Die erhaltenen Werke der griechifch-römifchen Malerei. 139
auch jetzt noch nicht völlig gelöft worden waren. Aber die Künftler wählten
Motive, bei denen diefe fchwierigeren Probleme weniger in Betracht kamen,
und ihr Gefühl er fetzte ficher in vielen Fällen die bewufste Kenntnifs. Wenn
wir auf handwerksmäfsig flüchtigen Reproductionen die Perfpective zwar nie-
mals völlig richtig, aber doch oft annähernd richtig angewandt fehen, fo dürfen
wir Apelles und feinen Zeitgenoffen wohl zutrauen, dafs ihr Gefühl, wo ihre
Kenntniffe nicht ausreichten, fle noch richtiger und fchöner geleitet.
Es ift ferner augenfällig, wie fchon Helbig mit Recht hervorgehoben,
dafs den Griechen der Sinn für die Reize des atmofphärifchen Lebens, die in
der modernen Malerei oft eine Hauptrolle fpielen, niemals völlig aufgegangen.
Die verfchiedenen Stimmungen, die durch die verfchiedene Dichtigkeit des
atmofphärifchen Dunftkreifes, durch die am Himmel heraufziehenden Wetter-
wolken, durch den verfchiedenen Stand der Sonne, durch wechselnde Beleuch-
tungseffecte jeder Art erzielt werden, diefe Stimmungen, die wir am erflen
geneigt find, mit Stimmungen unteres Gemüthes zu identificiren, find ihnen
jedenfalls nur in geringerem Mafse zum Bewufstfein gekommen oder fympa-
thifch gewefen, als uns. In der Regel nahmen fle den Horizont nach unteren
Begriffen ungewöhnlich hoch an und vertheilten die verfchiedenen Gegenflände
bei gleichmäfsig klarer Luft in der weiten Fläche. Die pompejanifche Wand-
malerei hat freilich unzweifelhaft einige Bilder mit rother Abendbeleuchtung
aufzuweifen; aber man mufs hier im einzelnen Falle vorflehtig fein, nicht für
atmofphärifche Stimmung zu nehmen, was nur ein befonderer Effect der
decorativen Farbenflimmung in dem erwähnten Sinne ift. Uebrigens konnte
diefer Mangel oder diefe Einfeitigkeit hauptfächlich nur in der Landfchafts-
malerei fühlbar werden und mufste für die meiden grofsen Figurendarftellungen
ohne Einflufs bleiben.
Wir dürfen uns nach allem Gefügten das Verhältnifs der griechifchen
Malerei zur modernen feit dem 16. Jahrhundert etwa fo vorflellen, dafs uns
bei einer ganzen Reihe der bedeutendften Darftellungen der gröfsten griechifchen
Maler, wenn uns vergönnt wäre, fle zu betrachten, gar keine technifchen Ver-
flöfse auffallen würden, dafs wir fie vielmehr ohne Bedenken dem Vollendetflen
aller Zeiten und Völker an die Seite fetzen würden. Bei Darftellungen einiger
Arten würden uns dagegen doch vielleicht einige perfpectivifche Unbeholfen-
heiten und coloriftifche Schwächen auffallen; und die altgriechifchen Maler,
wenn fie manche der vollendetflen Werke der neueren Malerei fehen könnten,
würden ficher anerkennen, dafs wir, wenn wir einige ihre Leiftungen an Stil-
und Schönheitsgefühl auch kaum erreicht, doch in der malerifchen Auffaffung
der Natur und in der technifch völlig correcten Wiedergabe auf der Fläche
Fortfehritte gemacht, die ihnen unbekannt geblieben, Gebiete eröffnet haben,
die ihnen verfchloffen gewefen.
Der hohe Ruhm, zum erften Male eine wirklich fo zu nennende Malerei
gefchaffen zu haben, wird den Griechen trotzdem nicht wieder beftrittön werden
können. Sie haben fich infofern um die Malerei faft noch verdienter gemacht,
als um die anderen Künfte, in denen ihre Leiftungen weniger etwas ganz Neues
als vielmehr das Schönfte fchufen, was auf der vorhandenen Grundlage ge-
fchaffen werden konnte.
Verhältnifs
zur moder-
len Malerei.
auch jetzt noch nicht völlig gelöft worden waren. Aber die Künftler wählten
Motive, bei denen diefe fchwierigeren Probleme weniger in Betracht kamen,
und ihr Gefühl er fetzte ficher in vielen Fällen die bewufste Kenntnifs. Wenn
wir auf handwerksmäfsig flüchtigen Reproductionen die Perfpective zwar nie-
mals völlig richtig, aber doch oft annähernd richtig angewandt fehen, fo dürfen
wir Apelles und feinen Zeitgenoffen wohl zutrauen, dafs ihr Gefühl, wo ihre
Kenntniffe nicht ausreichten, fle noch richtiger und fchöner geleitet.
Es ift ferner augenfällig, wie fchon Helbig mit Recht hervorgehoben,
dafs den Griechen der Sinn für die Reize des atmofphärifchen Lebens, die in
der modernen Malerei oft eine Hauptrolle fpielen, niemals völlig aufgegangen.
Die verfchiedenen Stimmungen, die durch die verfchiedene Dichtigkeit des
atmofphärifchen Dunftkreifes, durch die am Himmel heraufziehenden Wetter-
wolken, durch den verfchiedenen Stand der Sonne, durch wechselnde Beleuch-
tungseffecte jeder Art erzielt werden, diefe Stimmungen, die wir am erflen
geneigt find, mit Stimmungen unteres Gemüthes zu identificiren, find ihnen
jedenfalls nur in geringerem Mafse zum Bewufstfein gekommen oder fympa-
thifch gewefen, als uns. In der Regel nahmen fle den Horizont nach unteren
Begriffen ungewöhnlich hoch an und vertheilten die verfchiedenen Gegenflände
bei gleichmäfsig klarer Luft in der weiten Fläche. Die pompejanifche Wand-
malerei hat freilich unzweifelhaft einige Bilder mit rother Abendbeleuchtung
aufzuweifen; aber man mufs hier im einzelnen Falle vorflehtig fein, nicht für
atmofphärifche Stimmung zu nehmen, was nur ein befonderer Effect der
decorativen Farbenflimmung in dem erwähnten Sinne ift. Uebrigens konnte
diefer Mangel oder diefe Einfeitigkeit hauptfächlich nur in der Landfchafts-
malerei fühlbar werden und mufste für die meiden grofsen Figurendarftellungen
ohne Einflufs bleiben.
Wir dürfen uns nach allem Gefügten das Verhältnifs der griechifchen
Malerei zur modernen feit dem 16. Jahrhundert etwa fo vorflellen, dafs uns
bei einer ganzen Reihe der bedeutendften Darftellungen der gröfsten griechifchen
Maler, wenn uns vergönnt wäre, fle zu betrachten, gar keine technifchen Ver-
flöfse auffallen würden, dafs wir fie vielmehr ohne Bedenken dem Vollendetflen
aller Zeiten und Völker an die Seite fetzen würden. Bei Darftellungen einiger
Arten würden uns dagegen doch vielleicht einige perfpectivifche Unbeholfen-
heiten und coloriftifche Schwächen auffallen; und die altgriechifchen Maler,
wenn fie manche der vollendetflen Werke der neueren Malerei fehen könnten,
würden ficher anerkennen, dafs wir, wenn wir einige ihre Leiftungen an Stil-
und Schönheitsgefühl auch kaum erreicht, doch in der malerifchen Auffaffung
der Natur und in der technifch völlig correcten Wiedergabe auf der Fläche
Fortfehritte gemacht, die ihnen unbekannt geblieben, Gebiete eröffnet haben,
die ihnen verfchloffen gewefen.
Der hohe Ruhm, zum erften Male eine wirklich fo zu nennende Malerei
gefchaffen zu haben, wird den Griechen trotzdem nicht wieder beftrittön werden
können. Sie haben fich infofern um die Malerei faft noch verdienter gemacht,
als um die anderen Künfte, in denen ihre Leiftungen weniger etwas ganz Neues
als vielmehr das Schönfte fchufen, was auf der vorhandenen Grundlage ge-
fchaffen werden konnte.
Verhältnifs
zur moder-
len Malerei.