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HOLBEINS ENDE.
Gräfin Frances, jüngfte Tochter von John de Vere, Earl of Oxford,
kommt unter diefen Zeichnungen vor.
Surrey gehört durch feine Perfon und fein Schickfal zu den merk-
würdigften Erfcheinungen diefer Zeit. Hochbegabt, aus einem der edel-
ften Gefchlechter flammend, war er der nächfte Freund von Heinrich's
natürlichem Sohn, dem Herzog von Richmond. Reifen, namentlich
in Italien, hatten feine Ausbildung vollendet, eine Jugend voller Minnefpiel
und ritterlichen Auftretens hatte er verlebt, und feine edle poetifche Be-
gabung läfst ihn neben feinem älteren Freunde Sir Thomas Wyat als
einen der erften englifchen Dichter feiner Epoche daftehen. Die für feine
Familie jetzt angebrochene glänzende Zeit währte nicht lange. Zum
zweitenmal theilte eine Nichte feines Vaters den königlichen Thron,
doch wie Anna Boleyn endete auch Katharina Howard unter dem
Beil des Henkers. Noch immer indefs wollte der Jüngling hoch hinaus
und gefiel fich darin, die kühnften Hoffnungen zu nähren. Seine unbe-
dachte Jugend verführte ihn nicht nur zu nächtlichen Ausfehreitungen in
London's Strafsen, fie entlockte ihm auch vorfchnelle Worte, die fchon
manches edle Haupt gefährdet hatten. Dafs er fich von feinen Genoffen
als Prinz behandeln liefs und ein Wappen annahm, welches dem könig-
lichen glich, dafs er auf die Stellung feiner Familie pochte, und in ächt
ariftokratifcher Verachtung aller »neuen Männer« namentlich der Familie
Seymour, ausfprach: keinem Andern als feinem Vater gebühre nach des
Königs Tode die Regentfchaft, brachte ihn, da in jenen Tagen Verdacht
und Verdammung faft gleichbedeutend waren, auf das Schaffot. Anfang
1547 ward er hingerichtet und nur der Tod des Königs bewahrte feinen
greifen Vater vor dem gleichen Schickfal.
Holbein hat auch die neue Königin gemalt, in einem Miniaturbilde
der Bibliothek zu Windfor, als eine Dame in reicher Kleidung und mit
dem franzöfifchen Kopfputz, welcher damals in England Mode wurde.
Die Zeichnung der Windfor-Sammlung, welche »Katharina Howard«
genannt wird, ftimmt mit diefer Erfcheinung nicht, wohl aber ein kleines,
mit ihrem Namen bezeichnetes Ölbild im Befitz des Duke of Buccleuch,
welches nach dem Urtheil von Mr. Scharf1) franzöfifche Arbeit ift.
Ganz fo liberal, wie zur Zeit, da Cromwell Lord Siegelbewahrer
war, wird unter den neuen Verhältniffen gegen Holbein nicht verfahren.
Auch jetzt erhält er Vorfchüffe feines Gehaltes, doch ftets nur für ein
halbes Jahr, und zwar zu Michaelis 1540 und zu Odern 1541. Mit Jo-
hannis diefes Jahres gehen die Rechnungsbücher leider zu Ende. Dage-
gen wird in der Subfidienrolle der Stadt London vom 24. October des-
felben Jahres »Hanns Holbein « unter den Fremden genannt, welche im
9 Archaeologia vol. XL. p. 87.
HOLBEINS ENDE.
Gräfin Frances, jüngfte Tochter von John de Vere, Earl of Oxford,
kommt unter diefen Zeichnungen vor.
Surrey gehört durch feine Perfon und fein Schickfal zu den merk-
würdigften Erfcheinungen diefer Zeit. Hochbegabt, aus einem der edel-
ften Gefchlechter flammend, war er der nächfte Freund von Heinrich's
natürlichem Sohn, dem Herzog von Richmond. Reifen, namentlich
in Italien, hatten feine Ausbildung vollendet, eine Jugend voller Minnefpiel
und ritterlichen Auftretens hatte er verlebt, und feine edle poetifche Be-
gabung läfst ihn neben feinem älteren Freunde Sir Thomas Wyat als
einen der erften englifchen Dichter feiner Epoche daftehen. Die für feine
Familie jetzt angebrochene glänzende Zeit währte nicht lange. Zum
zweitenmal theilte eine Nichte feines Vaters den königlichen Thron,
doch wie Anna Boleyn endete auch Katharina Howard unter dem
Beil des Henkers. Noch immer indefs wollte der Jüngling hoch hinaus
und gefiel fich darin, die kühnften Hoffnungen zu nähren. Seine unbe-
dachte Jugend verführte ihn nicht nur zu nächtlichen Ausfehreitungen in
London's Strafsen, fie entlockte ihm auch vorfchnelle Worte, die fchon
manches edle Haupt gefährdet hatten. Dafs er fich von feinen Genoffen
als Prinz behandeln liefs und ein Wappen annahm, welches dem könig-
lichen glich, dafs er auf die Stellung feiner Familie pochte, und in ächt
ariftokratifcher Verachtung aller »neuen Männer« namentlich der Familie
Seymour, ausfprach: keinem Andern als feinem Vater gebühre nach des
Königs Tode die Regentfchaft, brachte ihn, da in jenen Tagen Verdacht
und Verdammung faft gleichbedeutend waren, auf das Schaffot. Anfang
1547 ward er hingerichtet und nur der Tod des Königs bewahrte feinen
greifen Vater vor dem gleichen Schickfal.
Holbein hat auch die neue Königin gemalt, in einem Miniaturbilde
der Bibliothek zu Windfor, als eine Dame in reicher Kleidung und mit
dem franzöfifchen Kopfputz, welcher damals in England Mode wurde.
Die Zeichnung der Windfor-Sammlung, welche »Katharina Howard«
genannt wird, ftimmt mit diefer Erfcheinung nicht, wohl aber ein kleines,
mit ihrem Namen bezeichnetes Ölbild im Befitz des Duke of Buccleuch,
welches nach dem Urtheil von Mr. Scharf1) franzöfifche Arbeit ift.
Ganz fo liberal, wie zur Zeit, da Cromwell Lord Siegelbewahrer
war, wird unter den neuen Verhältniffen gegen Holbein nicht verfahren.
Auch jetzt erhält er Vorfchüffe feines Gehaltes, doch ftets nur für ein
halbes Jahr, und zwar zu Michaelis 1540 und zu Odern 1541. Mit Jo-
hannis diefes Jahres gehen die Rechnungsbücher leider zu Ende. Dage-
gen wird in der Subfidienrolle der Stadt London vom 24. October des-
felben Jahres »Hanns Holbein « unter den Fremden genannt, welche im
9 Archaeologia vol. XL. p. 87.