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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 1): Germanenreiche und Karolingerzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15263#0352

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nicht ohne Bedeutung sein. Die Regierungsunfähigkeit Karls wird evident: ,Franci vero
australes videntes imperatoris vires ad regendum imperium invalidas, eiecto eio de regno
und:cementes optimates, non modo vires corporis, verum etiam animi sensus ab eo dijfuge-
reT

Die offenkundige Regierungsunfähigkeit Karls infolge seiner in ihren Anfängen nun
schon seit 14 Jahren auftretenden Krankheit führten zum Abfall der Großen und der
Stämme, die Ende November 887 Arnulf von Kärnten huldigten". Nur etwa 6 Wochen
überlebte Karl III. diesen zweiten seelischen Schock innerhalb eines Halbjahres. Am 13.
Januar 888 starb er (in Neidingen a. d. Donau" sö Donaueschingen) im Alter von 48 Jah-
ren, also in fast gleichem Alter wie sein Bruder Karlmann und später sein Neffe Arnulf.
Karlmann war mit etwa 51 Jahren gestorben, der mittlere Bruder Ludwig III. mit 52. Die
erste Krankheitserscheinung trat bei Karlmann mit Mitte Vierzig auf, bei dessen Sohn
Arnulf desgleichen, bei Karl III. schon mit etwa 34.

Auffällig ist, wie wir feststellten, der Sprachverlust bei Hemma, Karlmann und Ar-
nulf, also dreier Generationen in Folge. Trotz der offenbar ererbten Disposition, die bei
Karl III. zur ,Epilepsie' führte, ist bei ihm ein Sprachverlust bis zu seinem Tod nicht be-
zeugt. Nun ist aber außer dem großen Krampfanfall (Grand Mal) vom 25./26. Januar 873
keine genauere Diagnose zu stellen und unter dem Schlagwort,Epilepsie' wird ja be-
kanntlich eine recht große Gruppe hirnorganischer Anfallskrankheiten, die Ausdruck ei-
ner Funktionsstörung des Zentralnervensystems sind, beschrieben.

Auch der wohl - zumindest seit 886/87 sichtbare - epileptoide Zustand Karls III.100
der eine Wesensveränderung mit sich brachte, mit Schwerfälligkeit, zähflüssigem Erleb-
nisablauf, Unentschlossenheit101, Wankelmut etc. läßt sich historisch an Karls Verhalten
in der Nachfolgefrage102, wie hinsichtlich seiner Gemahlin und des Erzkaplans Liut-
ward103, belegen. Auch seine Apathie angesichts der Empörungen in Kirchen im Juni 887
und in Frankfurt im November 887, seine ,stille Ergebenheit' ist wohl ein Indiz seiner Er-
krankung, die bereits Anfang 887 so schwer war, daß eine ,incisio capitis'104, eine Schä-
deloperation nötig war, die damals durchaus in jedem Falle ein letales Risiko bedeutete,
also zwingend indiziert gewesen sein muß. Diese Trepanation, d. h. die Öffnung der
Schädelkapsel, geschah wohl zum Zweck der Entlastung des durch eine Geschwulst
oder ein Gehirnödem verursachten Gehirndruckes. Es ist nun äußerst schwierig, aus den
spärlichen Angaben der Quellen zu Karl III. die exakte Ursache des offenbar vorhande-
nen Gehirndruckes zu eruieren105.

Doch bleibt festzuhalten, daß offenbar auch Karl eine Disposition zu Gehirngefäßer-
krankungen bzw. zu einer Funktionsstörung des Zentralnervensystems besaß. Da Karl
keine ehelichen Kinder hatte und sein außerehelicher Sohn Bernhard schon im Alter von
etwa 15 Jahren erschlagen wurde106, auch die Söhne Ludwigs III., Hugo107 (erschlagen bei
Thimeon 880) und Ludwig (verunglückt im Herbst 879 in Regensburg als Kind)108 ge-
waltsam starben, bleiben für unsere Betrachtung nur Arnulf von Kärnten und dessen
Söhne: Zwentibold, Ratold und Ludwig IV. (das Kind).

Über Ludwig IV. wurde oben schon gehandelt. Er starb 911 mit knapp 18 Jahren105.
Zwentibold, geboren etwa 870, wird am 13. August 900, also mit etwa 30 Jahren, erschla-
gen110. Aus seiner Ehe mit König Heinrichs I. Schwester Oda (27. März 897)111 entsprossen
zwei Töchter, Cäcilia und Benedicta, später Äbtissinnen des Stiftes Süsteren. Mehr wis-
sen wir über sie nicht112.

Von Ratold(t)113, dem anderen illegitimen Sohn Arnulfs, wissen wir so gut wie nichts.
896 hat ihn Arnulf wohl in Mailand zurückgelassen und ihn ,der Treue des Volkes'114 an-

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