2X8 HANS HOLBEIN UND DIE REFORMATION.
Kämmerers, was er bei dem hohen fchmalen Raum dadurch möglich
macht, dafs er ihn auf abfteigender, von Laub- und Nadelholz befchatteter
Strafse gerade auf den Befchauer zukommen und eine Wendung machen
läfst. Es ift ein vierrädriges Planwägelchen, befpannt mit zwei Pferden,
eines vor dem andern; auf dem zweiten fitzt der Reitknecht; fo mochte
damals in Deutfchland reifen, wer das bequeme Fahren dem gebräuch-
licheren Reiten vorzog. Philippus tritt eben an den Wagen und beginnt
mit dem Infaffen das Gefpräch.
Auf der unteren Querleifte, an dem Schemel, auf welchem Petrus
kniet, fleht Lützelburger's Zeichen1). Diefer zeigt hier eine Meifter-
fchaft, die nur er felbft in einigen fpäteren Arbeiten übertrifft. Aber
nicht nur die Leiftung des Formfehneiders und die malerifche Darftellung
verdienen Bewunderung, fondern auch der Gedankengang, der fich in
dem Ganzen ausprägt. Oben die Weihe des Erlöfers zu feinem Werk,
und ringsum eine Darftellung von der fiegreichen Macht feiner Lehre.
Sie überwindet die Befangenheit der Anhänger, wie den Widerftand der
Feinde, die fie zu Bekennern macht, fie fchirmt die Getreuen in Gefahr
und Noth und zieht mit überzeugender Kraft die Menfchen fernfter Länder
in die Gemeinfchaft der Chriften hinein. Was hier vom Urchriftenthum
verkündigt wird, das — hofften der Künftler und die ihn verftanden —
follte fich nun auch an der neu gereinigten Lehre des Herrn bewähren.
Daffelbe Buch aber birgt nebft dem Titel noch einen andern Schmuck
bei welchem Holbein's Erfindung unverkennbar ift, mag auch die Aus-
führung minder gut, der Formfchnitt meift mittelmäfsig, und in einigen
Fällen ganz roh fein, einundzwanzig Holzfchnitte aus der Offenbarung
Johannis 2). Diefe find namentlich deswegen intereffant, weil fie uns
Holbein auf demfelben Gebiet zeigen, auf dem Albrecht Dürer fich
bewegt hatte. Deffen erftes Hauptwerk war feine Folge von grofsen
Holzfchnitten zur »heimlichen Offenbarung Johannis« gewefen. Diefe
Vifionen, die jeder fichtbaren Geftaltung fpotten, hatte er in Bildern feftzu-
halten, das Unfagbare zu fagen verfucht. Zur wahren Klärung, zum
wirklich malerifchen Erfaffen und Darftellen der Dinge war er hier niemals
durchgedrungen, aber eine wunderbare Gröfse der Conception, eine hin-
reifsende Gewalt der Einbildungskraft hatte er in den Bildern gezeigt.
Jeder Nachfolgende, und auch der Selbftändigfte, wenn er fich jetzt auf
demfelben Stoffgebiete bewegte, konnte fich der Einwirkung diefer Com-
pofitionen nicht entziehen.
Wie nun Holbein diefen Einflufs erfährt, ift intereffant zu beobachten.
Dafs Dürer's Blätter aller Art, die durch ganz Deutfchland gingen, auch
, Vergl. S. 193.
2) Nr. i5o — 170.
Kämmerers, was er bei dem hohen fchmalen Raum dadurch möglich
macht, dafs er ihn auf abfteigender, von Laub- und Nadelholz befchatteter
Strafse gerade auf den Befchauer zukommen und eine Wendung machen
läfst. Es ift ein vierrädriges Planwägelchen, befpannt mit zwei Pferden,
eines vor dem andern; auf dem zweiten fitzt der Reitknecht; fo mochte
damals in Deutfchland reifen, wer das bequeme Fahren dem gebräuch-
licheren Reiten vorzog. Philippus tritt eben an den Wagen und beginnt
mit dem Infaffen das Gefpräch.
Auf der unteren Querleifte, an dem Schemel, auf welchem Petrus
kniet, fleht Lützelburger's Zeichen1). Diefer zeigt hier eine Meifter-
fchaft, die nur er felbft in einigen fpäteren Arbeiten übertrifft. Aber
nicht nur die Leiftung des Formfehneiders und die malerifche Darftellung
verdienen Bewunderung, fondern auch der Gedankengang, der fich in
dem Ganzen ausprägt. Oben die Weihe des Erlöfers zu feinem Werk,
und ringsum eine Darftellung von der fiegreichen Macht feiner Lehre.
Sie überwindet die Befangenheit der Anhänger, wie den Widerftand der
Feinde, die fie zu Bekennern macht, fie fchirmt die Getreuen in Gefahr
und Noth und zieht mit überzeugender Kraft die Menfchen fernfter Länder
in die Gemeinfchaft der Chriften hinein. Was hier vom Urchriftenthum
verkündigt wird, das — hofften der Künftler und die ihn verftanden —
follte fich nun auch an der neu gereinigten Lehre des Herrn bewähren.
Daffelbe Buch aber birgt nebft dem Titel noch einen andern Schmuck
bei welchem Holbein's Erfindung unverkennbar ift, mag auch die Aus-
führung minder gut, der Formfchnitt meift mittelmäfsig, und in einigen
Fällen ganz roh fein, einundzwanzig Holzfchnitte aus der Offenbarung
Johannis 2). Diefe find namentlich deswegen intereffant, weil fie uns
Holbein auf demfelben Gebiet zeigen, auf dem Albrecht Dürer fich
bewegt hatte. Deffen erftes Hauptwerk war feine Folge von grofsen
Holzfchnitten zur »heimlichen Offenbarung Johannis« gewefen. Diefe
Vifionen, die jeder fichtbaren Geftaltung fpotten, hatte er in Bildern feftzu-
halten, das Unfagbare zu fagen verfucht. Zur wahren Klärung, zum
wirklich malerifchen Erfaffen und Darftellen der Dinge war er hier niemals
durchgedrungen, aber eine wunderbare Gröfse der Conception, eine hin-
reifsende Gewalt der Einbildungskraft hatte er in den Bildern gezeigt.
Jeder Nachfolgende, und auch der Selbftändigfte, wenn er fich jetzt auf
demfelben Stoffgebiete bewegte, konnte fich der Einwirkung diefer Com-
pofitionen nicht entziehen.
Wie nun Holbein diefen Einflufs erfährt, ift intereffant zu beobachten.
Dafs Dürer's Blätter aller Art, die durch ganz Deutfchland gingen, auch
, Vergl. S. 193.
2) Nr. i5o — 170.