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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 2): Die Malerei der Renaissance — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.48520#0675
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Viertes Buch. II. Abtheilung.

648

des Pal. Pitti in Betracht. Aus hiftorifchen und ftiliftifchen Grün-

des Mei-

Ihre
Technik.

Die Bildniffe
Julius’ II.
in d. Uffizien
und im
Pal. Pitti.

Bildniffe in
d. Eremitage
zu Peters-
burg u. beim
Fürften
Czartorisky
Bindo Alto-
viti in der
Münchener
Pinakothek.

Die Tafel-
bilder der
erften röm.
Periode
Raphael’s.

Andere
Wandbilder
aus Rapha-
el’s erfter
römifcher
Periode.
Der Jefaias
in
S. Agoftino.

Raphael zeigte fich eben auch in Bezug auf diefe Wirkungen als Vollender
deffen, was feine Vorgänger höchftens gewollt haben.
Alle diefe Bilder, von der »Disputä« bis zur »Befreiung Petri« führen uns
erlief beiden ein gewaltiges Stück der Entwicklungsgefchichte Raphael’s vor Augen. Sie
zeigen uns, wie unvcrdroffen der Meifter immer neue Probleme ftellte und
löfte. Die »Disputä« bezeichnet den erften Schritt von monumentaler Befan-
genheit zu ftrenger Schönheit; die »Vertreibung Attila’s« und die »Befreiung
Petri« bezeichnen den letzten Schritt, den die Wandmalerei thun kann, ohne
fich durch allzu malerifche Behandlung um ihr eigenes Selbft zu bringen.
Alle diefe Gemälde pflegen als »Fresken« bezeichnet zu werden. Dafs
fie auf den naffen Kalk gemalt worden, ift auch unzweifelhaft; ebenfo un-
zweifelhaft aber erfcheint es, dafs Raphael fie erft für vollendet erklärte, nach-
dem er fie an vielen Stellen, wo die Wirkung es erheifchte, al secco über-
gangen hatte; und ein ähnliches Verfahren dürfte fich bei näherer Unter-
fuchung der italienifchen Wandgemälde der goldenen Zeit in weit mehr Fällen
herausftellen, als anerkannt zu werden pflegt
Aus der erften römifchen Periode Raphaels hat fich aufser den befproche-
nen Schöpfungen im Vatikan nur noch ein Bild in Freskotechnik erhalten,1)
die Darftellung des thronenden Propheten Jefaias an einem Pfeiler der Kirche
S. Agoftino. Da fie übermalt ift, läfst fich nur ihre Formengebung noch be-
urteilen; gerade diefe beweift, in wie hohem Grade Michelangelo’s Propheten
in der fixtinifchen Kapelle es auch Raphael angethan hatten. Zum Glück war
das jedoch nur eine vorübergehende Anwandlung.
Auch Raphael’s Tafelbilder aus feiner erften römifchen Periode zeigen feine
. Entwicklung von den letzten Reften alt-umbrifcher und alt-toskanifcher Ge-
bundenheit zur vollen malerifchen Freiheit in überzeugender Weife. Wir
werden nacheinander feine Bildniffe, feine nicht kirchlichen, aber religiöfen
Tafelbilder und feine Altarblätter aus diefer Zeit kennen lernen.
Unter den Bildniffen fleht dasjenige Julius’II. voran. Der alte graubärtige
Papft fitzt bequem in feinem Seffel. Der Ausdruck feines charaktervoll aus-
geprägten Kopfes ift finnend, nicht forglos. Die Behandlung ift aufserordent-
lich energifch und ftofflich. Von den verfchiedenen Exemplaren, welche ein-
ander die Echtheit ftreitig machen, kommen in erfter Linie diejenigen der
Uffizien und
den gebührt demjenigen der Uffizien der Vorzug.2) Der früheren römifchen
Zeit müßen, wenn Raphael fie gemalt hat, auch das männliche Porträt der
Petersburger Eremitage und das fchöne Jünglingsbildnifs beim Fürften Czar-
zZuPariSsky torisky in Paris zugefchrieben werden. Sicher gehört ihr das Bildnifs des jun-
gen Bindo Altoviti in der Münchener Pinakothek an, ein fchön aufgefafstes
Werk, das in feinem gegenwärtigen Zuftande jedoch kaum viel von

Allgemeines
über die

Stanzen.

1) Ueber untergegangene dekorative Arbeiten Raphaels aus diefer Zeit E. Müntz in der Gaz. d.
Beaux-Arts vom 1. Aug. 1879 und a. a. O. p. 387.
2) Für das Pitti-Exemplar-. Paffavant a. a. O. II, p. 94, Lübke im Rafaelwerk, Text, S. 57-
— Unentfchieden: Springer a. a. O. S. 191, Lübhe in d. Gefch. d. it. Mal. II, S. 289; Müntz
a. a. O. p. 402. — Entfchieden für das Uffizienexemplar, wie der Verfaffer, auch die 4. Aufl. von
Burckhardt’s Cicerone, S. 659.
 
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