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Woltmann, Alfred; Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 1): Die Malerei des Alterthums — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1879

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.48519#0023
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ERSTES KAPITEL.

Die ägyptische Malerei.

Aegypten.

Das Wefen
der Malerei.

Die älteflen
datirbaren
Monumente.

Hj under über Wunder wirkt die Malerei! Auf begrenzter ebener Fläche
ftellt fic täufchend ähnliche Abbilder der weiten, formen- und farben-
1 reichen Welt dar. Was hoch gen Himmel ragt und was befcheiden
am Erdboden haftet, was grofs und nah vor Augen fleht und was meilenweit
entfernt ift, die fchwärzefte Finfternifs und das hellfte Licht, Alles vermag fie
in den engen Rahmen des Gemäldes zu faffen oder auf ein flüchtiges Blatt
Papier zu werfen! Die Erklärung diefer Wunder liegt freilich in der natürlichen
Einrichtung unferes Auges, auf deffen Netzhaut fleh die Dinge wie auf der
Fläche nebeneinander abbilden. Dem entfprechend fagt auch der Phyflologe
Helmholtz: »Eben weil wir, mit demBlicke über die Gefichtsobjekte hinftreifend,
diefelben in einer flächenhaften Anordnung finden, ift es nun auch möglich,
ihren Anblick durch flächenhafte Zeichnung und Gemälde dem Auge zurück-
zurufen«. Daher ift jene Fähigkeit, die Dinge ihren Formen und Farben nach
richtig an die Fläche zu feffeln, die Vorbedingung der Erreichung aller höch-
ften Ziele der reichften und vielfeitigften unter den bildenden Künften. Ein-
fach, wie die optifchen Gefetze einer richtigen Malerei dem Eingeweihten
erfcheinen mögen, find fie doch hunderten von Generationen, die zu malen
verfucht haben, unbekannt geblieben. Die vollendete, zum Bewufstfcin und
zur Anwendung ihrer eigenften Fähigkeiten gekommene Malerei ift die jüngfte
von ihren Schwefterkünften. Aber die Kunftgefchichte kann fich der Auf-
gabe, ihre Blicke den erften Verfuchen der älteflen Völker der Erde zuzu-
wenden, nicht entziehen.
Schon die Völker, welche wir fchlechthin die alten und die claffifchen
nennen, fahen Raunend zu dem noch älteren Wunderlande am Nile zurück.
Aegypten erfchien ihnen als Inbegriff aller ältesten und ehrwürdigften Cultur-
traditionen, und die neuefte Forschung ift wenigftens dabei flehen geblieben,
auf ägyptifchem Boden die älteflen hiftorifch datirbaren Monumente der
menfchlichen Thätigkeit erhalten zu fehen. Vom Nilthal hat daher auch die
Gefchichte der Malerei auszugehen.
Eine fchmale, langgeflreckte Oafe zwifchen dem gelben Sande der libyfehen
Wüfte und den unfruchtbaren Gebirgen an den Küften des rothen Meeres, be-
 
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