Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0523
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HOLBEIN MALT ANNA VON CLEVE. 463
tragt iß mit fick zu nehmen.« ') — Dies war ohne Zweifel ein Porträt des
Königs, vielleicht ein Miniaturbild in koftbarem Rahmen, welches er zu
malen und als Gefchenk feines Monarchen der Prinzeffin zu überreichen
hatte. Bald darauf, den 11. Auguft, fchreibt Nicholas Wotton, der
als Unterhändler in der Heirathsangelegenheit nach Cleve gefandt worden
war, von Schlofs Düren an den König: »Euer Gnaden Diener Hans
Holbein hat das Bild von Mylady Anna und der Lady Amelie genommen
und hat ihre GeJichter recht lebendig wiedergegeben.« 2) Am erften Sep-
tember traf Holbein wieder in London ein, wie der Bericht des franzöfi-
fchen Gefandten Marillac anzeigt: »König Heinrich hat einen in feiner
Kunß höchß ausgezeichneten Maler nach Deutfchland gefandt, um das
Bild der Schwerer des Herzogs von Cleve nach dem Leben zu malen.
Heut iß er zurückgekommen.« 3)
Spätere Gefchichtsfchreiber haben eine unverdiente Schuld auf Hol-
bein geladen; fein Bild der Fürftin fei fo gefchmeichelt gewefen, dafs es
den König zur Heirath veranlafst und ihm eine Täufchung bereitet habe,
die dann erft Anna's Anblick unerfreulich aufklärte. Nichts pafst aber
zu Holbein's Wefen minder als das; er hätte es nicht gekonnt, auch wenn
er es gewollt hätte; volle, fogar fcharfe Wahrheit im Bildnifs war feine
erfte Eigenfchaft, und Anna's Bild, das keineswegs reizend ift, giebt von
diefer Wahrheit eine der deutlichften Proben.
In der That find es auch keine urfprünglichen Quellen, welche Hol-
bein mit diefer Schuld beladen, und Heinrich felbft klagt nur Worte an,
die ihn getäufcht, kein Bild4). Anna gefalle ihm nicht fo gut, als von

') Vergl. die Auszüge aus den Rechnungen in Bd. II. Beilagen.

-) Dies und anderes hierauf Bezügliche aus den in den State Papers und bei Ellis abge-
druckten Originalbriefen. Vergl. Beilagen.

3) Citirt von Mr. Nichols, Archaeologia XI, Remarks upon Holbein's Portraits of the
Royal Family of England.

4) Erft Burnet redet von Holbein, Stow freilich fchon von »pictures«, dafs dies aber
erft fein eigner Zufatz ift, beweifen die oben angeführten Äufserungen des Königs felbft.
Mr. Wornum führt dies weiter aus; wenn er aber feinen Beweis für Holbein's Unfchuld da-
mit führt, dafs er behauptet, die Heirath fei fchon eine ganz abgemachte Sache gewefen,
als Holbein gefchickt wurde, fo befindet er fich doch in einem Irrthum. Allerdings fchreibt
der Earl of Hertford fchon einige Wochen vorher, den 17. Juli, an Cromwell: »Ich freue
mich fo fehr über die gute Entfchliefsung des Herzogs von Cleve, feiner Mutter und feines
Rathes wie über nichts Anderes feit der Geburt des Prinzen.« Aber durch die Geneigtheit von
Cleve'fcher Seite war die Sache weit entfernt abgefchloffen zu fein, wie das Mr. Wornum
annimmt. Erft in jenem Briefe, der von Holbein's Kommen fprient, fchreibt Wotton: Anna
fei nicht gebunden dadurch, dafs ihr verftorbener Vater fie dem Herzog von Lothringen ver-
fprochen, fondern könne heirathen wen fie wolle, und der Cleve'fche Rath fei geneigt, dies
öffentlich auszufprechen. Man befand fich alfo noch ganz im Anfang der Verhandlungen und
nur in diefem Stadium hatte die Sendung eines Malers, um ein Braut-Porträt zu fertigen,
überhaupt Sinn und entfprach fie dem Gebrauch. Erft am 16. September kamen die C'leve'-
fchen Gefandten nach England, um die Sache abzufchliefsen, was im Spätherbft erfolgte.
 
Annotationen