierungsantritt. Auch weigerten sich die bayerischen Gro-
ßen 763 in Nevers nicht, trotz des angeblich gebrochenen Treueids von 757, mit Tassilo
wieder heimzuziehen, was sie sicher getan hätten, wenn der junge Tassilo sich nicht auf
Recht hätte berufen können. Auch die Reichsannalen wären da bei ihrer Tendenz sicher
nicht so verschwiegen.

Wenn Tassilos Verhalten in Nevers 763 wirklich ,harisliz', ,Verlassung' gewesen wäre,
so ist es völlig unverständlich, daß weder Pippin zwischen 763 und 768, noch Karl der
Große nach 768 deswegen zunächst etwas gegen Tassilo unternahmen. Genau 25 Jahre
danach taucht dieser Vorwurf erstmals auf! Auch hätte Bertrada, Pippins Witwe und
Karls Mutter, angesichts eines klaren ,harisliz' Tassilos ihrem verstorbenen Gemahl ge-
genüber nicht 769/70 eine Bündnispolitik im ,Dreibund' Karl-Desiderius-Tassilo betrie-
ben38. Die ,Verstimmung' von 763/64 war demnach, auch wohl durch päpstliche Ver-
mittlung, 769/70 längst ausgeräumt*. Karl der Große verschwägert sich 769/70 im Zuge
der genannten Bündnispolitik mit Tassilo, seinem leiblichen Vetter, indem er eine
Schwester von dessen Gemahlin40, Liutbirc11, heiratet und dafür seine erste Gemahlin Hi-
miltrud verstößt. Auch die Ausgleichs- und Friedensmission des aus Bayern stammen-
den, bei Karl hochangesehenen Abtes von Fulda, Sturmius)42, wäre nach einer ,Verlas-
sung' von 763 und damit dem Bruch des ,Vasalleneides' von 757, nicht denkbar. Dage-
gen ist auf Widersprüche des Continuator Fredegarii43, der bei der Reichsteilung Pippins
768 Bayern unerwähnt läßt, und Einhards späterer Vita Caroli Magni44 hinzuweisen, wo
Bayern 768 als zum Frankenreich gehörig bezeichnet wird, was es, zu der Zeit als Ein-
hard schrieb, ja denn auch war. Nach Karls Herrschaftsantritt baut Tassilo seine Grund-
lage aus: er nennt seinen Sohn und Nachfolger45 Theodo - ein Name, der ein Programm
bedeutet. Er läßt 772 diesen Sohn Theodo vom Papst taufen und salben", was, wie man
richtig bemerkte, als ,geistliche Legitimierung' verstanden werden muß, die vielleicht
sogar Karl 781 imitiert hat.

Tassilo unternimmt aber nichts, als Karl 774 das langobardische Reich seines Schwie-
gervaters Desiderius erobert, die Königsfamilie - immerhin Eltern und Geschwister von
Tassilos Gemahlin - in Klosterhaft nimmt und sich zum rex Langobardorum erklärt. Tassi-
lo unternimmt auch nichts, als Karl schwerste Kämpfe mit den Sachsen zu bestehen hat -
beides zwischen 773 und 780 beste Gelegenheiten für Tassilo, wenn er je etwas gegen

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