Die altchriftliche Miniaturmalerei.
189
Ein folcher trat mit dem Ausbruch des Bilderftreites zu Anfang des Biiderftreit.
8. Jahrhunderts ein. Die älteften Chriften mochten in dem Bewufstfein Gott
im Geift und in der Wahrheit anzubeten das götzendienerifche Heidenthum
verachten; aber feit der Sieg des neuen Glaubens entfchieden war, hatten im
Chriftenthum felbft die heidnifchen Elemente immer gröfseren Spielraum ge-
wonnen, und wenn die Völker des Islam, die feit dem 7. Jahrhundert dem
chriftlichen Weltreiche gegenübertraten, den Chriften den Vorwurf des Götzen-
dienftes entgegenfchleuderten, fo gefchah das mit ernfter Berechtigung. Zum
Schmucke, zur Belehrung, zur Erbauung waren anfangs die Bilder in die Kirchen
eingeführt worden, bald aber ftellte unvermerkt die Bilderverehrung fich ein.
Die Ehrfurcht vor dem göttlichen und heiligen Wefen wurde auf das Abbild
desfelben übertragen, das mit Kniebeugung und Weihrauch gefeiert ward.
Da gab es Bilder, denen ein myftifcher Urfprung beigemeffen wurde, wie das
Chriftusbild zu Edeffa, das die Legende dadurch entftanden fein liefs, dafs
Chriftus fein Antlitz in eine Leinewand abgedrückt und die dem Könige Abgarus
von Edeffa gefchickt habe. Schon vor dem Ende des 6. Jahrhunderts kamen
diefe »nicht von Menfchenhand gemachten« Bilder {a^siQonolTiTog heifsen fie
griechifch) an zahlreichen Orten des Reiches vor, vervielfältigten fich fogar auf
wunderbare Weife; und mit diefen wetteiferten an Heiligkeit die Madonnen-
bildniffe von der Hand des Evangeliften Lucas, den fchon Berichte des 6. Jahr-
hunderts zum Maler geftempelt hatten. Diefer Aberglaube hatte fich ganz
allmählich eingebürgert, war aber nach und nach zu folcher Höhe gediehen,
dafs ernftere Geifier von feinen Aeufserungen crfchreckt wurden, und der
Hohn der Muhamedaner, denen die verehrten Bilder in den Städten des
heiligen Landes in die Hände fielen, nicht ungehört verhallte. Kaifer Leo III.
der Ifaurier, ein ungelehrter Kriegsmann, der fich aus niederem Stande auf den
Thron gefchwungen, erliefs im Jahre 726 fein Edict wider den Bilderdicnft.
Seine erften Schritte waren mafsvoll gewefen und hatten nur die Beteiligung
des vorzugsweife Anftöfsigen im Auge gehabt, aber die Bewegung hatte einmal
begonnen, er felbft und feine Nachfolger mufsten die volle Confequenz aus
ihren Ueberzeugungen ziehen. Die Anfichten waren in den tonangebenden
Kreifen getheilt, das Volk hatten die Bilderfeinde gegen fich, aber fie drangen,
durch die Kaifermacht unterftützt, im Oflen durch; bewaffnete Scharen ver-
nichteten die Heiligenbilder in den Kirchen Conftantinopels wie in den Pro-
vinzen, die Maler, wie der Mönch Lazarus, wurden in die Gefängniffe ge-
worfen und mifshandelt'). Nicht die Kunft follte unterdrückt werden; wir
haben gefehen, welche Art mufivifcher Decoration an heiliger Stätte zuge-
laffen wurde. Aber diefe Krifis wurde immerhin für die Exiftenz und Ent-
wicklung der Malerei in Byzanz verhängnifsvoll, welcher derjenige Inhalt ge-
nommen werden follte, mit dem fie fich feit Jahrhunderten vorzugsweife
erfüllt hatte.
In Italien aber drangen die Anfchauungen der Bilderfeinde nicht durch.
Papft Gregor II. trat den Verordnungen des Kaifers entgegen, dem er die
Autorität in Sachen des Glaubens abfprach, und hatte das Volk Italiens wie
die abendländifche Geifllichkeit auf feiner Seite. So wurde der Biiderftreit,
l) Theoph. cont. a. a. O. S. 99 ff, 102.
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Ein folcher trat mit dem Ausbruch des Bilderftreites zu Anfang des Biiderftreit.
8. Jahrhunderts ein. Die älteften Chriften mochten in dem Bewufstfein Gott
im Geift und in der Wahrheit anzubeten das götzendienerifche Heidenthum
verachten; aber feit der Sieg des neuen Glaubens entfchieden war, hatten im
Chriftenthum felbft die heidnifchen Elemente immer gröfseren Spielraum ge-
wonnen, und wenn die Völker des Islam, die feit dem 7. Jahrhundert dem
chriftlichen Weltreiche gegenübertraten, den Chriften den Vorwurf des Götzen-
dienftes entgegenfchleuderten, fo gefchah das mit ernfter Berechtigung. Zum
Schmucke, zur Belehrung, zur Erbauung waren anfangs die Bilder in die Kirchen
eingeführt worden, bald aber ftellte unvermerkt die Bilderverehrung fich ein.
Die Ehrfurcht vor dem göttlichen und heiligen Wefen wurde auf das Abbild
desfelben übertragen, das mit Kniebeugung und Weihrauch gefeiert ward.
Da gab es Bilder, denen ein myftifcher Urfprung beigemeffen wurde, wie das
Chriftusbild zu Edeffa, das die Legende dadurch entftanden fein liefs, dafs
Chriftus fein Antlitz in eine Leinewand abgedrückt und die dem Könige Abgarus
von Edeffa gefchickt habe. Schon vor dem Ende des 6. Jahrhunderts kamen
diefe »nicht von Menfchenhand gemachten« Bilder {a^siQonolTiTog heifsen fie
griechifch) an zahlreichen Orten des Reiches vor, vervielfältigten fich fogar auf
wunderbare Weife; und mit diefen wetteiferten an Heiligkeit die Madonnen-
bildniffe von der Hand des Evangeliften Lucas, den fchon Berichte des 6. Jahr-
hunderts zum Maler geftempelt hatten. Diefer Aberglaube hatte fich ganz
allmählich eingebürgert, war aber nach und nach zu folcher Höhe gediehen,
dafs ernftere Geifier von feinen Aeufserungen crfchreckt wurden, und der
Hohn der Muhamedaner, denen die verehrten Bilder in den Städten des
heiligen Landes in die Hände fielen, nicht ungehört verhallte. Kaifer Leo III.
der Ifaurier, ein ungelehrter Kriegsmann, der fich aus niederem Stande auf den
Thron gefchwungen, erliefs im Jahre 726 fein Edict wider den Bilderdicnft.
Seine erften Schritte waren mafsvoll gewefen und hatten nur die Beteiligung
des vorzugsweife Anftöfsigen im Auge gehabt, aber die Bewegung hatte einmal
begonnen, er felbft und feine Nachfolger mufsten die volle Confequenz aus
ihren Ueberzeugungen ziehen. Die Anfichten waren in den tonangebenden
Kreifen getheilt, das Volk hatten die Bilderfeinde gegen fich, aber fie drangen,
durch die Kaifermacht unterftützt, im Oflen durch; bewaffnete Scharen ver-
nichteten die Heiligenbilder in den Kirchen Conftantinopels wie in den Pro-
vinzen, die Maler, wie der Mönch Lazarus, wurden in die Gefängniffe ge-
worfen und mifshandelt'). Nicht die Kunft follte unterdrückt werden; wir
haben gefehen, welche Art mufivifcher Decoration an heiliger Stätte zuge-
laffen wurde. Aber diefe Krifis wurde immerhin für die Exiftenz und Ent-
wicklung der Malerei in Byzanz verhängnifsvoll, welcher derjenige Inhalt ge-
nommen werden follte, mit dem fie fich feit Jahrhunderten vorzugsweife
erfüllt hatte.
In Italien aber drangen die Anfchauungen der Bilderfeinde nicht durch.
Papft Gregor II. trat den Verordnungen des Kaifers entgegen, dem er die
Autorität in Sachen des Glaubens abfprach, und hatte das Volk Italiens wie
die abendländifche Geifllichkeit auf feiner Seite. So wurde der Biiderftreit,
l) Theoph. cont. a. a. O. S. 99 ff, 102.