Die niederländifche Malerei des 15. Jahrhunderts.
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fprechende Stifter fowie feine Patrone, dann der bärtige Jofeph, ein trefflicher
Bürgersmann, der beim Beten nur ein wenig mürrifch dreinfchaut, und vor
allem die ganz originellen, aus dem Volke gefchöpften Köpfe der Hirten.
Bei ihnen ift es ganz charakteriftifch, dafs die Hände derb gerathcn find;
weniger ift das bei Maria am Platze, die dadurch wie eine Bauernmagd aus-
fieht; auch die Füfse find oft nicht fonderlich gezeichnet, die Gewänder manch-
mal überladen, die Motive nicht frei und ficher genug. Dennoch ift der Altar
ein Triumph flandrifcher Kunft, der Meifter hatte verftanden, die Behandlung
nach dem grofsen Mafsftabe zu richten und mufste durch die Leuchtkraft der
Farbe wie durch den Realismus und die Macht der Individualifirung den Ita-
lienern Eindruck machen.
Bei der Liebhaberei mancher Kreife in Italien für flandrifche Gemälde Nieder-
lancier m
kamen folche nicht nur auf dem Handelswege und durch Beftellung in den Italien.
Niederlanden dorthin, fondern es zogen mitunter auch flandrifche Künftler
felbft über die Alpen und fanden da ein lohnendes Feld für ihre Thätigkeit.
So Jodocus van Gent — Jußus von Gent nennt ihn Vafari — der in der Zeit Jodocuyan
des Herzogs Federigo von Montfeltre zu Urbino malte. Ueber das Bild?
das Vafari anführt, das für S. Agata gemalte Abendmahl, jetzt in der Akademie
zu Urbino, find Notizen in den Rechnungsbüchern der Corpus-Chrifti-Brüder-Urbino,
fchaft ermittelt worden. Seit 1465 wurden Beiträge für die Tafel gcfammelt,
1474 war fie vollendet, 1475 hatte der Meifter noch eine fchöne Fahne für
diefelbe Brüderfchaft auszuführen ')• Nicht das Mahl ift dargeftellt, fondern
die Spendung des Sacramentes, wie fich ja diefe Darftellung neben der anderen
fchon früh in der chriftlichen Kunft eingebürgert hatte. Im Chor einer Kirche
haben die Apoftel die Tafel verlaffen, die vorderften find niedergekniet, und
einer empfängt die Hoftie von dem herantretenden Chriftus. Links fteht der
Herzog von Urbino nebft Gefolge und einem Manne in orientalifcher Tracht,
dem ehemaligen venetianifchen Abgefandten in Perfien, Caterino Zeno, der
gerade damals in einer Miffion am Hofe zu Urbino gewefen war. Oben
fchweben Engel. Auch Juftus von Gent weifs dem lebensgrofsen Mafsftabe
gerecht zu werden; er zeigt fogar eine gewiffe Freiheit in den Bewegungen
und einiges Liniengefühl in manchen Theilen der Compofition; nur Chriftus
fchreitet zu ftark aus. Die Apoftelköpfe find tüchtig, doch etwas einförmig,
die Bildniffe aber um fo trefflicher. Die Farbe hat leider durch Mifshandlung
des Bildes fehr verloren 1 2).
C. Rogier van der Weyden.
Noch bei Lebzeiten von Jan van Eyck blühte neben der flandrifchen Schule von
. Brüffel.
Malerfchule, die in Brügge und Gent ihre Sitze hatte, eine Schule in Brabant
mit ihrem Centrum in Brüffel auf, welche fich in ähnlicher Richtung, aber
eigenartig entwickelte. Ihr Begründer ift Rogier van der Weyden, der nach t^°^eryje"
Jan’s Tode der berühmtefte und einflufsreichfte Meifter in den Niederlanden
war. Wie neuere urkundliche Forfchung nachgewiefen hat, war er zu Tournay
geboren, wurde am 5. März 1426, unter dem Namen Rogelet de la Paßure, bei
1) Pungileone: Elogio storico di Giov. Santi, Urbino 1S22, S. 65.
2) 2Ü Förfler a. a. O., XI.
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fprechende Stifter fowie feine Patrone, dann der bärtige Jofeph, ein trefflicher
Bürgersmann, der beim Beten nur ein wenig mürrifch dreinfchaut, und vor
allem die ganz originellen, aus dem Volke gefchöpften Köpfe der Hirten.
Bei ihnen ift es ganz charakteriftifch, dafs die Hände derb gerathcn find;
weniger ift das bei Maria am Platze, die dadurch wie eine Bauernmagd aus-
fieht; auch die Füfse find oft nicht fonderlich gezeichnet, die Gewänder manch-
mal überladen, die Motive nicht frei und ficher genug. Dennoch ift der Altar
ein Triumph flandrifcher Kunft, der Meifter hatte verftanden, die Behandlung
nach dem grofsen Mafsftabe zu richten und mufste durch die Leuchtkraft der
Farbe wie durch den Realismus und die Macht der Individualifirung den Ita-
lienern Eindruck machen.
Bei der Liebhaberei mancher Kreife in Italien für flandrifche Gemälde Nieder-
lancier m
kamen folche nicht nur auf dem Handelswege und durch Beftellung in den Italien.
Niederlanden dorthin, fondern es zogen mitunter auch flandrifche Künftler
felbft über die Alpen und fanden da ein lohnendes Feld für ihre Thätigkeit.
So Jodocus van Gent — Jußus von Gent nennt ihn Vafari — der in der Zeit Jodocuyan
des Herzogs Federigo von Montfeltre zu Urbino malte. Ueber das Bild?
das Vafari anführt, das für S. Agata gemalte Abendmahl, jetzt in der Akademie
zu Urbino, find Notizen in den Rechnungsbüchern der Corpus-Chrifti-Brüder-Urbino,
fchaft ermittelt worden. Seit 1465 wurden Beiträge für die Tafel gcfammelt,
1474 war fie vollendet, 1475 hatte der Meifter noch eine fchöne Fahne für
diefelbe Brüderfchaft auszuführen ')• Nicht das Mahl ift dargeftellt, fondern
die Spendung des Sacramentes, wie fich ja diefe Darftellung neben der anderen
fchon früh in der chriftlichen Kunft eingebürgert hatte. Im Chor einer Kirche
haben die Apoftel die Tafel verlaffen, die vorderften find niedergekniet, und
einer empfängt die Hoftie von dem herantretenden Chriftus. Links fteht der
Herzog von Urbino nebft Gefolge und einem Manne in orientalifcher Tracht,
dem ehemaligen venetianifchen Abgefandten in Perfien, Caterino Zeno, der
gerade damals in einer Miffion am Hofe zu Urbino gewefen war. Oben
fchweben Engel. Auch Juftus von Gent weifs dem lebensgrofsen Mafsftabe
gerecht zu werden; er zeigt fogar eine gewiffe Freiheit in den Bewegungen
und einiges Liniengefühl in manchen Theilen der Compofition; nur Chriftus
fchreitet zu ftark aus. Die Apoftelköpfe find tüchtig, doch etwas einförmig,
die Bildniffe aber um fo trefflicher. Die Farbe hat leider durch Mifshandlung
des Bildes fehr verloren 1 2).
C. Rogier van der Weyden.
Noch bei Lebzeiten von Jan van Eyck blühte neben der flandrifchen Schule von
. Brüffel.
Malerfchule, die in Brügge und Gent ihre Sitze hatte, eine Schule in Brabant
mit ihrem Centrum in Brüffel auf, welche fich in ähnlicher Richtung, aber
eigenartig entwickelte. Ihr Begründer ift Rogier van der Weyden, der nach t^°^eryje"
Jan’s Tode der berühmtefte und einflufsreichfte Meifter in den Niederlanden
war. Wie neuere urkundliche Forfchung nachgewiefen hat, war er zu Tournay
geboren, wurde am 5. März 1426, unter dem Namen Rogelet de la Paßure, bei
1) Pungileone: Elogio storico di Giov. Santi, Urbino 1S22, S. 65.
2) 2Ü Förfler a. a. O., XI.