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Fünftes Buch. Erfter Abfchnitt.
Meifter das mächtige Breitbild der Akademie, welches die Rettung eines zum
Tode verurtheilten und bereits gemarterten Sklaven durch den allerdings etwas
verfchroben kopfüber vom Himmel herabftürzenden heiligen Marcus darftellt.
Ei^blider V°n deinen übrigen Einzelbildern fei zunächft noch der prächtigen Darftellungen
i_n Venedig, der Hochzeit zu Cana in der Sakriftei der Kirche S. Maria della Salute, des
in Dresden. Philofophen Diogenes in der »Neuen Bibliothek« und der Einfchiffung der Leiche
des heiligen Marcus im Hauptfaal der »Alten Bibliothek« zu Venedig gedacht.
Doch fieht man Hiftorienbilder feiner Hand in faft allen grofsen Galerien Europas,
die meiden und betten, in der Akademie zu Venedig, im Madrider Mufeum und
in der Dresdener Galerie: theils religiöfe Darftellungen von hohem Schwünge,
theils mythologifche Scenen von beftrickendem Reize, theils Bildniffe von grofser
Energie der momentanen Auffaffung und mächtiger Breite der Durchführung.
Bildniffe. Als Bildnifsmaler lernt man Tintoretto am betten in den beiden grofsen floren-
tinifchen Sammlungen, in der Akademie und im Dogenpalafte zu Venedig, in
der Wiener, der Berliner und der Dresdener Galerie kennen.
yeScuoiadi Seit jcßo arbeitete er dann zunächft hauptfachlich an dem Bilderfchmucke
Venedig. der Scuola di San Rocco, einer grofsartigen Wohlthätigkeits-Genoffenfchaft,
deren Verfammlungshaus noch heute im Wefentlichen fo erhalten ift, wie es aus
dem Ausbau vom Jahre 1550 hervorging. Tintoretto fchmückte die inneren
Räume diefes Gebäudes und der angrenzenden Kirche nach und nach mit
56 coloffalen, theils in die Decken, theils in die Wände eingefpannten Gemälden
aus der biblifchen Gefchichte und der Heiligenlegende. Sein packendftes Gemälde
der Scuola ift die Kreuzigung in der Sala dell’ Albergo (Fig. 430). In der grofsen
Halle gehören die Darftellung des bethlehemitifchen Kindermordes wegen ihrer
dramatifchen Lebendigkeit, das Gemälde der Magdalena in derWüfte wegen feines
landfchaftlichen Stimmungscharakters, das Deckenbild des Schlangenwunders in
der Wüfte wegen feiner erftaunlichen Beherrfchung der Maffen zu den inter-
effanteften Leiftungen des Meifters; zu den gediegenften und am gleichmäfsigften
durchgearbeiteten aber mufs die Begegnung der Frauen im Treppenhaufe
gezählt werden. Alles in allem hat wohl kaum je ein und derfelbe Meifter in
einem und demfelben Raume fo grofse Flächen mit Geftalten und Farben be-
deckt, wie Tintoretto hier; und nebenher gingen gleichwohl bald feine Arbeiten
für die Libreria und für den Dogenpalaft.
Tintoretto jm Dog-enpalafte hatte Tintoretto allerdings viele Nebenbuhler; aber der
paiafte. decorative Gefammtcharakter der Räume wird durch feine Bilder mehr als die-
jenigen irgend eines anderen Meifters, höchftens Veronefe ausgenommen, be-
ftimmt. Im Vorfaal z. B. und im Saal mit den vier Thüren hat er die grofsen
allegorifchen Deckenbilder gemalt, in der Sala dell’ Anticollegio die vier mytho-
logifchen Wandbilder, die zu den reichften Werken feiner Palette gehören, in der
Sala del Collegio die vier Votivbilder der Dogen, welche durch Heilige den himm-
lifchen Heerfchaaren empfohlen werden (Fig. 431), im Senatsfaal einige ähnliche
Wandfelder und das prächtige, wenngleich durch tolle Verkürzungen auffallende
Deckenbild der Venezia als Meereskönigin. Sein gröfstes Bild im Dogenpalafte
aber, zugleich eins feiner letzten Gemälde, ein Werk, mit dem er noch einmal
feine geblendeten Zeitgenoffen zur ftaunenden Begeifterung hinrifs, ift feine
Paradies, coloffale Darftellung des Paradiefes im Saal des Grofsen Rathes. Es ift ein
Fünftes Buch. Erfter Abfchnitt.
Meifter das mächtige Breitbild der Akademie, welches die Rettung eines zum
Tode verurtheilten und bereits gemarterten Sklaven durch den allerdings etwas
verfchroben kopfüber vom Himmel herabftürzenden heiligen Marcus darftellt.
Ei^blider V°n deinen übrigen Einzelbildern fei zunächft noch der prächtigen Darftellungen
i_n Venedig, der Hochzeit zu Cana in der Sakriftei der Kirche S. Maria della Salute, des
in Dresden. Philofophen Diogenes in der »Neuen Bibliothek« und der Einfchiffung der Leiche
des heiligen Marcus im Hauptfaal der »Alten Bibliothek« zu Venedig gedacht.
Doch fieht man Hiftorienbilder feiner Hand in faft allen grofsen Galerien Europas,
die meiden und betten, in der Akademie zu Venedig, im Madrider Mufeum und
in der Dresdener Galerie: theils religiöfe Darftellungen von hohem Schwünge,
theils mythologifche Scenen von beftrickendem Reize, theils Bildniffe von grofser
Energie der momentanen Auffaffung und mächtiger Breite der Durchführung.
Bildniffe. Als Bildnifsmaler lernt man Tintoretto am betten in den beiden grofsen floren-
tinifchen Sammlungen, in der Akademie und im Dogenpalafte zu Venedig, in
der Wiener, der Berliner und der Dresdener Galerie kennen.
yeScuoiadi Seit jcßo arbeitete er dann zunächft hauptfachlich an dem Bilderfchmucke
Venedig. der Scuola di San Rocco, einer grofsartigen Wohlthätigkeits-Genoffenfchaft,
deren Verfammlungshaus noch heute im Wefentlichen fo erhalten ift, wie es aus
dem Ausbau vom Jahre 1550 hervorging. Tintoretto fchmückte die inneren
Räume diefes Gebäudes und der angrenzenden Kirche nach und nach mit
56 coloffalen, theils in die Decken, theils in die Wände eingefpannten Gemälden
aus der biblifchen Gefchichte und der Heiligenlegende. Sein packendftes Gemälde
der Scuola ift die Kreuzigung in der Sala dell’ Albergo (Fig. 430). In der grofsen
Halle gehören die Darftellung des bethlehemitifchen Kindermordes wegen ihrer
dramatifchen Lebendigkeit, das Gemälde der Magdalena in derWüfte wegen feines
landfchaftlichen Stimmungscharakters, das Deckenbild des Schlangenwunders in
der Wüfte wegen feiner erftaunlichen Beherrfchung der Maffen zu den inter-
effanteften Leiftungen des Meifters; zu den gediegenften und am gleichmäfsigften
durchgearbeiteten aber mufs die Begegnung der Frauen im Treppenhaufe
gezählt werden. Alles in allem hat wohl kaum je ein und derfelbe Meifter in
einem und demfelben Raume fo grofse Flächen mit Geftalten und Farben be-
deckt, wie Tintoretto hier; und nebenher gingen gleichwohl bald feine Arbeiten
für die Libreria und für den Dogenpalaft.
Tintoretto jm Dog-enpalafte hatte Tintoretto allerdings viele Nebenbuhler; aber der
paiafte. decorative Gefammtcharakter der Räume wird durch feine Bilder mehr als die-
jenigen irgend eines anderen Meifters, höchftens Veronefe ausgenommen, be-
ftimmt. Im Vorfaal z. B. und im Saal mit den vier Thüren hat er die grofsen
allegorifchen Deckenbilder gemalt, in der Sala dell’ Anticollegio die vier mytho-
logifchen Wandbilder, die zu den reichften Werken feiner Palette gehören, in der
Sala del Collegio die vier Votivbilder der Dogen, welche durch Heilige den himm-
lifchen Heerfchaaren empfohlen werden (Fig. 431), im Senatsfaal einige ähnliche
Wandfelder und das prächtige, wenngleich durch tolle Verkürzungen auffallende
Deckenbild der Venezia als Meereskönigin. Sein gröfstes Bild im Dogenpalafte
aber, zugleich eins feiner letzten Gemälde, ein Werk, mit dem er noch einmal
feine geblendeten Zeitgenoffen zur ftaunenden Begeifterung hinrifs, ift feine
Paradies, coloffale Darftellung des Paradiefes im Saal des Grofsen Rathes. Es ift ein