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Fünftes Buch. Zweiter Abfchnitt.
clrducho (Hofmaler feit 1603) und jenes Meifters jüngerer Bruder Vicente Carducho, der
1585 in fo zartem Lebensalter nach Spanien kam, dafs er (ich felbft als Spanier
fühlte und als Künftler wie als Schriftfteller der fpanifchen Mundart bediente.
Seine Bilder Seine gröfste malerifche Unternehmung war die Herftellung der ^4 grofsen Bilder
im Trinidad- ° e ° i o
Mufeum zu aus dem Leben des heiligen Bruno für die Karthaufe von Paular, welche, von dort
Madrid, n i i • •
geflüchtet, noch immer die jetzt zu Minifterialbureaus benutzten Zimmer und Gänge
des ehemaligen Trinidad-Mufeum fchmücken. Es find gut componirte Gemälde
von reinen Umriffen, mildem Ausdruck und ruhigem, gelblichgrauem Gefammt-
colorit, denen man die Beihülfe von Schülerhänden jedoch an manchen Stellen
anfieht. Aber die Bilder des fruchtbaren Meifters, theils kirchlicher, theils hifto-
im Prado- rifcher Art, find auch fonft nicht feiten. Zwölf fleht man im Madrider Mufeum,
in Peters-eins m der Petersburger Eremitage, eins m der Dresdner, eins in der Pefter
in Dresden, Galerie. Sie gehen in ihrer breiten, malerifchen, von einheitlichem Tone ge-
' tragenen Behandlung doch fchon merklich in den Stil des 17. Jahrhunderts über
und find von echt fpanifcher Innerlichkeit des religiöfen Ausdrucks, wenn auch
etwas flau in eben jenem einheitlichen Tone.
C. Die Schule von Valencia im 16. Jahrhundert.
ihr Em- Wenden wir uns von Caftilien nach Valencia, fo fehen wir auch hier
gang.“ die Malerei des 16. Jahrhunderts mit einer entfehiedenen Nachahmung der
Italiener beginnen und allmählich zu gröfserer Freiheit und Selbfländigkeit empor-
flreben, bis fie im 17. Jahrhundert in Jose Ribera einen Grofsmeifter der fpanifchen
Malerei und der realiftifchen Kunft überhaupt erzeugt. Der vorzugsweife italifirende
valencianifche Meifter war Vicente Juan Macipl\ welcher feinen Familiennamen
Jüan fo wenig leiden konnte, dafs er ihn in Vicente Joanes oder Juan de Juanes, wie
de Juanes. 0
er in der Regel genannt wird, verwandelte. Er lebte von etwa 1507 2) bis 1579,
Seine Ent- über feinen Entwicklungsgang weifs man nichts Beftimmtes; dafs er kein Schüler
wicklung. ? ö ö ö
Raphaels gewefen fein kann, wie Palomino behauptete, liegt auf der Hand; dafs
er aber nach Italien gegangen und unter den Schülern Raphaels ftudirt habe,
wird nicht in Zweifel gezogen. Sicher ift nur, dafs er das Haupt der Schule von
Valencia wurde und hier eine Reihe von Gemälden fchuf, die auf ftreng kirch-
lichem Boden ftanden und in erfter Linie als Andachtsbilder wirken füllten.
Sein Stil. Uebrigens ift, bei Lichte betrachtet, fehr wenig Raphaelismus in feinen Gemälden
zu entdecken. So viel Schönheitsgefühl fleh manchmal auch in feinen einzelnen
Geftalten ausfpricht, fo hart und eckig find in der Regel feine Bewegungen und
Compofitionen, fo archaiftifch ift oft der Gefammteindruck feiner Werke; und
feine Typen find nichts weniger als römifch: fie find von realiftifch aufgefafster
national-fpanifcher Eigenart in den Heiligenköpfen, von oft unangenehm jüdifchem
Gepräge in den Köpfen der Widerfacher und fogar einiger Apoftel. Sein Vor-
trag ift dabei noch hart verfchmolzen, fein Colorit fpanifch in den bräunlichen
Tönen der Landfchaften und in den Schatten der Fleifchmodellirung, im übrigen
1) Vgl. Pedro de Madrazo’'s grofsen Katalog des Madrider Mufeums Vol. I. (1872) p. 414.
2) In der Regel wird 1523 angegeben. Dagegen Polerö in »El Arte en Espana« VI. no 83;
citirt in Madrazo’s grofsem Katalog Vol. I. (1872) p. 669.
Fünftes Buch. Zweiter Abfchnitt.
clrducho (Hofmaler feit 1603) und jenes Meifters jüngerer Bruder Vicente Carducho, der
1585 in fo zartem Lebensalter nach Spanien kam, dafs er (ich felbft als Spanier
fühlte und als Künftler wie als Schriftfteller der fpanifchen Mundart bediente.
Seine Bilder Seine gröfste malerifche Unternehmung war die Herftellung der ^4 grofsen Bilder
im Trinidad- ° e ° i o
Mufeum zu aus dem Leben des heiligen Bruno für die Karthaufe von Paular, welche, von dort
Madrid, n i i • •
geflüchtet, noch immer die jetzt zu Minifterialbureaus benutzten Zimmer und Gänge
des ehemaligen Trinidad-Mufeum fchmücken. Es find gut componirte Gemälde
von reinen Umriffen, mildem Ausdruck und ruhigem, gelblichgrauem Gefammt-
colorit, denen man die Beihülfe von Schülerhänden jedoch an manchen Stellen
anfieht. Aber die Bilder des fruchtbaren Meifters, theils kirchlicher, theils hifto-
im Prado- rifcher Art, find auch fonft nicht feiten. Zwölf fleht man im Madrider Mufeum,
in Peters-eins m der Petersburger Eremitage, eins m der Dresdner, eins in der Pefter
in Dresden, Galerie. Sie gehen in ihrer breiten, malerifchen, von einheitlichem Tone ge-
' tragenen Behandlung doch fchon merklich in den Stil des 17. Jahrhunderts über
und find von echt fpanifcher Innerlichkeit des religiöfen Ausdrucks, wenn auch
etwas flau in eben jenem einheitlichen Tone.
C. Die Schule von Valencia im 16. Jahrhundert.
ihr Em- Wenden wir uns von Caftilien nach Valencia, fo fehen wir auch hier
gang.“ die Malerei des 16. Jahrhunderts mit einer entfehiedenen Nachahmung der
Italiener beginnen und allmählich zu gröfserer Freiheit und Selbfländigkeit empor-
flreben, bis fie im 17. Jahrhundert in Jose Ribera einen Grofsmeifter der fpanifchen
Malerei und der realiftifchen Kunft überhaupt erzeugt. Der vorzugsweife italifirende
valencianifche Meifter war Vicente Juan Macipl\ welcher feinen Familiennamen
Jüan fo wenig leiden konnte, dafs er ihn in Vicente Joanes oder Juan de Juanes, wie
de Juanes. 0
er in der Regel genannt wird, verwandelte. Er lebte von etwa 1507 2) bis 1579,
Seine Ent- über feinen Entwicklungsgang weifs man nichts Beftimmtes; dafs er kein Schüler
wicklung. ? ö ö ö
Raphaels gewefen fein kann, wie Palomino behauptete, liegt auf der Hand; dafs
er aber nach Italien gegangen und unter den Schülern Raphaels ftudirt habe,
wird nicht in Zweifel gezogen. Sicher ift nur, dafs er das Haupt der Schule von
Valencia wurde und hier eine Reihe von Gemälden fchuf, die auf ftreng kirch-
lichem Boden ftanden und in erfter Linie als Andachtsbilder wirken füllten.
Sein Stil. Uebrigens ift, bei Lichte betrachtet, fehr wenig Raphaelismus in feinen Gemälden
zu entdecken. So viel Schönheitsgefühl fleh manchmal auch in feinen einzelnen
Geftalten ausfpricht, fo hart und eckig find in der Regel feine Bewegungen und
Compofitionen, fo archaiftifch ift oft der Gefammteindruck feiner Werke; und
feine Typen find nichts weniger als römifch: fie find von realiftifch aufgefafster
national-fpanifcher Eigenart in den Heiligenköpfen, von oft unangenehm jüdifchem
Gepräge in den Köpfen der Widerfacher und fogar einiger Apoftel. Sein Vor-
trag ift dabei noch hart verfchmolzen, fein Colorit fpanifch in den bräunlichen
Tönen der Landfchaften und in den Schatten der Fleifchmodellirung, im übrigen
1) Vgl. Pedro de Madrazo’'s grofsen Katalog des Madrider Mufeums Vol. I. (1872) p. 414.
2) In der Regel wird 1523 angegeben. Dagegen Polerö in »El Arte en Espana« VI. no 83;
citirt in Madrazo’s grofsem Katalog Vol. I. (1872) p. 669.