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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0346
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3°2

DIE MEYER'SCHE MADONNA.

eben fo einfache als feine Verdunkelung, die noch in dein tiefßen Schatten
die Localfarbe auf das Deutlichjie erkennen läfst. Befonders charakteri-
ftifch in den Fleifchtönen. Entweder in bräunlicher oder grauer, in fpä-
terer Zeit mehr violetter Abtönung modellirte der Elefier feinen dem Teint
des Modells jedenfalls auf das Treueße entfprechenden Fleifchton der
Geflehter und Hände, und zwar in ganz gleichmäfsig paßofer Ausführung.
Nie hat er den Contraß der paßofen, gelblich-warmen Lichtflächen mit
»gefchummerten« bläulichen Halbtönen, warm-braunen tranfparenten Schat-
ten und wiederum paftos-leuchtenden Reflexen, welcher in der Malerei der
fpäteren Jahrhunderte fo vielfach ausgebildet wird, fordern ein Schatten-
ton, diefer aber in den feinften Abstufungen genügt dem Meißer zur Ab-
rundung feiner Formen. — Charakterißifch und mit dem durchgehenden
Grundprincip übereinßimmend iß eine Äußerlichkeit: die Behandlung der
fall in allen Bildnißen vorkommenden fchwarzen Näthereien, »Spanifcher
Arbeit,« auf der weifsen Wäfche, deren feine Mußer Holbein mit abfolut
dunklem fluffigem Schwarz ohne Rückficht auf Licht und Schatten auf-
zeichnet. —
Endlich ift die Farbe von einer unverkennbaren ßoffliehen Eigen-
thümlichkeit. Infolge des mehr harzigen als fett - öligen Bindemittels hat
die Farbe Holbein's wie die feiner niederländifchen Vorgänger und Zeit-
genoßen einen emailartigen »Schmelz,« der ßch von dem Glanz fpäterer
Ölfarbe durch eine eigenthümlich leuchtende Tiefe unterfcheidet, etwa wie
ihrerfeits Ölfarbe von Tempera. Der Schmelz diefer Farbe erinnert noch
unmittelbar an die altflandrifchen Bilder, deren leuchtende bei grofser
Deckkraft dennoch dem gefchmolzenen Metalloxyd ähnliche Farbe jeden-
falls mit demfelben Bindemittel behandelt war. Jenes Bindemittel ge-
faltete fowohl die flüfßge Verfchmelzung der naffen Farbe, wie das
fchärfße Abfetzen der neben und übereinander gefetzten Töne. Dabei find
die verfchiedenen Farben in fehr verfchiedener Stärke auf getragen: Fleifch-
töne und Schwarz find obwohl vollkommen deckend ftets überaus dünn;
grüne und blaue Farben, Weifs, Grau und Anderes flets viel Jlärker
aufgetragen, und da Holbein die in reinem Localton modellirten Flächen
immer in ganz fcharfen Umrißen aneinanderftofsen läfst, fo würden die
ächten Bilder in einem galvanoplaflifcheii Niederfchlag der Oberfläche
die Umrifszeichnung deutlich wiedergeben, wie denn in der That die
jetzt überdeckten Untermalungen auf der DarmJlädter Madonna durch
das blofse Relief der Farben ganz deutlich erkennbar geblieben find.
Ganz eigenthümlich iß auch feine technifche Behandlung des Goldes,
das er bekanntlich für die goldenen Schmuckfachen u. f. w., ftatt der
flandrischen Nachahmung in Farbe, in ächter Vergoldung verwendet.
Holbein untermalt über der fertigen Malerei die Goldfachen mit einem
 
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